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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 16ten Januar 1800
Friedrich hat wunderwürdige Tercinen gemacht, kömt mit jeder einzelnen Tercine drey Treppen herunter, liest es mir einzeln vor, und da ich stupider Weise, unmöglich gleich den Sinn fassen kann, obgleich der Glanz der Verse mich trifft, und mir behagt, so fährt er mich dermassen an, daß ich vor Angst fast gestorben bin. Auf diesen Vorfall habe ich dies Sonett gemacht, das ich Ihnen hier mitschicke; es wird Sie gewiß amusiren; zeigen Sie es Jetten, aber sonst an keinen Menschen, und auch Jette muß es keinem Menschen wieder sagen. So wie ich Sie beyden recht herzlich bitte, ja keinen Menschen das Geheimniß mit dem Florentin zu verrathen. Wenn Sie die Bernhardi sehen, so bitte ich Sie ihr einliegenden Brief zu geben, und sie zugleich in meinen Namen zu bitten, daß sie ja niemand etwas vom Florentin sagen sollte, ich habe es ihr zu schreiben vergessen. Mit Unger ist es so gut wie richtig, er wil[l] 2 L[ouis]d’or für den Meister Format geben, und es im Romanen Journal nehmen, der bey ihm herauskommen soll. W[ilhelm] will ihn nur noch einmal schreiben daß erstlich der Redacteur des Journals kein Wort am M[a]n[u]sc[ri]pt ändern darf, und dann muß es einen Band für sich ausmachen, damit man nicht den ganzen Braß zu kaufen braucht. Geht er diese beyden Bedingungen ein, so ist der Handel geschloßen. Sie sehen also wie wichtig es ist, daß es kein Mensch erfahre. Der erste Theil wird dann etwa ein Alphabet stark, und kömt schon zu Ostern.
Ich komme auch im Sommer, das ist wohl ausgemacht, nur weiß ich immer noch nicht wenn? Es hängt von Wilhelms ab, wie wir das Reisen einrichten, und wird sich wohl auf keinen Fall eher entscheiden lassen, bis die Ernst hier ist, sie kömt im Merz. – W[ilhelm] hat nun gar die funeste Idee gefasst den Winter in Berlin zu leben! Weil Tieck alsdenn wieder dort seyn wird, von den er nicht entfernt seyn will, und das F[riedrich] nicht wegbleiben will, wo Sie, und Wilhelm, und Fichte, und Tieck leben, daß können Sie wohl denken. Für mich ist es traurig, aber was soll ich machen, wo soll ich denn allein hin? ob Car[oline] mit nach Berlin kömt, ist äusserst zweifelhaft. Ueberhaupt ergeben sich jezt Dinge, die der Mund nicht hört, das Herz nicht sieht, kein Auge sagt, und kein Ohr sieht, sagt Zettel. Schreiben kann ich es nicht, denn es ist viel zu erzählen, aber ich werde viel zu erzählen haben wenn ich Sie wieder sehe. Es wird mir immer wahrscheinlicher, daß Sie sich nicht mit Car[oline] eben so lange vertragen würden, als es mir gelingt. Mir gelingt es aber auf eine wunderwürdige Weise. Obgleich a l’ordre du jour hier ist, daß sich die Menschen hier, wie es in einer Republik von lauter Despoten natürlich ist, immer zanken wie die Buben, so bin ich ganz allein davon verschont, und ich habe mich noch immer einer zärtlichen, und achtenden Behandlung zu erfreuen. Friedrich aber auch größtentheils. Wir beyde sind wie die Patriarchen, geehrt, und geliebt. Lieber Freund ich muß mich rasend sputen, daher kömt die Confusion in meinen Schreiben, ich unterhielte mich gern länger mit Ihnen, nur habe ich nicht viel Zeit.
Die schöne Geselligkeit
kostet gar viele Zeit.
Wollten Sie mir wohl die Liebe erzeigen, und V[eit] fragen wenn Sie ihn sehn, ob er mir wohl den Gefallen thun will, um den ich ihn in meinen vorigen Briefe bat, Fichten 6 L[ouis]d’or für mich auszuzahlen wenn er nach Berlin kömmt; ich habe ihn eine Assignation gegeben, und ich hoffe, er wird sie nicht zurückschicken. Auch das die Sachen von Leipzig nun angekommen sind, sagen Sie ihn, ich werde ihn nächsten Posttag schreiben, und ihn für seine Gefälligkeit danken.
Freilich nur ein halbes Loos lieber Freund, so habe ich ja auch nur halbe Schlimmilerey. Sie haben doch eins für mich? Das Porto was Sie in Sachen des Athenäums und überhaupt für doppelte Briefe ausgeben, schreiben Sie nur auf, das müssen Ihnen die Redactoren vergüten. Thun Sie es aber ja! Geben Sie den Zettel an Jetten, und grüssen Sie den Grafen Alexander.
Die Ihrige DV.
Was in aller Welt werden Sie nur zur Fichten sagen? Schade daß es keine burlescas mehr giebt, er und sie neben einander sind vollkommne italiänische Masken. Sapin et Sapine könnten sie heißen. adio amico caro.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 16. Januar 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 45‒46.
Language
  • German

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