Weißenfels: den 31sten Jänner.
Gestern, theuerster Freund, kam ich erst von einer Reise nach Freyberg und Dresden zurück – und also erhielt ich Deinen Brief spät. Ich freue mich, daß ihr meiner gedenkt und wäre gern längst zu euch gekommen, wenn tausend Zerstreuungen und Geschäfte es erlaubt hätten. Die liebe Ernsten habe ich einige Augenblicke gesehn und bin sehr glücklich gewesen so manches mit ihr geschwisterlich zu besprechen. Sie kommt nun bald und wird sichs hoffentlich einige Tage hier gefallen lassen. Schon in Freyberg erhielt ich durch Steffens die unangenehme Nachricht von Tieks Kranckheit. Ich habe den herzlichsten Antheil an diesem widrigen Schicksal genommen. Ich freue mich Seinetwegen aufs Frühjahr mit seinen kräftigen Essenzen in tausenderley Gestalt. Der Winter ist nicht für Tiek. Er muß, wenn das nicht zu heben wäre, schlechthin in ein südlicheres Clima.
Grüße diesen lieben Menschen und seine Frau auf das zärtlichste und brüderlichste von mir. Ich liebe sie unaussprechlich.
Euer Fleiß und eure Idee mit dem Athenaeum ist mir lieb. Ich gebe euch die Lieder gern in dies Stück der Versöhnung. Deine Terzinen reitzen meine volle Neugierde. Schade, daß ich nichts von der Lucinde höre. Ich lege Dir einen Brief bey, der doch ein kleines Gegengewicht in der Wage der öffentlichen Meynung über euch ist – ob ich gleich so wenig aus dem Pro, als contra, in diesem Fall mache. Die Kritik der Musenallmanache und die Comoedie gegen Kotzebue werdet ihr wohl schon kennen. Ich habe nur von beyden reden hören. Sternbald und Genoveva erscheinen doch wohl noch Ostern? Meinen Liedern gebt die Aufschrift:
Probe eines neuen, geistlichen Gesangbuchs.
Außerdem schick ich euch noch ein langes Gedicht – vielleicht paßt es euch zu eurem Plan. Die Europa schikt mir wieder – ich habe eine andre Idee damit – Sie kann mit einigen Veränderungen zu einigen andern öffentlichen Reden kommen, und mit diesen besonders gedruckt werden. Die Beredsamkeit muß auch gepflegt werden und der Stoff ist herrlich, z.b. Reden an Buonaparte, an die Fürsten, ans europaeische Volk, für die Poesie, gegen die Moral, an das neue Jahrhundert.
Das Neuste von mir ist ein bald fertiger Roman –
Heinrich von Afterdingen.
Wenn nicht alles entgegen ist, so kommt er schon Ostern. Sobald ich fertig bin, erhältst Du ihn im M[anu]sc[ri]pte. Ich habe jezt nichts im Kopfe, als Romane, und Lustspiele. Der Lehrling zu Saïs kommt nach der Vollendung des obigen R[omans] sogleich in die Arbeit. Lieder füllen einzelne Nebenstunden aus, und die Reden sind für den Sommer zur Unterbrechung des Romantischen bestimmt. Zu einem geistlichen Journal sammle ich bis Michaelïs Stoff. Ich bin mit Arbeiten überhäuft – da ich noch Theil an einem technischen Journal in Freyberg nehmen soll. Indeß bin ich heiter und rüstig und habe keinen andern Wunsch, als Julien bald zu besitzen und gesund zu seyn, um meine Zeit so gut und ruhig, als möglich, benutzen zu können. Ich würde sehr erfreut seyn, wenn Du und Tiek und Wilhelm mich auf einige Tage in Kösen besuchen wolltet. Nur müßt ich es vorher wissen. Wir könnten dort einige höchstangenehme Tage zubringen.
Warum der Widerborst nicht gedruckt werden soll, kann ich nicht recht einsehn. Der Atheïsm müßt es seyn? aber denkt doch nur an die Götter Griechenlands? Schade wärs – seine Unverständlichkeit ist nur eine Unverständlichkeit für geistlose Menschen – sonst ist er sehr faßlich – im Gegentheil scheint er mir ausnehmend klar zu seyn – Es ist euch noch nicht klarers entwischt. Wilhelm antwort ich nicht besonders – dieser Brief ist auch an ihn. Ihr seyd ein einziges, untheilbares Wesen – völlig, wie die Brüder im ersten Theil des Dschinnistan. Wenn ich heute toll untereinander geschrieben habe, so wundre Dich nicht – nach meiner Abwesenheit hab ich so manche Geschäfte vorgefunden, die mich alle nach verschiednen Seiten ziehn und mich zerstreun. Grüße die ganze poëtische Familie und behalte lieb
Deinen
Freund Hardenberg.
Carl grüßt euch herzlich.
Nota: Das Gedicht kommt erst nächsten Posttag, aber dann gewiß.
Gestern, theuerster Freund, kam ich erst von einer Reise nach Freyberg und Dresden zurück – und also erhielt ich Deinen Brief spät. Ich freue mich, daß ihr meiner gedenkt und wäre gern längst zu euch gekommen, wenn tausend Zerstreuungen und Geschäfte es erlaubt hätten. Die liebe Ernsten habe ich einige Augenblicke gesehn und bin sehr glücklich gewesen so manches mit ihr geschwisterlich zu besprechen. Sie kommt nun bald und wird sichs hoffentlich einige Tage hier gefallen lassen. Schon in Freyberg erhielt ich durch Steffens die unangenehme Nachricht von Tieks Kranckheit. Ich habe den herzlichsten Antheil an diesem widrigen Schicksal genommen. Ich freue mich Seinetwegen aufs Frühjahr mit seinen kräftigen Essenzen in tausenderley Gestalt. Der Winter ist nicht für Tiek. Er muß, wenn das nicht zu heben wäre, schlechthin in ein südlicheres Clima.
Grüße diesen lieben Menschen und seine Frau auf das zärtlichste und brüderlichste von mir. Ich liebe sie unaussprechlich.
Euer Fleiß und eure Idee mit dem Athenaeum ist mir lieb. Ich gebe euch die Lieder gern in dies Stück der Versöhnung. Deine Terzinen reitzen meine volle Neugierde. Schade, daß ich nichts von der Lucinde höre. Ich lege Dir einen Brief bey, der doch ein kleines Gegengewicht in der Wage der öffentlichen Meynung über euch ist – ob ich gleich so wenig aus dem Pro, als contra, in diesem Fall mache. Die Kritik der Musenallmanache und die Comoedie gegen Kotzebue werdet ihr wohl schon kennen. Ich habe nur von beyden reden hören. Sternbald und Genoveva erscheinen doch wohl noch Ostern? Meinen Liedern gebt die Aufschrift:
Probe eines neuen, geistlichen Gesangbuchs.
Außerdem schick ich euch noch ein langes Gedicht – vielleicht paßt es euch zu eurem Plan. Die Europa schikt mir wieder – ich habe eine andre Idee damit – Sie kann mit einigen Veränderungen zu einigen andern öffentlichen Reden kommen, und mit diesen besonders gedruckt werden. Die Beredsamkeit muß auch gepflegt werden und der Stoff ist herrlich, z.b. Reden an Buonaparte, an die Fürsten, ans europaeische Volk, für die Poesie, gegen die Moral, an das neue Jahrhundert.
Das Neuste von mir ist ein bald fertiger Roman –
Heinrich von Afterdingen.
Wenn nicht alles entgegen ist, so kommt er schon Ostern. Sobald ich fertig bin, erhältst Du ihn im M[anu]sc[ri]pte. Ich habe jezt nichts im Kopfe, als Romane, und Lustspiele. Der Lehrling zu Saïs kommt nach der Vollendung des obigen R[omans] sogleich in die Arbeit. Lieder füllen einzelne Nebenstunden aus, und die Reden sind für den Sommer zur Unterbrechung des Romantischen bestimmt. Zu einem geistlichen Journal sammle ich bis Michaelïs Stoff. Ich bin mit Arbeiten überhäuft – da ich noch Theil an einem technischen Journal in Freyberg nehmen soll. Indeß bin ich heiter und rüstig und habe keinen andern Wunsch, als Julien bald zu besitzen und gesund zu seyn, um meine Zeit so gut und ruhig, als möglich, benutzen zu können. Ich würde sehr erfreut seyn, wenn Du und Tiek und Wilhelm mich auf einige Tage in Kösen besuchen wolltet. Nur müßt ich es vorher wissen. Wir könnten dort einige höchstangenehme Tage zubringen.
Warum der Widerborst nicht gedruckt werden soll, kann ich nicht recht einsehn. Der Atheïsm müßt es seyn? aber denkt doch nur an die Götter Griechenlands? Schade wärs – seine Unverständlichkeit ist nur eine Unverständlichkeit für geistlose Menschen – sonst ist er sehr faßlich – im Gegentheil scheint er mir ausnehmend klar zu seyn – Es ist euch noch nicht klarers entwischt. Wilhelm antwort ich nicht besonders – dieser Brief ist auch an ihn. Ihr seyd ein einziges, untheilbares Wesen – völlig, wie die Brüder im ersten Theil des Dschinnistan. Wenn ich heute toll untereinander geschrieben habe, so wundre Dich nicht – nach meiner Abwesenheit hab ich so manche Geschäfte vorgefunden, die mich alle nach verschiednen Seiten ziehn und mich zerstreun. Grüße die ganze poëtische Familie und behalte lieb
Deinen
Freund Hardenberg.
Carl grüßt euch herzlich.
Nota: Das Gedicht kommt erst nächsten Posttag, aber dann gewiß.