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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena. Den 10ten März 1800.
Ich danke Dir herzlich für die Bereitwilligkeit, uns zu helfen. Wir können freylich noch nicht genau übersehn, was wir brauchen werden, und wie es uns gehen soll; aber eben in den jetzigen Umständen dürfen wir uns nicht so ins Blinde wagen. – Ich hätte wohl bey Dir angefragt, ob Du vielleicht einen andern Weg wüßtest, mir beyzustehn, denn da jetzt meine Lage so sehr sich zur baldigen Sicherheit nähert, darf ich weniger Bedenken tragen, die Hülfe eines Freundes zu gebrauchen; aber daß Du keinen andern als den schon einmal versuchten freylich nicht wünschenswürdigen Weg wählen willst, ist ein Beweis, daß es keinen andern giebt. – Uebrigens ist hier alles noch im alten Zustande. –
Hoffentlich hast Du, was von Fröhlichs erster Zahlung übrig geblieben ist, beym Empfange dieses schon an uns gesandt. Es ist uns nöthig genug. Auch das Athenaeum selbst und die zweyte Zahlung erwarte ich mit Ungeduld. – Nächsten Posttag schicke ich Dir eine Ankündigung der Uebersetzung des Plato für das Athen[aeum] und wenn es irgend noch Zeit und Raum ist, so laß sie ja noch in dieses rücken, denn das nächste wird doch leicht nicht ganz so schnell nachfolgen, als es könnte. Ich habe mit Frommann auf zwey Bände den Vertrag geschlossen zu 10 r [Reichsthaler] für die Uebersetzung nebst den Anmerkungen und 15 r[th] für die Einleitung; deren erster Ostern 1801 erscheinen soll. Die erste Anfrage, die ich nun an Dich ergehen lasse ist, ob Du in der Ankündigung und auf d[em] Titel genannt seyn willst? – Die erste werde ich danach einrichten. –
Uebrigens bleibt es ja wohl bey unsrer alten Abrede, daß jeder das Gespräch, was er gewählt hat, allein übersetzt und mit Anmerkungen begleitet, dem andern aber mittheilt, der durch Kritik oder was die Anmerk[ungen] betrifft durch histor[ische] Zusätze, das seinige zur Vollendung beyträgt. Ich denke das Werk mit einer Einleitung über das Studium des Plato zu beginnen, die ich selbst machen wollte, und wenn es dereinst vollendet ist, wieder mit einer Charakteristik des Pl[ato] zu beschließen, die ich Dir zu überlassen gedachte. Hältst Du es aber für zweckmäßiger die Rollen zu tauschen, so schreibe es mir.
Ich rechne nicht auf eine zweyte Auflage; das Werk muß also gleich so geordnet werden wie es bleiben kann. – Nun wäre ich sehr für eine historische Ordnung. Bey der letzten Lektüre schien es mir als müßte sich ein Stufengang entdecken lassen, als schlössen sich mehr Gespräche an einander als man gewöhnlich annimmt, und als sey es sehr möglich eine instructive Suite herauszuheben die die Uebersicht des Ganzen nicht wenig aufhellen würde, wenngleich es gar nicht nöthig wäre, daß jeder Dialog seine Stelle darin fände. – Nun ist meine erste Anfoderung an Dich, daß Du mir hierüber ein förmliches Gutachten mittheilst.
Ueber das philosophische Journal werden wir uns mündlich noch verständigen. Es ist doch nur noch ein entfernterer Plan. Eigentlich kein neuer: ich dachte mir nur, daß was wir schon lange gemeinschaftliches über Leibniz verabredet, mit dem was ich für Spinosa thun möchte, was Du, nebst allem Polemischen und Dialektischen was wir beyde je im Sinne gehabt, oder noch im Sinne haben werden, nebst vielen kritischen und historischen Vorarbeiten und Nacharbeiten sehr gut auf diese Art in eine Phalanx zusammengeschlossen werden können. Ich denke mir kein eigentl[iches] Journal dabey, sondern eine periodische Schrift die zweymal des Jahrs in einem mäßigen Band erschiene. Merkantilische Schwierigkeiten sind dabey eben nicht, denn diese Form des Journals wird immer gewöhnlicher, so daß sich auch die Philister unter den Buchhändlern daran gewöhnen. Ich dachte mir, daß Deine Kritik der Moral, ja sogar die polemische und dialektische Seite Deiner Theorie der Religion hier die beste Stelle finden würde. Es liegt in dem Wesen des Polemischen sich selbst als permanent zu constituiren – und vieles andre wäre darüber zu sagen, was Du wohl denken wirst. Ich würde vorzügl[ich] darauf [sehen] (außer der Polemik und Dialektik) die sogenannten Schwärmer unter den Philosophen durch Charakteristik, Uebersetzung, auf jede Weise wieder zu erwecken, auch die Physik der Alten rege zu machen durch Darstellung derselben. Das was man praktische Philosophie nennt, würde ich aber gänzlich Dir überlassen, und es würde in den meinigen nichts seyn, was mit Deinen Beyträgen von fern nur collidirte. Unsre Polemik und Dialektik aber scheint mir, kann ad extra nicht besser erscheinen als in Gemeinschaft so sehr sie auch ad intra wieder in sich polemisiren mag. Das ist eigent[lich] der Grund auf den mein Plan ruht, außer jenen alten συμ[Sym]Polemiken wie die über Leibniz.
Ueber die Form thuts nicht Noth zu klagen, wir brauchen sie eben nicht sehr; auch kommt mir, seit ich gewiß weiß, daß ich über kurz oder lang wieder in Berlin seyn werde, die Sehnsucht nach den Büchern die noch dort sind, seltner an. – Grüße den Lehnstuhl herzlich.
Noch eins. Darf ich wohl eine Canzone an Dich machen, worin ich von den Reden über die Religion redete? Versteht sich, wie man in einer Canzone von dergleichen redet, also gerichtl[icher] Gebrauch wäre immer nicht davon zu machen. Aber Deinen ganzen Namen muß ich über die Canz[one] setzen dürfen sonst kann ich sie gar nicht machen.
Ich möchte wohl mit dem Frühling einige der Art dichten, worin ich den Olymp und die Olympischen Spiele dessen was Du Kunst zu nennen pflegst, besser hoffe darstellen zu können, als in den Ideen geschehen konnte. – Denke Dir also gleichsam Pindarische Siegeslieder in der Form der Canzone. – Ich dachte außer der an Dich vielleicht eine an Schelling über seine Physik, auf den Tod des jungen Wackenroder, vielleicht an Hülsen zur Auffoderung, daß er die alten Götter verkündigen soll. – Wenn ich außer der Lucinde auch die Dithyramben vollendet habe, mache ich wohl eine auf mich selbst. – Gegen die erste Lucinde bin ich jetzt auch oft polemisch gesinnt aus der Tiefe der zweyten heraus; wenn ich aber, wie es mir nur zu leicht geschieht, beyde als Eins und vollendet denke, so kann ich es göttlich finden. – Der Enthusiasmus mit dem ich jetzt arbeite, ist besonnener und eben darum brennt er tiefer ein oder aus. – Auf Deinen Brief freue ich mich unsäglich, besonders aber auf das darin was mich belehren wird, und worüber ich jetzt nicht Divinationsversuche anstellen mag, wenn ich es auch zu können glaubte. – Bohn hat es acceptirt, doch ist über die Bedingungen noch nichts abgeschlossen. Es wird hier bey Frommann gedruckt. Ich sehe ihm recht bald entgegen.
Die Gedichte zur IIten Lucinde habe ich nun fertig, sieben an der Zahl. – Doch eins werde ich wohl noch zum Schluß machen.
Gruß und Heil.
Fr.
Heute vor d[em] Jahre kamst Du zum Besuch von Potsdam zu meinem Geburtstag.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 10. März 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 67‒69.
Language
  • German

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