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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

den 10ten Merz 1800
Wer mir einst gesagt hätte: Veits Reisen würden mir einmal unangenehm seyn! so ist die rächende Zeit doch gekommen. Diese Reise ist surcroit de confusion! Was in aller Welt, musste er nun reisen? Hören Sie nur: Sie wissen Veit hat mir versprochen an Fichte die 6. L[ouis]d’or zu bezahlen? ich sagte das an Fichten, wollte die assignation die an Mendelsohn gerichtet war gegen eine an Veit austauschen, er wollte aber nicht, hielt es für unnöthig weil er sie selbst an Veit in Berlin präsentiren wolle. Nun reißt er aber noch nicht nach Berlin, sondern schickt zum zweyten mal ohne mir etwas davon zu sagen, die assignation an Feßler, der schickt sie richtig wieder an Mendelsohn, sie wird zum zweyten mal nicht angenommen, und kömmt zu meiner Beschämung zum zweyten mal zurück! – Ich schreibe nun so gleich an Veit: doch diese ewige 6 L[ouis]d’or gegen eine Quittung an Feßler zu schicken, und sage zugleich an Fichte ich hätte nun an Veit geschrieben und es würde gewiß an Feßler bezahlt werden; der macht nun gleich seine Einrichtung darnach, und schreibt an Feßler deßwegen; nun bekomme ich die Nachricht daß V[eit] meinen Brief gar nicht bekommen hat! Denken Sie sich die Confusion! ich erwarte nun jeden Augenblick daß Fichte wieder zu mir schickt, weil ihn Feßler wohl schreiben wird, daß er das Geld nicht bekommen hat! Nun habe ich an Mendelsohn geschrieben, er muß die 6 L[ouis]d’or bezahlen. Sie können mir es ja bezeugen, daß es mir Veit versprochen hat zu thun, wenn mir Mendelsohn etwa nicht glauben will. Doch sollte ich eine solche Brutalität nicht von ihm erwarten! – Sollte aber wie es in diesen verruchten Zeitläuften wohl geschehen kann, der Satan sein Spiel haben, daß Mendelsohn auch verreißt ist: so bitte ich sie, ziehen Sie meinen Bruder Abraham darüber zu Rathe; er kann und muß mir helfen. Er soll meinen Brief an Joseph nur öfnen, er wird daraus wohl sehen, daß er nichts riskirt, und daß alles seine Richtigkeit hat, er kann ja die 6 L[ouis]d’or entweder sich aus Mendelsohns, oder aus Veits com[p]toir geben lassen; kurz ziehen Sie ihn nur zu Rathe, er wird mich gewiß nicht in dieser Verlegenheit lassen, und mich vor dem Feßler einer solchen Beschämung aussetzen. Sollte aber auch dieses nicht gehen Abraham entweder nicht da seyn, oder enfin ... so seyn Sie so gut nehmen Sie von dem Athenäums Geld die 6. L[ouis]d’or; Fessler muß alsbald bezahlt werden. Doch hoffe ich noch zu Gott es wird nicht nöthig seyn dieses kurze Stückchen Zudecke auch noch nach diesem Ende zu ziehen; es wird ja wohl einer von meinen Brüdern da seyn. Und es ist ja eine sehr kleine Gefälligkeit im Grunde, es ist ja nur ein Vorschuß bis zum 1ten May! denn wie Noth uns hier Geld thut, läßt sich nicht erdenken! Wilhelm hält sich brav, und giebt, so lang er kann, aber wie lange kann das noch so fortgehen? es fängt auch ihm an knapp zu werden. – Gott lieber Freund verzeihen Sie mir den verwirrten brüsken Styl – es ist wirklich hart! Ich will mich erst wieder ein wenig zusammen nehmen eh ich weiter schreibe. – – –
Nun mein lieber S[chleyermacher] ich dächte doch, Sie bedenken Sich nicht länger, und borgen von Veit das Geld! – Ich hoffe, Sie werden mir zutrauen: daß wenn ich nicht überzeugt wäre, Sie können es mit Ehr und Gewißen thun, so würde ich es nicht von Ihnen verlangen! – Sie glauben V[eit] würde es nicht verkennen, für wen Sie es verlangen? Nun, und was schadet denn das? Er versagt es Ihnen nicht, weil Sie in Credit bey ihm stehen, und er recht gern Gefälligkeiten dieser Art für sichre Leute hat: und da Sie dafür einstehen, so kann es ihm ja einerley seyn für wem es ist? Sie haben ja als ein Freund von Friedrich es gar nicht Ursache zu verläug[n]en daß Sie ihm diese Gefälligkeit erzeigen. Und glauben Sie daß Veit niederträchtig genug wäre es Ihnen unter diesem Vorwand abzuschlagen? Dafür seyn Sie sicher, daß thut er nicht. Vielmehr wäre ich selbst gleich erbötig ohne Furcht für ein refus eine Anleihe von ihm zu fordern aber dieser Unterschied liegt in unsern Verhältnißen: Was Sie mit Fug und Recht als Freund für den Freund fordern, das kann ich nicht ohne einen Anstrich von Unverschämtheit thun. Kurz lieber S. ich bin überzeugt Sie können es thun! – Wie wird das aber nur werden, wird er Ihnen Geld assigniren? denn wer weis wenn er kömt? und wir müßen ja die Langen bezahlen? Das Athenäums Geld reicht ja bey weitem nicht hin, wenn auch der Bütow noch wartet; darin haben Sie ganz Recht, daß der noch warten muß! aber wie nun weiter? Wilhelm der das Geschäft wegen den Florentin übernommen hat, will sich durchaus nicht um seinen vornehmen Credit bey Unger bringen, und will kein Geld nehmen bis er gedruckt ist! und die Langen muß doch schon künftigen Monat ihr Geld wieder haben! An die Levin wegen der 100 r[th] schreiben finde ich aus folgenden Gründen nicht recht gut: erstlich habe ich es zu Ostern ganz gewiß versprochen, und auch den Wechsel so ausgestellt, da die Levin es mir nicht selbst geben konnte, so hatte sie damals eine Quelle gefunden, die eben nicht lauterer, und wahrscheinlich nicht vornehmer seyn mag als die meinige bey der Langen, wenn ich sie nun um Aufschub bitte, so muß sie sich aufs neue wieder für mich besudeln, darum will ich es ihr nicht gerne zumuthen, ich weiß sie mußte sich damals viel dummes gefallen lassen meintwegen; dann muß ich auch dort für das halbe Jahr 10 pC [proCent] Interressen bezahlen und an V[eit] geben wir für’s ganze nur 5 pC. Dies halbe Jahr in der Noth mußte ich in einen sauern Apfel beißen; aber wenn es möglich ist, nur ichtens möglich, so möchte ich gern diese 15 pC ersparen, es kömt uns darauf an lieber Freund! – Gott weiß wenn ich die Levin überall bezahlen kann da ich das Geld von Unger nicht eher ziehen darf, bis es fertig ist! und wenn ich mein armes Haupt so sorgenschwer wiegen muß, so bin ich selbst neugierig zu wißen, wie er noch wird gemacht werden denn mir geht nichts durch den Kopf, als Geld. Was mich noch abgehalten hat, in diesen acht lezten Tagen, ist: das Caroline krank ist, an einer Art von NervenFieber; ich muß also viel um ihr seyn. Und überhaupt
geht alles bunt durch einander
wie Mäusedreck und Koriander[.]

Zwar dieser Hauptwirrwarr, verwirrt mich jezt weiter nicht viel, ich schaue sehr vornehm drein, und bin von beyden Parteyen so viel als möglich geehrt, und wohl angesehen; ich wollte nur der Schnee wäre fort und Caroline wieder gesund, es ist gewaltige Zerstörung! Auch ist Tieck noch immer krank, und lahm, in der Despoten Republik sind Tieck übrigens die outlaws[.]
Ich nehme eine geschnittne Feder, und lege ein neus Blatt an; danke Gott daß ich für diesesmahl wieder über den FinanzArtikel hinweg bin! Lassen Sie mich Ihnen noch ein paar Gemüthsworte sagen. Fürs erste erkläre ich Ihnen hiemit meine Liebe! ja meine Liebe! ein L ein I ein E ein B ein E! und zwar, nicht etwa daher weil Sie so gründlich und liebreich sich unsrer annehmen das gehört im Dankbarkeitsdepartement! sondern weil Sie liebenswürdig sind, weil Sie die Lucinden Briefe schreiben, kurz weil Sie mit Anstand und Würde mein ganzes Herz erobert haben! wie ich begierig bin diese Ihre Briefe zu lesen können Sie denken, die Polemick verstehe ich schon jezt, noch eh ich sie sehe. Auf manches was noch in Ihrem Briefe zu beantworten ist, komm ich heute nicht, Caroline nimmt mir viel Zeit! Nur zwey Dinge noch: erstlich wenn Sie können so lassen Sie sich von der Langen sothanes kleines Häuschen zeigen, das ich sehr wohl kenne, und wonach mir mein Herz schon lange hieng. Wenn ich es doch zu Johanni haben könnte!! so viel ich weis ist ein Garten dahinter, diesen Garten, und ein Häuschen allein, das wäre ja eine wahre Glückseeligkeit! Freilich müßten Sie es aber erst selbst besehen, ob es auch logeable ist? wenn es 3 oder 4 Stuben, und einige Kammern hat, so dächte ich wir nähmen es: denn Friedrich soll mit mir auf jeden Fall in einem Hause wohnen; mit der Mutter werde ich es selbst ausmachen, ich schreibe ihr die andre Woche, und zwar alles, rein von der Leber weg! und nach den andern Leuten bin ich willens gar nicht zu fragen; nachdem ich den großen Schritt waagen durfte, verstehen sich alle kleinern von selbst. Jezt kömt es uns hauptsächlich darauf an Geld zu ersparen, und das geschieht, bey einer getrennten häußlichen Einrichtung wohl schwerlich. Meine Mutter hat mir übrigens sehr freundlich und ziemlich vernünftig geschrieben. Wenn Sie also die Langen durch ein Trinkgeld dahin bewegen können, daß sie Ihnen so wohl das Haus zeigt, als auch, wenn es Ihnen gut dünkt das übrige mit dem Wirth abschließt so wäre es mir sehr lieb. Die Gegend ist mir auch sehr recht und bequem, ich werde Wilhelms Theater Bedürfniß wohl nicht gut in meinen LebensPlan aufnehmen können, er liegt mir nicht nah genug. Die Langen ist übrigens zu dergleichen Unterhandlungen gemacht, und richtet die Sachen gut aus! Wenn Ihnen das Haus gefällt, und die Langen schafft es mir zu Johanni oder Michaeli, so geben Sie ihr nur 1 r[th] in meinen Namen zum Trinkgeld.
Wenn Sie Jonas einmal zufällig sehen, so suchen Sie ihn doch vertraut zu machen, und fragen Sie ihn, ob ihn auch in des Vaters Abwesenheit, nichts Leides geschieht? und ob ihm nichts abgeht? – Gott erhalte Sie, und unser Andenken bey Ihnen. Heute Früh habe ich bey dem Friedrich gefrühstükt und Ihrer gedacht. Leben Sie wohl.
Dorothea
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  • Date: Montag, 10. März 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 69‒72.
Language
  • German

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