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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena. Den 17ten März 1800
Hier steht es schlecht. Caroline hat eine ernsthafte Krankheit, eine Art von Nervenfieber; und wir warten mit Ungeduld Sehnsucht und Schmerzen seit zwey Posttagen auf das verheißne Geld, ohne daß es kommen will. – Doch es wird ja wohl, Caroline besser und wir alle wieder froher werden!
Mit der Lucinde geht es gut; es macht mir wenigstens große Freude daran zu arbeiten, ich habe Muth dazu, und ich denke es wird ganz nach meinem Sinne gerathen. –
Deinen Briefen über die erste sehe ich nun auch allmählig mit Verlangen entgegen. –
Um Dir doch etwas mit dieser guten Gelegenheit zu schicken, lege ich zwey Sonette bey, die mir so in den ersten Anfällen von Poesie mit entstanden sind. Ich schicke sie Dir, weil Du Dir daraus vielleicht eine gewisse Art von Idee über die Dithyramben machen kannst. Ich habe das Sylbenmaaß für diese nun construirt: jedes solche Sonett soll eine Hauptmasse anfangen (daher nehme ich auch den Mund etwas voll darin.) Das an den Apollo die erste, die vom Enthusiasmus handeln wird; das an die Diana die zweyte, welche die Natur aus dem Ephesischen Standpunkte darstellen wird. Die dritte Masse handelt von der Cybele u.s.w.
Wenn Du auch keine Canzone haben willst, so kann ich Dich auf keinen Fall von Episteln lossprechen; es giebt äußerst wenige Subjekte an die man eine Epistel richten könnte. Wirst Du mir für diesen Gebrauch genommen, so geht mir fast die ganze Gattung verloren, zu der ich eine alte Liebe habe. Ich dachte wohl im Frühjahr, wenn die Luc[inde] fertig ist, eine Epistel über die Poesie an Dich zu richten.
Ueber das Journal habe ich mich neulich, wie ich fürchte, nicht so klar gemacht, als es doch in mir. Ich erwarte nun erst Deine Antwort darauf.
Der Himmel gebe uns allen Gedeihen und Seegen.
Friedrich S.
[Beilage]
1.
Apollo, wirst Du diese Gluth noch lindern?
Ich selber sprang hinunter in die Tiefen,
Wo heilge Musen süß und wild mich riefen
Schon fleh ich Dich, die Freudenfluth zu mindern.
Dein Pfeil brennt stark und willst du ihn nicht hindern
So muß der Stirn die letzte Kraft enttriefen,
Die Lieder, so im Haupt mir lange schliefen,
Versinken auch mit andern Chaoskindern.
Gieb Heil! die treuste Treue soll Dir lohnen.
Kühn hab’ ich in der eignen Brust gerungen
Schon strömt mir alle Kraft zum Ziel zusammen.
Allmächtger! wolle jetzt nur freundlich schonen,
Und hab’ ich, was Du mir enthüllt, gesungen,
Laß mich verzehren schnell von Deinen Flammen.
2.
Diana Ephesina.
Diana, heilge, wo sind Deine Brüste?
Begeistrung trinkt der Löwe sich im Blute,
Titanen schwellt der Wein zum Übermuthe,
Diana’s Milch gab Sehern hoch Gelüste.
Umklirrt blieb still, als ob es nichts nicht wüßte,
Das Räthselbild, wie auch der Taumel fluthe,
Bis matt vom Waffentanz der Priester ruhte,
Der großen Göttin tiefsten Saum noch küßte.
Diana, heilge, reich zum Tanz die Waffen!
Als ich der Brüste Füll’ im Marmor schaute,
Da ward von Deiner Milch das Herz mir trunken;
Und ob ich gleich im Mark vor dir ergraute,
So fühlt’ ich Kraft auch, nimmer zu erschlaffen,
Bleib’ in Mysterien ewig nur versunken.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 17. März 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 74‒75.
Language
  • German

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