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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

den 17ten Merz 1800
Seit länger als 14 Tagen habe ich nicht vernünftig arbeiten können; Caroline ist ernsthaft krank, sie hat ein Nervenfieber, diese Zerstörung sezt den übrigen die Krone auf. Als Gemüthsergözlichkeit übe ich mich in allerley Schnurrpfeifereyen, von denen ich Ihnen hier einige mittheile. Die Stanzen bekommen Sie aber durchaus nicht allein, sie sind im Florentin gewachsen und gewurzelt. Ich habe jezt Gelegenheit die Brownsche Manier kennen zu lernen, und da ich weiter keine Offenbarung drüber haben kann, so muß ich mich begnügen die Wunder, die sie erschafft anzubeten. Hufeland nemlich, hat Carolinen Anfangs Antibrownsch behandelt, und sie verschlimmerte zusehends; Schelling hat aber Hufeland so eingeheizt, daß er endlich nachgab, und flüchtige Reizmittel und unausgesezte Stärkungen als China, ungarischen Wein, nährende Cremen, und starke bouillon nehmen ließ, und sieh da es geschehen Wunder vor unsern Augen. Sie wäre auch schon völlig wieder hergestellt wenn nicht ein fatales Senftpflaster an der Wade, ihr eine Inflammation gemacht hätte von der sie wieder einige Schritte retrograde ging. Ich schreibe Ihnen dies, weil es mich jezt interressirt, und weil ich jezt für dieses System mich sehr interressire.
Ich hoffe Sie werden nun endlich die Geschichte mit der Assignation zu Stande bringen können. Ich habe einen Brief von Veit gehabt aus Warschau: er hätte Ihnen das Geld zur Assignation geschickt, schreibt er; zugleicher Zeit schreibt mir aber Heine, er hätte das Geld, und würde es an P[rofessor] Fichte geben. Ich beschwöre Sie, nehmen Sie sich dessen an, und bezahlen Sie Fichte, auch was er noch für die Büste bekömt, möchte ich Sie sehr bitten ihn wieder zu erstatten es werden einige Thaler seyn. Meiner Mutter habe ich nun geschrieben und ihr über Alles reinen Wein eingeschenkt. Der Muth war noch niemals an etwas schlechtem Schuld; aber halbe Mesuren, lern ich immer mehr hassen; ist sie vernünftig eh bien – will sie sich aber nicht bequemen so seh ich Berlin nicht wieder, Punktumm! Wissen Sie nicht wie wir es mit den Sopha und dem Büreau machen, daß die Bernhardi nicht länger behalten will? entweder Sie, die Jette, Fichte, oder Hinni müßen es schon thun; und ich kann nichts darüber verfügen, außer es Ihrer freundschaftlichen Vorsorge überlassen.
Der Jette will ich schreiben, so bald ich kann, fürs erste nehme sie an Briefes Statt meinen Gruß, und die Versicherung daß ich die Alte bin. Sagen Sie ihr, ich habe hier einen Sohn von der Max kennen gelernt, ein witziger etourdi, und toll für Eigenliebe im Gesicht aber eine Mischung von Carl Laroche, und den schwarzen Ginelli! das soll sich Jette einmal reimen, wenn sie kann, wahr ist es aber. Haben Sie meinen Bruder Abraham nicht gesehen? was sagen Sie denn zu ihn? Sagen Sie mir aufrichtig ihre Meynung. Einen Brief hatte ich von ihm, der mir eine deutliche Anschauung gab, wie ihn die Leute für liebenswürdig halten, und wie er gewiß noch einmal sein Glück machen muß! thu ich ihm Unrecht? – – –
Auguste läßt Sie sehr grüßen, und hat mir heilig aufgetragen, Ihnen zu bestellen, sie würde Sie lieben, wenn Sie nicht blond wären; das kann sie nicht leiden ob gleich sie selber blondissime ist.
Adieu[.] Ist ein Brief von Ihnen unterwegs?
Dorothea
Sie werden mir doch sagen ob Sie das Personal zu meiner Teufeley errathen? Das andre: Der Erde Klagen, betittelt, ist keine Teufeley sondern bloße Ungeduld über den ewigen Fraß.
[Beilage]
Der Erde Klagen
Was häl[t]st so lang’ in schweren Fesseln
Grimmer Wüthrich du, die sehnsuchtskranke?
Belastet, kalt umstarrend meinen Schooß
Trauernd verhüllt im Todtengewande!
Soll unfruchtbar, und Segenlos er bleiben?
Muß ich entwöhnen mich der süßen Pflicht?
Die Sonne kömmt zurück, kannst ihren Lauf nicht hemmen
Doch hält den Liebes Gruß, dein rauher Fittig auf.
Hohnlachend wehrest du ihr treues Lösen
Und wendet sie das Antlitz schreitend ab
Gleich bindest du im Doppelgrimm mich fester!
Was will dein eifersücht’ges Unvermögen?
Laß ab! Laß endlich los die lange seufzende
Laß deinen kalten Arm von meinen Hüften!
Dein frostend Quälen vermag’s neu zu gestalten?
Strömt Leben in dem Hauch, der giftig mir
Das Mark zu ewgem Eise droht zu wandeln?
Du wardst zum Hüter mir bestellt
Auf daß in Ruh ich neue Kräfte sammle
Daß ich empfange und gebähre,
Zahllose Wunderbilder, Weltenherrlichkeit
Mit Liebe an den Mutter Brüsten nähre.
Doch du treuloser Knecht hast deiner Pflicht vergessen;
Daß du in Demuth mußt, zurück dich ziehn
Wenn der erwählte Bräutigam sich nähert.
Fest sitzest du mit trotzig tobender Stirn
Auf angemaßtem Thron. In harter Gefangenschaft
Seufzt die angstvoll harrende Geliebte:
Fürchtest du des ewgen Schicksals Rache nicht?
Nicht die Bestrafung frecher übermüthiger Titanen?
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 17. März 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 75‒77.
Language
  • German

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