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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

den 4ten Aprill 1800
Mit dem Nervenfieber hat es freylich ein Ende, aber Karoline ist doch noch immer Bettlägerig und hinlänglich elend, sie leidet an hysterischen Zufällen jezt, und das mit einer so peinlichen Langwierigkeit, daß uns allen beynah die Geduld dabey vergeht. Die Aerzte können uns nicht eher Hoffnung zu ihrer völligen Wiederherstellung geben, als bis sie in ein Bad reisen kann, welches auch in der Mitte Mays geschehen soll; und so komme ich schon wieder um die Hoffnung Charlotten kennen zu lernen, denn unter diesen gesammten Umständen kann sie doch nicht gut herkommen. Auch wäre es recht gut wenn Caroline fort wäre, die Verzwicktheit, und Verkehrtheit ist gar zu groß, auch kann sie unmöglich dabey wieder gesund werden, ihr Zustand erfordert die größte Ruhe, und wie sollte sie diese wohl erhalten, bey der Angestrengten Aufmerksamkeit, den launigen Trotz, und die trotzige Laune der beyden Männer, aus einander zu halten, mit allen den kleinlichen Absichten und Mühseeligkeiten, die ein so häßlich schmutziges Verhältniß nothwendig macht? – Mir gebe der Himmel Gesundheit, und erhalte mir die Gabe, meine Verhältniße grade, einfach und rein, zu erschaffen, so mag das übrige werden wie es will und kann!
Ich bitte Sie geben Sie der fatalen Langen ihr Geld! ich habe mich in einer unseeligen Stunde mit der fatalen Frau eingelaßen. Interreßen muß sie aber nicht haben, ich habe ihr im Voraus 5 r[Reichsthaler] bis Ostern gegeben, das werden Sie auch auf das Instrument finden, mehr kann sie nicht fordern. Wenn Sie sie sehen, so bitte ich Sie, sie in meinen Namen zu fragen, ob sie auch meine Wäsche und Waschgeräthe an die Bernhardi abgeliefert hat? wo nicht, so soll sie es so gleich thun. An die Levi will ich mit nächster Post selbst schreiben; denn ich werde sie nicht zu Ostern bezahlen können, wenn Sie auch die Langen mit Veits Geld bezahlen, weil mir Unger den Florentin wieder zurück geschickt hat. Die Katze mag es wohl gerochen haben, wo er sich herschreibt, und da war sie wirklich niedrig genug, sich diese ganz armseelige Rache zu erlauben. Dem Brief den Unger dabey geschrieben sieht man es unverkennbar an, daß er ihr Machwerk ist; er soll nicht ins Romanenjournal, weil sie nichts gemeines, und unsittliches darin aufnehmen! hiermit hätte ich denn meine Sentenz! Wilhelm steht nun in Zank mit Unger, in den er Woltmanns Namen auch mit hineingezogen. Der Zank wird vielleicht W[ilhelms] Geschäfte mit Unger verschlimmern die meinigen aber nicht verbeßern. – W[ilhelm] wird ihn nun in Leipzig verkaufen. Der Himmel gebe mir nur Muth, und Kraft ihn zu vollenden! So steigt man denn die Unannehmlichkeiten Stufe nach Stufe heran. Wird die Aussicht einmal freyer werden?
Warum haben Sie den Namen Kuckunz nicht verstanden? es ist der verlarvte Kunstkuckuck, und bedeutet den Verfaßer der Volcksmährchen; besonders, seine Ansicht, und Art zu kritisiren. Hier fand man grade diesen sehr bestimmt, und gut getroffen, so gar Tieck selbst hat sich damit belustigt; denn diesem ward es halb gegen meinen Willen von der Signora Zarticosa vorgelesen, aus Rache weil sie mit ihren Part sehr unzufrieden war. Aber sie blieb die einzige die es nicht ganz spaßhaft aufnahm; zu meiner großen Freude waren weder der Wirth Bonafides, noch Meister Kuckunz darüber beleidigt; und es blieb bey einer freundlichen Ergözlichkeit; sie und ihr täppischer Freund hatten es anders gewünscht. –
Lieber Freund ich weiß nicht ob Sie mich lieber haben würden, wen[n] Sie Zeuge wären wie diplomatisch ich mich hier durchwinde, denn Carolinens Krankheit verbietet alles dreiste Reden. Ich selbst mag mich nicht so leiden. Dem Friedrich bin ich nicht genug grob, ob er mir gleich einen guten Theil Vornehmigkeit nicht absprechen kann. Aber gröber kann und darf ich jezt nicht seyn eigentlich habe ich selbst mich über keine Art von Unbill zu beschweren, im Gegentheil, ich habe Carolinen recht viel zu verdanken, sie war die erste, die mich öffentlich anerkannte; und wenn es auch nur der Muth seyn sollte, so werde ich ihn ihr doch nie vergeßen! Auch gebe ich ihr bey weitem nicht so viel Absicht schuld, als Friedrich ihr zur Last legt, vielmehr erkenne ich erst jezt, daß sie ganz unbesonnen, und höchst egoistisch, aber wie ein unverständiges Kind blos für die Gegenwart bedacht ist, sie ist gar keines weiten Plans fähig. Friedrich begegnet sie aber höchst unwürdig, und ist durchaus nicht im Stande ihn zu begreifen, sie ist ganz übermüthig gegen ihn; und dies ist der Punkt worüber ich keinen Scherz verstehe! Sie wünscht meine Gesellschaft um mit ihr das Bad zu besuchen, sie wird nach Francken ins Bockliter Bad [gehen], es wäre auch für mich heilsam; aber wie kann ich mit Friedrichs Feindin zusamnen bleiben? bey dieser Gelegenheit werde ich ihr dann meine Meynung nicht verbergen.
Mit der Unger muß man die Fichte vergleichen habe ich mir ausgedacht, um diese anbeten zu können; was vermag jede Lächerlicheit gegen jenen Höllengreuel! Wären wir nur recht klug gewesen, so hätten wir schon aus Fichtens Theorie vorhersagen müßen wie seine Frau seyn muß; er mag es schwer genug gefühlt haben, daß Grosmuth das einzig mögliche Gefühl für eine solche kleine Erbärmlichkeit ist. Grüßen Sie Darbés wenn Sie ihn sehen, hat er schon wieder sterben wollen? Sagen Sie ihm: man hätte hier erzählt, Fichte und er hätten einen Auftritt gehabt, weil er der Frau sichtbar die cour gemacht, um diesen nun zu beruhigen, habe er sich entschließen müßen, die schwedische Schwester zu heyrathen. – Ja wohl ist diese Schwester ein putziges Ding, sie ist immer im Begriff verrückt zu werden, wie einer der nießen will, und nicht kann. – Fichte hat mich wohl nicht recht verstanden, wenn er glaubt ich würde Friedrich allein wohnen lassen. Mit nichten. Antwort habe ich noch nicht von der Mutter, wenn Sie Heyne sehen, so fragen Sie ihn doch ob er meinen Brief an die Mutter besorgt hat? Grüßen Sie mir auch Jonas, und Jette tausendmal. Dieser Brief ist vorigen Posttag angefangen, ich habe noch unendlich viel Dinge auf dem Herzen, die ich Ihnen im nächsten stürmenden oder regnichten Wetter sagen will; ich gehe zu viel spazieren jezt. Jezt haben wir wenigstens Aussicht auf Geld! Wenn Sie Gelegenheit finden irgend ein kleines Haus das wir allein bewohnen können, in oder mit einen Garten zu miethen so thun Sie es ohne weitre Anfrage[;] mich graut dafür, mit fremden Menschen, in einem großen lärmigen Hause zu wohnen. – Ihre Briefe haben mich ganz entzückt, schicken Sie bald mehr? wie kann man wahrer, liebreicher gründlicher, und grazieuser darüber schreiben?
Fortsezung künftig
  • Schlegel, Dorothea von  Gesundheit  mitteilen  Schelling, Caroline von
  • Schlegel, Dorothea von  Kennenlernen  erhoffen  Ernst, Charlotte
  • Schleiermacher, Friedrich  Geld  senden  Lange, Frau
  • Schlegel, Dorothea von  negativ bewerten  Lange, Frau
  • Schlegel, Dorothea von  Briefsendung  ankündigen  Varnhagen, Rahel
  • Schlegel, Dorothea von  Geldsendung  aufschieben  Varnhagen, Rahel
  • Unger, Johann Friedrich Gottlieb  Manuskript  ablehnen  Schlegel, Dorothea von: Florentin
  • Schlegel, Dorothea von  negativ bewerten  Unger, Friederike Helene
  • Schlegel, Dorothea von  danken  Schelling, Caroline von
  • Schlegel, Dorothea von  negativ bewerten  Fichte, Johanna
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Darbes, Joseph Friedrich August
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen lassen  Schleiermacher, Friedrich
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  senden  Mendelssohn, Fromet
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  senden lassen  Heine, Johann August
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Veit, Johannes
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Herz, Henriette
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  sich freuen  Schleiermacher, Friedrich
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  loben  Schleiermacher, Friedrich
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 4. April 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 80‒82.
Language
  • German

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