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Novalis to Friedrich von Schlegel

Weißenfels: den 5ten April.
Ich habe mit Fleis lange geschwiegen. Die ganze Zeit bin ich viel beschäftigt gewesen, und erst seit einigen Tagen hab ich den ersten Theil meines Romans zu Ende bringen können. Noch hab ich manche Geschäftsarbeiten, indeß in 8–14 Tagen bin ich auch damit zu einem Ruhepuncte gelangt. Sobald mein Roman ins Reine geschrieben ist, welches ohngefähr in 8 Tagen seyn wird, so schick ich ihn gleich zu euch. Es sollte mich innig freuen, wenn ihr an diesem ersten Versuche Gefallen fändet. Er wird gedruckt ohngefähr 20–22 Bogen stark werden – doch muß ich erst wissen, ob ihr euer Approbatur darunter sezt. Der Plan ist deutlich genug hingelegt, und der Stoff ein sehr günstiger Stoff. Die Wahl ist geglückt – über die Ausführung mag ich nichts sagen, weil man sich leicht in eine fehlerhafte Ansicht verlieren kann. Der vollständige Titel ist:
Heinrich von Afterdingen.
Ein Roman
von
Novalis.
Erster Theil.
Die Erwartung.
Es sollte mir lieb seyn, wenn ihr Roman und Märchen in einer glücklichen Mischung zu bemerken glaubtet, und der erste Theil euch eine noch innigere Mischung im 2ten Theile profezeyhte. Der Roman soll allmälich in Märchen übergehn. Es sind einige Lieder drinn, die ich euch mit einiger Gewisheit schon vorlegen kann. Am Neugierigsten bin ich auf euer Urtheil vom Schlusse des ersten Theils.
Doch ich will aufhören. Die Ernsten erwarte ich in künftiger Woche. Vielleicht kann ich sie begleiten und euch selbst den Roman mitbringen.
Warum hast Du mir denn keine Gedichte geschickt? Ich bin äußerst begierig etwas von Dir zu lesen. Tiek hat mir viel Wunderbares davon geschrieben. Es hat mich lange nach einem Geistesgenuß nicht so verlangt, wie nach Deinen Gedichten. Du würdest Sie mir aus Freundschaft schicken, wenn Du wüßtest, wie kümmerlich ich nur von eignen Fette zehren muß. Außer meinem Bruder, den ich doch selten genug sehe, kann ich mit keinem Menschen von meinen Lieblings Beschäftigungen reden. Da seyd ihr besser dran. Tiek hat mir auch viel Schönes von Wilhelms Arbeiten geschrieben. Seine Gedichte wünsch ich recht bald zu haben – Im Stillen hoff ich Sie erst recht kennen zu lernen und zu genießen. Sein Urtheil über meine Sachen bitt ich mir von ihm ausdrücklich von dem Deinigen separirt aus – Deins ist allemal eigenthümlich – das Seinige historisch und allgemein. Die Schwägerinn hat sich gewiß mit müßigen Anschaun begnügt. Außer einer gemüthlichen Kritik darf man nichts von ihr erwarten.
Tiek ist fleißig gewesen, fleißiger gewiß, wie Du, trotz seiner Krankheit – denn die Lucinde ist wohl noch nicht fertig. Doch hat er mir nicht geschrieben, ob der Sternbald fertig ist.
Auf die Ernsten freu ich mich sehr, und meine Eltern auch. Wie herrlich wär es, wenn ich sie begleiten könnte. Wir wollten einige köstliche Tage verleben. Wie wirds denn diesen Sommer mit eurem Aufenthalte?
Mit mir nimmts hoffentlich bald ein fröliches Ende. Zu Johannis denk ich im Paradiese zu seyn.
Grüße alle Deine Lieben – auch Schelling und schicke mir einige Deiner Gedichte.
Dein
Freund
Hardenberg.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 5. April 1800
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Friedrich von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 84‒85.
Language
  • German

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