Jena den 10ten April 1800.
Sie haben mir nicht geantwortet liebe Levin aber ich will Ihnen doch wieder schreiben, denn Sie sollen mich nicht so, mir nichts, Dir nichts, vergessen. Was habe ich mir nicht schon alles von Ihnen gedacht! Sie reisen, Sie baden, Sie sind nicht gesund genug, oder Sie sind zu gesund! G[raf] Fink ist in Berlin, Sie ärgern sich, Sie sind lustig – manchmahl gar: Sie studiren! Sie heyrathen! – – eins muß es doch seyn, was Sie treiben, und ich zerbreche mir den Kopf zu errathen was Sie beschäftigt? was Sie hin nimmt? O liebe Rahel welch ein liebenswürdiger Frühling! und wie oft muß ich mit Bedauern denken daß Sie ihn in Berlin verwüsten müßen! was weiß man in Berlin vom Frühling? Verstände ich etwas mehr von der descriptive poetry, ich könnte Ihnen Bogen von der hiesigen Schönheit der Gegend, und der Art sie zu genießen anfüllen, aber ich muß mich begnügen Ihnen zuzurufen: Wären Sie doch hier! – Wenn ich lange von Ihnen entfernt war, so wird es mir immer erst recht deutlich daß wir eigentlich zusammen seyn müßten, denn schwerlich werden zwey Frauen, sich beßer zusammen schicken als wir beyde! so fühle ich. habe ich geirrt wenn ich in Ihnen dasselbe ahnde? es kann nicht seyn, denn unmöglich würde ich Sie so lieben können, wenn Sie mich nicht auch liebten. – Ich beschwöre Sie was Sie auch treiben mögen, reißen Sie sich eine Stunde los, und schreiben Sie mir, von sich, was Sie machen, und was Sie zu machen gedenken. – Unser schönes Leben hatt ein böser Dämon gestört! Die Schlegeln ist seit 6 Wochen bettlägerig krank; erst gefährlich, und dann langweilig. Diese Fatalität verhindert alles Gute, so gar meine Arbeit denn ich muß viel bey ihr seyn, und auch mein Zimmer wird nun dadurch nicht genug respektirt. Wie mich dieser lezte Umstand besonders, von dem meine ganze Existenz doch abhängt ängstiget, das werden Sie begreifen; kann ich nicht arbeiten, so darf ich nicht leben wollen! – Ich habe mich seit diesen Morgen wieder in meine alte Lebensart einzusetzen gesucht; die S[chlegel] ist nicht mehr gefährlich, und die Langeweile muß sie tant bien que mal zu ertragen suchen! meine erste Muße wende ich nun an, Ihnen zu schreiben; ich will mich dadurch gleichsam wieder zur Arbeit weihen! – Haben Sie das Athenäum schon? wie gefällt Ihnen die Kritik von Schmidt Mat[t]his[s]on und Voß? und der Wechselgesang, in denen sich diese, Verwandte Geister vereinigen? ist es nicht so gründlich als spaßhaft? so würdig als witzig? Papa Goethe hat sich ganz wie rasend damit gefreut. Schlegel hat es ihm dreymahl de suite vorlesen müßen! Sagen Sie doch auch dem Friedrich etwas hübsches über seine Stanzen an Heliodora, es sind seine ersten Verse. Seitdem hat er mehrere gemacht, die zu ihrer Zeit schon erscheinen werden. Zur Meße kommen Schlegels Gedichte heraus. Sie werden wunderschöne Sachen darin finden besonders unter den späteren, wo sich auch wieder die Sonnette ganz vorzüglich auszeichnen, als eine Form die er zuerst bey den Deutschen zu dieser Vollkommenheit, gebracht hat. Auch das Gedicht in Stanzen: Der Bund der Kirche mit den Künsten ist von erhabener Schönheit, so wie Ihnen die Elegie an seinen verstorbenen Bruder gewiß sehr gefallen wird. Die Gedichte aus der früheren Periode seiner Kunst, finde ich etwas schwach, besonders, die worin von Liebe die Rede ist, diese scheint nun einmal mehr seine Schwäche, als seine Stärke zu seyn. Charlotte Ernst hat dieser Tagen her kommen wollen, und Gott weiß es, wie sehr ich mich freute sie persönlich kennen zu lernen, denn alles was ich von ihr höre, entzückt mich; aber Carolinens Krankheit ist ein Hinderniß, man mußte es ihr abschreiben, denken Sie sich das! Sie wird nun schwerlich her kommen, da die Schlegel so bald sie so weit ist, nach Franken in ein Bad reisen will; kurz es ist so dumm als möglich! nach Dresden muß ich doch noch einmal. – Vor Johanni werde ich wohl nicht zurück kommen, denn ich will erst hier den Pyrmonter trinken, und baden; dann komme ich aber wieder; wo treffe ich Sie? doch wohl nicht wirklich in Berlin? sagen Sie mir ein Wort über Ihre Sommerplane. – Ich habe neulich eine Ankündigung, einer Uebersetzung des neuen Genlisschen Romans von der Madame Bernhard gelesen; erzählen Sie mir doch etwas von diesen Roman, und auch von der Uebersetzung. Leben Sie wohl und meiner eingedenk. – Schlegels empfehlen sich Ihnen, Sie empfehlen mich allen unsern guten Bekannten, Grappengießer und Scholz grüße ich eigentlich und freundlich. Machen Sie doch dem Scholz die Freude, ihn zu sagen daß Goethe den Parny, sehr in Schutz nimmt. Ihnen sage ich aber, daß mich Goethes Lob doch nicht besticht. Sie auch nicht, hoffe ich. Scholz kann es aber immer als eine Autorität, gegen Gentz anführen.
Vergessen Sie Ihre gute Freundin nicht.
DVeit.
Was erzählt Graf Fink von Jetten? Wird Ihre Line nicht ungeduldig bis ich wiederkomme? Trösten Sie sie nur, Schleyermacher soll mit dem ersten einlaufenden Gelde meine Schuld tilgen. Wird sie sich darin finden, wenn es etwa erst bey meiner Zurückkunft geschieht? Daß sie Ihnen nur ja nicht mit Ungeduld oder Mißtrauen zur Last fällt.
Sie haben mir nicht geantwortet liebe Levin aber ich will Ihnen doch wieder schreiben, denn Sie sollen mich nicht so, mir nichts, Dir nichts, vergessen. Was habe ich mir nicht schon alles von Ihnen gedacht! Sie reisen, Sie baden, Sie sind nicht gesund genug, oder Sie sind zu gesund! G[raf] Fink ist in Berlin, Sie ärgern sich, Sie sind lustig – manchmahl gar: Sie studiren! Sie heyrathen! – – eins muß es doch seyn, was Sie treiben, und ich zerbreche mir den Kopf zu errathen was Sie beschäftigt? was Sie hin nimmt? O liebe Rahel welch ein liebenswürdiger Frühling! und wie oft muß ich mit Bedauern denken daß Sie ihn in Berlin verwüsten müßen! was weiß man in Berlin vom Frühling? Verstände ich etwas mehr von der descriptive poetry, ich könnte Ihnen Bogen von der hiesigen Schönheit der Gegend, und der Art sie zu genießen anfüllen, aber ich muß mich begnügen Ihnen zuzurufen: Wären Sie doch hier! – Wenn ich lange von Ihnen entfernt war, so wird es mir immer erst recht deutlich daß wir eigentlich zusammen seyn müßten, denn schwerlich werden zwey Frauen, sich beßer zusammen schicken als wir beyde! so fühle ich. habe ich geirrt wenn ich in Ihnen dasselbe ahnde? es kann nicht seyn, denn unmöglich würde ich Sie so lieben können, wenn Sie mich nicht auch liebten. – Ich beschwöre Sie was Sie auch treiben mögen, reißen Sie sich eine Stunde los, und schreiben Sie mir, von sich, was Sie machen, und was Sie zu machen gedenken. – Unser schönes Leben hatt ein böser Dämon gestört! Die Schlegeln ist seit 6 Wochen bettlägerig krank; erst gefährlich, und dann langweilig. Diese Fatalität verhindert alles Gute, so gar meine Arbeit denn ich muß viel bey ihr seyn, und auch mein Zimmer wird nun dadurch nicht genug respektirt. Wie mich dieser lezte Umstand besonders, von dem meine ganze Existenz doch abhängt ängstiget, das werden Sie begreifen; kann ich nicht arbeiten, so darf ich nicht leben wollen! – Ich habe mich seit diesen Morgen wieder in meine alte Lebensart einzusetzen gesucht; die S[chlegel] ist nicht mehr gefährlich, und die Langeweile muß sie tant bien que mal zu ertragen suchen! meine erste Muße wende ich nun an, Ihnen zu schreiben; ich will mich dadurch gleichsam wieder zur Arbeit weihen! – Haben Sie das Athenäum schon? wie gefällt Ihnen die Kritik von Schmidt Mat[t]his[s]on und Voß? und der Wechselgesang, in denen sich diese, Verwandte Geister vereinigen? ist es nicht so gründlich als spaßhaft? so würdig als witzig? Papa Goethe hat sich ganz wie rasend damit gefreut. Schlegel hat es ihm dreymahl de suite vorlesen müßen! Sagen Sie doch auch dem Friedrich etwas hübsches über seine Stanzen an Heliodora, es sind seine ersten Verse. Seitdem hat er mehrere gemacht, die zu ihrer Zeit schon erscheinen werden. Zur Meße kommen Schlegels Gedichte heraus. Sie werden wunderschöne Sachen darin finden besonders unter den späteren, wo sich auch wieder die Sonnette ganz vorzüglich auszeichnen, als eine Form die er zuerst bey den Deutschen zu dieser Vollkommenheit, gebracht hat. Auch das Gedicht in Stanzen: Der Bund der Kirche mit den Künsten ist von erhabener Schönheit, so wie Ihnen die Elegie an seinen verstorbenen Bruder gewiß sehr gefallen wird. Die Gedichte aus der früheren Periode seiner Kunst, finde ich etwas schwach, besonders, die worin von Liebe die Rede ist, diese scheint nun einmal mehr seine Schwäche, als seine Stärke zu seyn. Charlotte Ernst hat dieser Tagen her kommen wollen, und Gott weiß es, wie sehr ich mich freute sie persönlich kennen zu lernen, denn alles was ich von ihr höre, entzückt mich; aber Carolinens Krankheit ist ein Hinderniß, man mußte es ihr abschreiben, denken Sie sich das! Sie wird nun schwerlich her kommen, da die Schlegel so bald sie so weit ist, nach Franken in ein Bad reisen will; kurz es ist so dumm als möglich! nach Dresden muß ich doch noch einmal. – Vor Johanni werde ich wohl nicht zurück kommen, denn ich will erst hier den Pyrmonter trinken, und baden; dann komme ich aber wieder; wo treffe ich Sie? doch wohl nicht wirklich in Berlin? sagen Sie mir ein Wort über Ihre Sommerplane. – Ich habe neulich eine Ankündigung, einer Uebersetzung des neuen Genlisschen Romans von der Madame Bernhard gelesen; erzählen Sie mir doch etwas von diesen Roman, und auch von der Uebersetzung. Leben Sie wohl und meiner eingedenk. – Schlegels empfehlen sich Ihnen, Sie empfehlen mich allen unsern guten Bekannten, Grappengießer und Scholz grüße ich eigentlich und freundlich. Machen Sie doch dem Scholz die Freude, ihn zu sagen daß Goethe den Parny, sehr in Schutz nimmt. Ihnen sage ich aber, daß mich Goethes Lob doch nicht besticht. Sie auch nicht, hoffe ich. Scholz kann es aber immer als eine Autorität, gegen Gentz anführen.
Vergessen Sie Ihre gute Freundin nicht.
DVeit.
Was erzählt Graf Fink von Jetten? Wird Ihre Line nicht ungeduldig bis ich wiederkomme? Trösten Sie sie nur, Schleyermacher soll mit dem ersten einlaufenden Gelde meine Schuld tilgen. Wird sie sich darin finden, wenn es etwa erst bey meiner Zurückkunft geschieht? Daß sie Ihnen nur ja nicht mit Ungeduld oder Mißtrauen zur Last fällt.