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Dorothea von Schlegel to Carl Friedrich Zelter, Juliane Zelter

Jena den 11ten April 1800
So freundliche, herzerquickende Zuschriften als die Ihrigen müßte man gleich auf der Stelle beantworten, darum war ich immer im Begriff es zu thun; aber man sollte sie nicht ohne eine recht erfreuliche Stimmung beantworten, darum unterließ ich es immer wieder; denn seitdem ich Ihnen das erste mal geschrieben, ist unser schönes Leben, durch einen feindseeligen Dämon sehr zerstört worden. Madame Schlegel ist seit 6 Wochen sehr krank, sie hatte eine böse Nervenkrankheit. Sie können denken wie sehr, uns Lust und Muße und Alles Gute dessen wir uns sonst in unserm häußlichen Creyse erfreuten zertrümmert ward; und so wie denn nie das Uebel ohne Begleitung kömt: es fehlte nicht an Unannehmlichkeiten aller Art. Es neigt sich jezt zur Beßerung mit der Schlegel und mit dem lieben Frühling, der uns so schön jezt heimsucht wird wohl alles wieder gut werden. Welch ein herrlicher Frühling ist hier lieber Zelter! Sie haben wohl schwerlich mehr von ihm, als daß die Baue wieder fortgesezt werden, und Sie sich bald von einer, bald von der andern Seite etwas langsam braten lassen. Ich bedaure Sie. Hier müßten Sie seyn, und die Berge ersteigen, und am Ufer der Saale wandeln[,] hier würden Sie es gewahr werden, daß ein Gott auf Erden wie im Himmel lebt! was wißen die Berliner vom Frühling? – Heute ist Charfreitag! Singen Sie wieder den Tod Jesu? und wo wird er dieses mahl gegeben? Ich wollte Sie dächten auch an mich dabey.
Großen Schönen Dank für das Lied, wir haben es schon brav gesungen, trotz allem Ungemach das wir unterdeß erlitten. Sehr kräftig, und ganz Originell ist die Stelle: „Laß dein Stimmlein usw“[.] Tieck freut sich sehr damit und dankt Ihnen. Sie sollen ihn aber nicht zu viel Ehre anthun, das Lied ist gar nicht von ihm, sondern er hat es blos im Sternbald aufgenommen, aus einen alten deutschen Roman Simplicissimus genannt, es steht Wort für Wort so in jenem Buche, und doch ist es eins der schönsten im Sternbald. Eigentlich haben wir uns alle immer die Melodie, von dem Choral im Tod Jesu dabey gedacht: [„] Wie herrlich ist die neue Welt“ – haben es auch bey Gelegenheit darnach gesungen, es macht sich recht gut dazu. Ist es Ihnen nicht auch dabey eingefallen? Ihre Composition giebt uns aber wieder eine ganz neue Ansicht des Liedes, eine mehr fröhliche, und urkräftige, so wie der Choral mehr feyerlich und Sentimental. – Wenn man aber unverschämten Leuten etwas Gutes erzeigt, so nehmen sie hieraus selbst schon Gelegenheit zu einer neuen Bitte. Da Sie noch immer zögern eine Ausgabe Ihrer sämtlichen Lieder zu geben, so möchte ich Sie demüthigst, in meinen, und in noch andrer vortreflichen Menschen ihren Namen bitten, uns eine Abschrift, von den Lebensmelodieen sowohl, als von dem Zauberlehrling, zukommen zu lassen. Thun Sie es wohl? – Sie bekommen hiebey von A.W.Schlegel ein Exemplar seiner sämmtlichen Gedichte die zur Ostermesse herauskommen, Sie werden sehr schöne Sachen darin finden, aber freylich wenig Componibeles; die besten Sachen darin sind wohl die Sonnette, das große Gedicht in Stanzen, und die Elegieen. Sollte man für diese bestimmte Formen, nemlich die der Stanzen und der Sonnette, nicht auch bestimmte Melodieen erfinden können? Die Hexameter und Pentameter müßen wohl unkomponirt bleiben vor der Hand; zwar Friedrich Schlegel behauptet Sie hätten welche Komponirt, und zwar als Choral; ist diese Nachricht gegründet?
Mit diesen Friedrich bin ich auch noch anderweitig im Streit. Er hat Gedichte im spanischen Silbenmaaß gemacht, und behauptet Sie würden sie Componiren können, weil der Reim so wohl, als die Wahl der Vokale und der R[h]ythmus sehr musikalisch wäre! ich bin aber nicht seiner Meinung. Sie sollen zwischen uns entscheiden, die Gedichte selber werden Sie zu seiner Zeit im zweyten Theil der Lucinde finden. Ich behaupte gegen ihn; eine zu genaue Nachweisung in einzelnen Tönen, und in der Farbe des Ganzen ohne eine klare Bestimmtheit des Innhalts, ist selbst schon Musik, und muß den Componisten stören – Friedrich ist wieder ganz vertieft in der Composition dieses zweyten Theils, wenn er aber fertig seyn kann, das ist ungewis, er kann dieser Arbeit nur seine schönsten Stunden weihen. Er läßt Sie recht schön grüßen, und Sie um Ihr freundliches Andenken bitten.
Abraham le citoyen ist wohl nicht mehr in Berlin? wie hat mich sein Brief gefreut! er sollte mir nur weit öfterer noch schreiben sagen Sie ihm das in meinen Namen, wenn er noch in Berlin ist, oder wenn Sie ihn schreiben. Der dumme Mensch, warum ist er nicht über Jena gereist? wie gern hätte ich ihn gesehen! War vom Alten zwischen Ihnen beyden nicht die Rede dieses mahl? Sie verstehen wohl was ich meine? ich möchte wohl wißen wie er jezt darüber denkt, und wie er sich benahm?
Herrlich ist es von Ihnen daß Sie in Strelitz waren, und der alten Freuden gedachten, und des alten Scherzes. So wie Sie dann überhaupt ein göttlicher Zelter sind; und wer es nicht glauben will, den möchte ich Ihre Briefe zeigen; wer einem so reine Freude machen kann der ist Göttlich! Glauben Sie mir, man bekömt in der Fremde nicht viel so rein erfreuliche Briefe. –
Papa Goethe ist in Weimar, allwo ich noch nicht war, aber hinzureisen gedenke, so bald die Bäume grün sind. Er ist sehr beschäftigt unter andern auch, mit der neuen Ausgabe seiner Gedichte, die nun wohl fertig seyn wird. Die meisten von den neuen Sachen die hinein kommen, so wie viele Abänderungen der alten, habe ich schon gesehen, aber ich bin dennoch sehr begierig auf das Ganze. Haben Sie viel darin Componirt? – Schiller ist auch in Weimar, und ganz wieder hergestellt. Sie haben wohl gehört daß er sehr krank wieder war. Leben Sie wohl mein lieber Zelter und erfreuen Sie mich doch noch manchmahl durch ein paar von Ihren freundlichen Worten.
Ihnen liebe Madame Zelter sage ich den verbindlichsten Dank, für Ihre liebe Zuschrift. Sie herrliche Mutter! wie lebhaft dacht ich mir Sie, wie Sie Ihre Mädchen nähen, und stricken, und ein stilles Leben führen lassen, und wie der George dazwischen tobt, und Sie für Ihren Adolph zittern. Seyn Sie nur ja zufrieden mit den braven Söhnen. Wahr ist es sie umgeben die Mutter nicht so treu wie die Töchter, aber welchen herrlichen Glanz verbreiten brave Söhne nicht um ihre Mutter! können Sie sich wohl ein herrlicheres Loos denken als Buonapartes Mutter zu seyn? Und auch die Töchter sind ja nur alsdann erst recht vollendet, wenn sie brave Männer haben. – Sehen Sie Liebe, die Klage gegen die Söhne müßten Sie nicht gegen eine Mutter von lauter Söhnen führen. –
Denken Sie meiner wenn Sie den 4ten Choral von den Faschschen Chorälen singen, bey deßen zweiten Vers ich mich niemals der Thränen enthalten konnte. So wie auch beym Sacrificium, dem Gloria, Laudamus, dem Gratias[,] dem cor mundum, und bey noch vielen andern Herrlichkeiten von denen meine Seele voll ist, wenn ich an die Akademie denke.
Von Henrietten aus Wien habe ich Brief gehabt, sie schreibt mir: sie hätte doch so lang getrieben bis in Wien auch eine Art von Akademie zu Stande gekommen, bey der sie selbst die Blanc[k] vorstellt, „ich sollte mir also das Ganze denken!“ –
Schreiben Sie mir doch einmahl bey Gelegenheit wie Ihnen Abraham vorkam? ich möchte es so gern einmal von einer Frau hören, daß er so liebenswürdig ist, wie ihn die Männer ausschreien. Zwar Ihnen sollte man nur gar nicht darüber trauen, denn Sie haben doch gewis noch eine geheime Leidenschaft für diesen halbfranzosen.
Ich bitte Sie mich Herrn Fasch zu empfehlen[,] er befindet sich doch wohl? auch Madame Voitus und ihre Töchter, habe ich erst den Pyrmonter Brunnen getrunken, so hoffe ich Alle diese vortreflichen wieder zu sehen.
Leben Sie wohl, und meiner eingedenk.
DVeit-Mendelsohn
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Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 11. April 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Carl Friedrich Zelter · , Juliane Zelter ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 90‒93.
Language
  • German

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