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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Das nicht verlieren, ist die erste Annäherung zum gewinnen, und als solches wollen wir es in Ehren halten und mit Dank annehmen. Sagen Sie mir doch bey Gelegenheit ob sie das neue Loos zur 5ten Classe auch noch vom gewonnenen Gelde bezahlen konnten, oder ob Sie es wieder für mich ausgelegt haben. Auch möchte ich wohl wissen wieviel Jette für die Guirlande ausgelegt hat, ich will nicht ermangeln es Carolinen anzurechnen. Den Himmel sey Dank daß wir die Langen los sind. Wenn es F[riedrich] gelingt daß er den Florentin bey Bohn anbringt, so giebt der wohl gleich etwas Geld her, wo nicht, so muß – ja was muß denn? weis Gott, ich weis nichts. Geschrieben habe ich an die Levin unterdessen, und um möglichen Aufschub gebeten. Wird es uns einmal besser gehen Schleyermacher? ich meyne, noch eh wir auf die Sonne kommen! Mit dem Haus miethen; ja das hat noch Zeit.
Karoline fährt fort krank zu seyn, und zwar hat sie seit länger als 8 Tagen einen Friesel Ausschlag, den die Aerzte als die lezte Crisis angeben, und uns auf dessen Ende vertrösten. Während einige Tage fand ich für gut (nemlich auf F[riedrichs] Zureden) nicht zu ihr hinauf zu gehen, und diesesmahl hatte er Recht. Dies war für mich eine gute Crisis. Es zog eine Erklärung nach sich, die meinen Zustand schon dadurch verbesserte, daß sie es nun wißen was man mir bieten kann, und was nicht? besonders bin ich auch in dieser RuheZeit mit mir selbst bekannter, und mehr ins Reine mit meinem Gefühl der Nichtachtung gekommen für gewiße Personen. Daß mir diese hier würde beschwerlich seyn, hätte ich nicht gedacht eh ich herkam. – Welch ein barockes Gemisch von Atrocität und Zartgefühl, von absichtlicher List, und Gedankenlosen Unverstand! – der Geliebte, ein hochmüthiger trotziger Prahler, den man weis Gott rasend lieben muß, um ihn liebenswürdig zu finden. W[ilhelm] hebt unaufhörlich die Fersen in die Höhe um sich mit Leichtigkeit in den Lebenssattel zu schwingen; ist er aber glücklich hinein so ist er zu schwerfällig wieder heraus zu kommen; au reste il est fort bon garçon. Es sind nur wie Friedrich sagt, drey Teufel in ihm gefahren; nemlich: der Hofmeister, der Professor, und der Ehemann. Nach dem Bade gehe ich freylich nicht mit; wir wären sehr froh wenn sie nur erst sain et sauf in der Erzbischöflichen Nähe residirte! das geht aber nicht so leicht als man denkt, weil sie auf Charlotten warten will, um diese zu allerley zu bereden; W[ilhelm] hilft ihr treulich und unterstüzt ihre Gesuche bey Charlotten, Friedrich arbeitet dagegen aus allen Kräften, von allen Seiten wird gerufen: dazu hast Du nicht das Recht! – Kurz, es ist ein rechter Brey. Wir sind aber doch nun schon so weit gekommen, uns darüber lustig zu machen, es ist weder von Traurigkeit noch von Aerger die Rede, ich arbeite wieder, und weil mein Zimmer entheiligt, und während der Krankheit zu einem common place gemacht ist, worin ich nicht einen Augenblick Ruhe habe, so habe ich mir für weniges Geld ein stilles Zimmer in einer artigen Gegend am Wasser gemietet, dort werde ich einige Stunden des Tages einsam arbeiten. Dieses ist aber ein Geheimniß, es weiß es kein Mensch als Friedrich, und Tiecks. Man soll es auch nicht erfahren.
Wollen Sie der Bernhardi den Puterbraten zeigen, so thun Sie es; aber so, daß sie keine Art von Bosheit oder Geheimniß dabey ahndet, sie muß es wißen, daß es Tieck gelesen hat, und das es nichts als ein geselschaftsScherz ist; er entstand nach der Vorlesung eines Stücks von Shakespear. – Wie konnten Sie, Schleyer! da noch etwas anders hinein legen, als die verschiedenen Kunsturtheile, unsers Zirkels; natürlich mit einiger poetischen Ergänzung. Wollen Sie sie in meinen Namen grüßen und ihr einiges von den hiesigen Bambocciaden mittheilen, so würden Sie mir einen großen Gefallen damit erzeigen; ich versprach es, ihr Nachrichten zu geben, da sie aber weder so, wie sie, noch wie ich, damals glaubte ausgefallen sind, so unterließ ich ihr davon zu schreiben; ich hätte ihr zu viel schreiben müßen dazu hatte ich nicht Zeit. Wollen Sie es ihr aber erzählen, so wird es sie doch amusiren. Einen Titel soll ich geben? dazu bin ich etwas ungeschickt. Warum heißt es nicht ganz einfach: An den Freund, von Sophie. Oder Einsame Betrachtungen, oder Zuschrift an den Unbekannten.
Wie oft gedenke ich jezt Ihrer lieber Freund! einen solchen Frühling kennen die Berliner nicht; für mich ist die Gewisheit daß es wirklich einen Frühling giebt, eine ganz neue Erfahrung. Wenn Sie diese samtnen Wiesen mit Veilchen und Schlüßelblumen besäet, diesen lebhaften schlängelnden Fluß mit den lachendsten Ufern, diese sanfte Berge, und die tausend Wunder sehen und in sich aufnehmen könnten mit allen Sinnen! Es ist ganz himmlisch schön hier! Wird der F[lorentin] gut verkauft, so will ich auch noch recht lustig seyn hier. – Ihre Antwort auf meinen lezten Brief erwarte ich mit großer Sehnsucht, ich möchte gern einmal zur Ruhe kommen mit Friedrich, das muß ich gestehen, aber wie soll mans am Besten anfangen?
Sehen Sie doch meinen Jonas eigentlich, und grüßen Sie ihn von mir, ich will ihn bald schreiben seinen Brief habe ich erhalten. Leben Sie wohl ich grüße Jetten.
Was sagt Herz zu Cohens Taufung?
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 28. April 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 97‒99.
Language
  • German

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