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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Endlich kann ich Dir doch wenigstens Aushängebogen schicken. Ich denke, morgen wird alles ganz fertig und hoffe, sie werden auf Dich die gewünschte Wirkung haben, Dich mit Deinem Werk auszusöhnen. Ich habe den Essay nun mit gutem Bedacht lesen können; er gefällt mir wegen der weisen Sparsamkeit mit der Ironie und wegen der gelinden Continuität der Paradoxie. Ich sehe wohl ein, daß diese in naher Beziehung mit dem Charakter der Form wie Du sie Dir gedacht hast, stehen muß. Doch kann ich mir diesen selbst noch nicht bis zum Begriff bringen. Doch schreibe das nur auf Rechnung meiner Schwerfälligkeit. Hätte ich noch einen Versuch eines Essay von Dir vor Augen, so würde ich schon gar trefflich combiniren und nachconstruiren können. – Ich soll Dir auch über die Form und den Styl der Monologen etwas sagen? – Nun die Form gehört für mich zu denen, die sich selbst durch ihre innre Consequenz hinlänglich constituiren, wenn sie auch in keine äußre sich fügen können und wollen. Die Schönheit des Gesagten und des Sagens würde denen, die Dich nicht schon kennen, unmittelbarer einleuchten, wenn der Ausdruck hie und da schmuckloser und einfältiger wäre. In dieser Rücksicht wäre es wohl gut, wenn Du einmal Gelegenheit fändest, etwas ganz trocken und grade aus schreiben zu müssen; dazu wird ja wohl durch Grammatik, Mathematik Raum werden.
Ueber den Inhalt der Luc[inde] Briefe möchte ich einmal einen Nachmittag mit Dir schwatzen können. In einem Briefe macht sich das schlecht. Doch wenn es nicht anders wird, so soll es doch auch so geschehn. Ich weiß eigent[lich] nicht, warum Du nicht ganz zufrieden damit bist; mir scheint, Du müßtest es ganz seyn. Wie sehr ich es bin, möchte ich Dir am liebsten durch oben erwähntes Gespräch sagen. Denke Dir daß es hier steht. – Soll ich denn Dein Gespräch nicht zu sehn bekommen? – Ich wäre sehr begierig danach, und wünschte Du ließest es drucken, so hat man es gewiß und am bequemsten.
Den Sonetten leihst Du viel zu viel Bedeutung und vielleicht eine ganz falsche. Wenn sie nur einigermaßen sinnreich und nicht unschicklich sind, so ist es gut genug. Die Sphinx schien mir nun ein nothwendiges Ingrediens zu einem Sonett über d[ie] Reden, der Schicklichkeit wegen. Wenn die Monologen noch eine Zeitlang unbekannt gewesen sind, so will ich ein Sonett darauf machen, ohne sie zu nennen, da soll noch weit mehr Sphinx darin seyn. – Herrlich ists, daß Du eifrig an den Plato gehst. Ich fange auch wieder an zu lesen und schreibe Dir nächstens meine Wahl. Schreite also nun zum Philebus und zum Lysis oder Charm[ides]! Ich werde bald nachfolgen. –
Einen Voßischen Kalender konnte ich nicht habhaft werden; ich habe mir also geholfen, wie Du sehn wirst. – 12 Exempl[are] sind auf Velin gedruckt worden, die aber erst in 2–3 Wochen fertig seyn werden.
Du mußt sehr viel Nachsicht mit mir haben, daß ich Dir jetzt oft so dürftig schreibe. Laß es Dir aber keinen Beweis seyn, daß ich eben so dürftig nach dieser Gegend hin denke. Im Gegentheil! Könnten wir nur einmal wieder beysammen seyn. – Der Himmel weiß noch wie es werden wird. Es scheint daß Du es für möglich hältst, daß wir noch einmal auf die alte Weise in B[erlin] wären. Nach dem Briefe der Mutter scheint mir das nun nicht, denn das mit der Megäre ist ja nur so etwas hingesagtes; und ich kann auch sonst nicht ohne Grauen daran denken. Ich befinde mich in keiner kleinen Verwirrung. Wie soll es Philipp werden? Dor[othea] hat nur zu Recht, sich ihm so unentbehrlich zu halten. – Auf der andern Seite komme ich freylich nicht in Ruhe bis alles so ist, wie ich’s nun wünsche. Eigentliche Eil hat es damit in so fern nicht, weil Charlotte uns ohne das in Dr[esden] aufnimmt, und jetzt durchaus nichts dagegen hat, wenn wir noch so bleiben wie wir sind. – Auch mit Doroth[ea] musst Du Geduld haben. Sie ist eben mit dem letzten am ersten Florentin beschäftigt; aber dann schreibt sie gewiß wieder einmal recht gründlich. – Diesen habe ich nun an Bohn angebracht, ich nenne mich als Herausgeber und bekomme 9 Duc[aten] oder 10 r[Reichsthaler] in kleinem Format. Gedruckt wird er aber nicht so bald. – Das Nennen halte ich am schicklichsten, weil es doch zu viele wissen und vermuthen, als daß es geheim bleiben könnte. – Hardenb[erg] hat auch einen Roman gemacht, der bey Unger erscheint, Heinrich von Afterdingen. Eine wunderbare durchaus neue Erscheinung. In Mährchen ist er einzig, und könnte bald auch so vollendet und gewandt und sicher darin seyn wie in Liedern und Gedichten. Das Ganze soll eine Apotheose der Poesie seyn, es sind indessen vor der Hand herrliche Bergmannsträume, das Centrum das Symbol des Goldes, manches mir aber noch durchaus unverständlich, und da alles so zusammenhängt, freylich alles. Ich habe nur noch den ersten Theil im M[anu]skr[i]pt gelesen.
Ueber unsere hiesigen Verhältnisse hast Du sehr wichtige Bemerkungen gegen Dor[othea] geäußert. Schelling nahm sich anfangs recht gut, und drang nur auf Offenheit und Entschiedenheit. Nachher hat sich freylich das Blatt so gewendet, daß eigentlich kein Urtheil über ihn Statt findet, so bloß Werkzeug war er in Car[olines] Hand; ich hätte nicht diesen Grad von Charakterlosigkeit in ihm geahndet. – Schon früher hatte er sich merklich verschlechtert; denn der Uebermuth stand ihm gleich so durchaus schlecht, als die Sehnsucht, in der ich ihn fand, gut; sie hatte seiner rauhen Natur ordentlich etwas Liebenswürdiges abgezwungen. – Du wirst nun leicht sehen wie mein Interesse für Sch[elling] und Dor[otheas] Abneigung gegen ihn mit einander bestehen können. – Solchen dummen Lügen wie das mit dem Stadtarrest wiedersprecht doch aus Leibeskräften. Ich wüßte nicht was Veranlaßung dazu hätte geben können, außer daß Sch[elling] wegen seines Wechsel-Injurienprocesses mit Schütz, da er wegreisen nach Bamberg mit Carol[ine] wollte, 50 r[th] Caution stellen mußte, wegen der Gerichtsunkosten, welches also ganz simpel ist. – Er wird obendrein jenen Proceß aller Wahrscheinlichkeit nach gewinnen, gewiß aber wird Schütz nichts gegen ihn ausrichten. Wilh[elm] hat d[en] Schütz gleichfalls beym akadem[ischen] Gericht wegen Verunglimpfung nach dem neuen Gesetz verklagt; das ist eigent[lich] ein hübscher Spaß. Dich dachte ich sollte die Geschichte von neuem Reiz [sein] über die deutsche Litteratur en masse herzufahren nach dem alten Plan. Indessen wenn von so großen Dingen die Rede ist wie Deiner negativen und positiven Ansicht der Gottheit, so treten alle andren Wünsche zurück! –
Die Notiz über den Engel Philosophen wird herzlich willkommen seyn, und wenngleich W[ilhelm] noch nicht aus Leipz[ig] zurück, erkühne ich mich doch sie in seinem Namen zu acceptiren. – Seit Carol[ine] weg ist, haben wir Ruhe; aber leider kommt sie wieder, und ich möchte sie dann wohl nicht erwarten.
Der Druck wird dir vielleicht nicht ganz gefallen. Er hat mich aber damit daß es die einzigen vacanten Lettern seyn, und sonst jetzt nicht daran gedruckt werden könnte, so lange gezwängt, bis ich mirs gefallen ließ. –
Metadata Concerning Header
  • Date: [Ende Mai 1800]
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 112‒114.
Language
  • German

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