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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Ich bin es gern zufrieden vor der Hand noch nicht nach Berlin zu kommen; von den Klatschereyen dort sollten wir uns nur nicht abhalten lassen. Wahrlich hätte ich nicht andre Beweggründe, davon ließe ich mich nicht abhalten. Was kann man uns noch thun? – wenn mich die Menschen draußen verdrießen so kann ich ja die Ideen, oder die Stanzen an Heliodora, oder die Reden lesen! Sehen Sie Schley[ermacher] ich bin so eben beym Frühstück und habe diese goldnen Worte um mich her liegen, und lese hier und dort, und allerwärts Eure Heiligkeit, eure Uebermenschlichkeit, und mein allerinnerstes ist bewegt, meine Thränen fließen, – ich war oben bey Friedrich und habe ihn geküßt, und nun will ich auch Ihnen aus der Ferne, Hand und Mund reichen – ich fühle mich so über alles hinweg gehoben, wie einen Wurm der sich krümmt bedaure ich die, die euch nicht verstehen wollen, und nun schmähen!
Den 9ten Juny 1800
ich schicke Ihnen diese wilden Zeilen mit, die ich vor einigen Tagen schrieb, damit Sie sehen daß immer noch alles bey mir bunt durcheinander läuft; Friedrich hat mit aller Mühe mich zur Künstlerin zu ordnen noch nicht viel ausgerichtet. Bis zum Reim habe ich es gebracht aber noch nicht bis zum Rythmus.
Unsre Plane gehen, auch eben noch nicht geordneter, durcheinander. Ich getraue mich nicht zu behaupten daß wir nach Berlin kommen; aber auch alles andre ist noch sehr unbestimmt. Ohne meine Gegenwart, wenigstens auf die ersten Monate, kann ich den Philipp noch nicht weggeben, er hat in diesen Tagen erst wieder einen sehr heftigen Fieberanfall gehabt; wie ich diesen behandle, daß müßte die Hülsen erst selbst von mir sehen, ich kann es nicht anderst lehren, und jede andre Behandlung ist falsch. Wäre er ganz gesund so gäbe ich ihn ganz ohne alles Bedenken an Hülsen. Seine Antwort erwarte ich mit großer Ungeduld.
Sagen Sie doch der Herz: Die Sander hart hier brilliante Fortune gemacht, besonders bey Goethe; auch Richter und Woltman haben ihr die Cour gemacht. Dafür hat sie aber auch hier in Gesellschaft brav auf die Berliner Jüdinnen geschimpft. Dies ist aber wie ich gehört habe ziemlich kaltsinnig aufgenommen worden; auf jeden Fall ist es aber sehr malicieuse von der Dame, so viel ich weiß, hatte sie niemals in Berlin beßre Gesellschaft als die Jüdinnen. Wenn die Herz sie sieht, so sollte sie doch sehen daß sie mit ihr auf die alte Unger zu sprechen kömmt und mit gehöriger Verachtung von deren Schimpfen auf die Jüdinnen etwas sagen.
wie kömt denn Jean Paul zu Wegelys? ist den[n] Lotte wieder in Berlin?
  • Schlegel, Dorothea von  Zuneigung  ausdrücken  Schleiermacher, Friedrich
  • Schlegel, Dorothea von  Gesundheit  mitteilen  Veit, Philipp
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  erwarten  Hülsen, August Ludwig
  • Goethe, Johann Wolfgang von  positiv bewerten  Sander, Sophie
  • Jean Paul  positiv bewerten  Sander, Sophie
  • Woltmann, Karl Ludwig von  positiv bewerten  Sander, Sophie
  • Schlegel, Dorothea von  negativ bewerten  Sander, Sophie
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 9. Juni 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 119‒120.
Language
  • German

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