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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena 28 Juli 1800
Es ist lange daß ich Ihnen nicht geschrieben habe und auch Friedrich hatt sich derselben Schuld anzuklagen. Seit der Zeit hat sich aber etwas zugetragen daß Sie gewiß sehr erschrecken wird. Denken Sie sich, die gute Auguste musste zum Sühnopfer so vieler fremden Schuld werden; sie ist nicht mehr! am zwö[l]ften dieses ist sie in dem fatalen Bocklet an der Ruhr gestorben! Schlegel ist heute vor acht tagen auf diese entsetzliche Nachricht gleich nach Bamberg geeilt, wohin Caroline von Bocklet zurückgereißt war, und wir bewohnen jetzt allein das öde Haus, daß noch so voller Leben war wie ich herkam. Die Mutter ist gefasster, und gesunder als es uns möglich schien – O diese Frau! – Sie mag nun wieder herkommen, oder nicht, das ist einerley für uns seyn Sie darüber ganz ruhig; wir fangen an, hier auf eine recht ordentliche, ehrenvoll, erfreuliche Weise festen Fuß zu fassen; Paulusens sind noch in Bocklet, wie sich aber diese vortrefliche liebenswürdige Menschen für uns interressiren ist so aufrichtend und erfreulich wie ich Ihnen nicht beschreiben kann. Auch sind sie von solchen Gewicht bey den hiesigen Leuten, daß ihr Beyspiel von den besten Folgen ist. Hier haben sich schon über 40 Studenten unterschrieben (nemlich von freyen Stücken) um den Friedrich anzuliegen daß er ihnen transcendental Philosophie lesen soll die Subscription nimmt täglich zu, und einige die es wissen können, behaupten er würde über 100 bezahlende haben, wenn die Ungerische Landsmannschaft bleibt. Es ist also nicht allein keine Kabale zu fürchten, sondern es verspricht einen brillianten Succeß. Es ist doch hier etwas mehr mit den Menschen anzufangen als in Berlin, und unsre irrdische Hofnungen fangen an zu erblühen. Nur fehlt es uns immer noch an gegenwärtiges Geld! – Wenn Sie die Rechnung bey Bütow noch nicht bezahlt haben, so bitte ich Sie, es für dieses erste Athenäums Geld nicht zu thun weil wir es noch zu sehr gebrauchen. Es muß für das Honorar der Lucinde geschehen, oder für das gelöste Geld der übrigen Mobilien. Wir sind recht scharmante Leute, wenn wir nur nicht so verzweifelt arm wären!
Grüßen Sie Jetten doch grundherzlich; schreiben kann ich heute aber nicht, ich habe einen Anflug von migraine. Die Theemaschine 5 Thaler? das ist etwas zu gering, sie hat 14 gekostet, wenn sie nicht wenigstens 8 geben will, so bitte ich die Herz sie in ein Kästchen zu packen und sie mir, wenn auch auf die Post herzuschicken. Fröhlich bitten wir Sie recht in die Presse zu nehmen, wegen des Drucks, und wegen des Gelds. Friedrich kann Ihnen nicht schreiben, er hat viel zu thun, zudem hat er so viel Aufträge von und für Wilhelm. Ueberdies ist auch Goethe hier, den er viel besucht, und der überaus liebenswürdig gegen ihn ist. Leben Sie wohl mein Freund, ich bin so trocken, daß ich nichts mehr hinzusetzen mag. Der Florentin ist noch nicht corrigirt gedulden Sie sich bis er gedruckt und gepreßt ist. Adieu adieu.
Dorothea
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 28. Juli 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 146‒147.
Language
  • German

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