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Friedrich von Schlegel, Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Deine Kritik des Fichte hat mich über allen Ausdruck interessirt. Ich werde sie noch oft lesen, man muß darüber nachdenken, und man kann viel daraus lernen. Vielleicht ließe sich auch darüber wieder ein solcher Mono-Dia-Monolog schreiben. In der That, nie hab ich so etwas gesehn noch gehört, von philosophischer Recension nämlich. Ich glaube, Fichte kann nicht böse darüber seyn, wenn er auch im innersten Herzen Deiner Absicht zufolge unzufrieden damit seyn muß. Kann er es so hat er Unrecht es zu können. – Der Engel ist ganz so sprightly zu Ende geführt wie angefangen; Goethe hat das Geistreiche sehr gerühmt, und da kommst Du also in das Prädikat bey den Poeten hinein, womit ich bey den Philosophen angefangen habe.
Was Bernh[ardi] über die vertrauten Briefe gesagt hat ist freylich noch weniger als nichts. Aber wie kannst Du die Anzeige selbst so trocken mit Stillschweigen übergehen, wenn Du nicht etwa um das Geheimniß weißt, oder selbst der Urheber desselben bist? – Ich finde sie für das was eine solche Anzeige seyn kann, durchaus vortrefflich. Dorothea behauptet fest, sie sey von Fichte und rieth gleich auf diesen. Sprechen könnte er wohl so darüber; geschrieben hat er freylich noch nichts so im Conversationsstyl, aber freylich hat er auch noch keine solche Veranlaßung dazu gehabt. Ich rieth anfangs wegen der Gründlichkeit des Verstehens auf Dich, was ich aber nachher doch verwerfen mußte wegen einzelner Ausdrücke, Gedanken und Wendungen. Bist Du es so hast Du Dich besser als noch je verläugnet, welches ja doch immer möglich bleibt, und so tritt wieder der curiose Fall ein, daß man zwischen – Dir und Fichte schwanken muß und ich darf auf den Hülsen nicht mehr so herabsehn. –
Fatal wäre, wenn der erste Theil des Shak[espeare] sich nicht fände. Hast Du auch unter Doroth[eas] Büchern nachgesehn? – Sonst hat ihn vielleicht Grappengießer, oder Bing, oder sonst ein Bekannter noch. Dein letzter sehr gründlicher Brief enthält fast lauter abschlägliche Antwort: indessen muß ich doch in der Hauptsache auf meinem Sinne bleiben; nämlich es nothwendig zu finden, es zu wollen und zu hoffen, daß Du zu uns kommst. Dann können wir alles bereden und ausgleichen. Ueber vieles kann ich durchaus gar nicht schreiben, z.B. Augustens Tod.
Ich halte mich nur an das Nächste der Geschäfte und selbst damit hat es schriftlich Noth. Ich wünsche bald zu vernehmen, daß Du Platonisiren kannst, dann komme ich mit einer ganzen Ladung; aber nöthig ist es freylich dazu daß auch Du viel lesen kannst. Mit meinem Platonisiren ist es sehr Ernst gewesen; einige von den großen Massen ausgenommen habe ich alles gelesen, oft mehrmals, einzig in Rücksicht auf Aechtheit und die Ordnung, und um alles kurz zu sagen, ich glaube diese gefunden zu haben, und ich halte sie zum Verständniß so wesentlich, daß ich Dich wenigstens bitten muß Dich offen zu erhalten, und in dieser Rücksicht den Philebus noch nicht fest zu decretiren. Nach meiner Hypothese dürfte er freylich nicht so ganz aus seinem Zusammenhänge gerissen werden. – Zum Phaedrus hättest du wohl eigentl[ich] mehr Beruf als ich? Oder fühlst du einen solchen auch zum Parmenides oder Protagoras, die ich mir gewählt hatte? –
Ueber Heindorfs Gründe gegen den Theages bin ich neugierig; mehr aber auch nicht. Denn ich bin seiner Aechtheit ziemlich gewiß. Zwar Dein Grund dagegen würde mich erschüttern, wenn ich nicht eine Ansicht desselben gefunden hätte, bloß durch Zusammenstellung mit andern Dialogen, wodurch er von selbst weg fällt. Die Ironie darin ist in der That etwas versteckt, hat man sie aber einmal gefunden, so ist sie auch noch klarer als luce clarius. – Daß die Ερασται [Erastai] unächt sind, ist mir durchaus entschieden wie auch Hipparchus, Minos, Alcibiades II, alle Briefe. – Meinen sehr starken Zweifel gegen die Νομοι [Nomoi] habe ich wegen der großen Masse die zu lesen ist, noch nicht abschließen können. Wie denkt Heind[orf] der auch einmal daran zweifelte, jetzt darüber? –
Sobald Du das Signal giebst, schicke ich mein Schema aller Dialogen.
Lebe wohl Dein
Friedr Schl.
Von Wilh[elm] haben wir Nachricht, daß er gesund ist, arbeitet und etwa im Sept[ember] zurück kommt.
– – –
[Dorothea Veit:]
Die Freundin grüßt Sie herzlich, und bittet Sie sich unter diese wenige Silben alles zu denken, was sie heute nicht schreibt weil sie durchaus nicht aufgelegt ist.
Dorothea
Bernhardi hat damit wohl zu verstehen geben wollen, daß er glaubt: Jette hätte die weiblichen Briefe zum Theil geschrieben[.] Hat das ein Tadel seyn sollen, so ist er auf der falschen Bahn, so hat er es eben damit bewiesen wie weiblich sie sind.
Wenn Sie die Bernhardi sehen, so grüßen Sie sie freundlichst von mir. ich lasse ihr sagen Goethe hat ihre Lebensansicht gesehen, und sich sehr dafür interressirt, Friedrich hat sie genannt, und er hat sich recht gefreut. Wird Bruder Tieck wieder bald nach Deutschland zurückkommen? Wilhelm läßt darnach fragen, er will sich gern mit ihm wegen eines Monuments für Augusten besprechen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 1. August 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel · , Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 148‒150.
Language
  • German

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