Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Friedrich Schleiermacher to Friedrich von Schlegel

B. d 2t. Aug 1800
Du wirst mir hoffentlich zugeben, lieber Freund, daß es unendlich lange her ist daß ich keine Nachrichten von Euch habe.
Das Zettelchen von Dorothea, was der Fuhrmann mir gebracht hat ist das lezte gewesen und lautet vom 10t. Juli. Wenn nicht Krankheiten und anderes Malheur an sich selbst etwas unwahrscheinliches wäre so würde mir bange sein. Nächstdem bekomme ich auch noch immer den Florentin nicht und das ist lauter Elend. – Was macht Ihr denn?
Das Athenäum ist nun nicht nur so weit als die Aushängebogen zeigen sondern ich habe eben die Correktur von Titel, Inhalt und Drukfehlerverzeichniß gehabt, so daß es nun gewiß bald in die Welt geht und hoffentlich nicht weniger Skandal machen wird als jedes andere. Vor ein Paar Tagen war ich bei Fichte; es kam die Rede aufs Athenäum; ich hatte die Unverständlichkeit, die ich der Herz vorgelesen in der Tasche und ließ sie ihn auch lesen. Du kannst denken daß er sein großes Ergözen daran hatte. Bei der ersten Erwähnung des Tendenzenfragments meinte er: er hätte gleich gar wol verstanden daß ihm und Goethe durch das Fragment kein großes Compliment hatte gemacht werden sollen, und hätte sich immer des Todes gewundert daß die Leute so wenig begriffen was eine Tendenz wäre. Er war wie etwas gespannt wie die Sache hier ablaufen würde, aber der Schulterklimax und die Enkel brachten ihn in den vollkommensten guten Humor[.]
Da ich ihm die Notiz von der Bestimmung doch nicht geben konnte, habe ich auch noch nicht mit ihm davon geredet, die Vorklagen haben etwas gar zu klägliches an sich. Er scheint übrigens jezt sehr fleißig zu arbeiten, hoffentlich doch an der neuen Darstellung der Wissenschaftslehre.
Ich arbeite sehr fleißig am Kalender, und der Gedanke an die Reise nach Jena hilft mir gewaltig; aber da werden in einigen Wochen die Dohna’s kommen, das wird mir wieder Zeit kosten, und die schlechte Jahreszeit kommt gewiß heran ehe der schöne Vorsaz ausgeführt wird[.] – Die Kritik der Moral geht mir gewaltig im Kopf herum, nur darf ich nicht viel drauf hören, wenn ich aber nach Ostern dran komme will ich sie gewiß ohne großen Anstoß oder Aufenthalt schreiben können.
Was macht denn die zweite Lucinde, lieber Freund ehe die fertig ist glaube ich doch nicht recht an den Platon. Ich weiß nicht ob ich Dir schon geschrieben habe daß Brinkmann in Eutin gar viel mit Jakobi gewesen ist, daß er ganz entzükt von ihm ist, und mir auch noch viel über ihn schreiben will. Ich habe ihn gebeten Jakobi doch aufzufordern, daß er sein Innerstes einmal auf eine direkte Art ohne Polemik zu Tage geben möchte.
Sage mir doch warum Bohn meine Briefe nirgends hat ankündigen laßen? Da sie im Meßkatalogus auch nicht stehn, so kann ja ihre Existenz gar nicht recht bekannt werden, und das sollte mir doch leid thun, nachdem ich sie einmal geschrieben habe. Hat einer von Euch gelesen, was Nikolai wieder in der Berliner Monatschrift geschimpft hat? – Ihr habt mir meine Frage wie ich Hardenbergs Hymnen signieren sollte nicht beantwortet, und ich habe daher aus eigner Machtvollkommenheit Novalis gesetzt[.]
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 2. August 1800
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Friedrich von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 150‒151.
Language
  • German

Weitere Infos ·