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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 22ten August 1800
Die Oekonomika will ich diesesmal zu letzt lassen damit sie mir nicht gleich zuerst die Fantasie verderben. Zu aller erst will ich Ihnen meine innige Freude bezeigen daß es mit Ihrem Herkommen nun so gut als ausgemacht ist. Schade bleibt es immer daß Sie nicht eine schönere Jahreszeit wählen können, um auch Ihr Herz einmal an der Natur zu laben; aber wir wollen dennoch schöne Tage leben; Gott gebe nur daß nichts dazwischen kömmt, was den herrlichen Plan wieder rückgängig macht. – Wir haben indessen einige Tage aufs Land gelebt, eine Meile von hier, in eine der reizendsten lieblichsten Gegend um Jena, ich war zwölf Tage draußen Friedrich aber nur sechs. Wir waren herzlich vergnügt, und auf den herrlichen Spaziergängen haben wir immer treulich Ihrer gedacht. Ritter (dessen Bekanntschaft ich seit kurzen genauer gemacht habe) hat mit uns draußen gelebt. Es ist ein herrlicher Mensch, einer von den seltnen Erscheinungen auf dieser Erde. Seyn Sie so gut und gebrauchen Sie ihre bekannte unausbleibliche Opposition nur so gleich, ehe sie ihn sehen: denn alsdann dürfen Sie wahrhaftig keine Zeit damit verderben, Sie müßen ihn ja doch am Ende lieb gewinnen! Er ist einer Ihrer größten Liebhaber und Leser; die Monologen waren von großer Wirkung auf sein Gemüth, und mit den Reden geht eine neue Zeit Rechnung bey ihm an. Die Briefe (ohne daß er den Verfasser kannte) liebt er sehr, kurz er ist durchdrungen von Ihnen, und liebt Sie wahrhaft; ich habe es ihm gesagt daß Sie kommen und er läßt Ihnen durch mich seine Freude bezeigen Sie persönlich kennen zu lernen. O wie will ich mich ausgelassen freuen, wenn ich in meinem Zimmer die ganze Kirche versammelt sehen werde; Hardenberg rechne ich mit, der soll auch kommen; ich habe jetzt mehr Zutraun zu ihm als Anfangs wo ich mit Car[olinens] Hülfe alles schief ansahe und die Schuld war daß mich wieder alles schief ansah. Sie, Friedrich, Ritter, und Hardenberg! Wenn ich mich nicht gewöhnen werde jede Mahlzeit als ein Liebesmahl zu betrachten, so werde ich nimmermehr den Muth haben, mit euch an einen Tisch, und aus einer Schüßel zu eßen. – Paulus sind wieder hier von Bocklet, ich habe ihn von Ihnen unbekannter Weise gegrüßt, und er dankt und freut sich auf Ihre Bekanntschafft. Es ist ein sehr würdiger Mann; um auch liebenswürdig zu seyn fehlt ihn nichts als wenigstens eine Art von Sinn für andre Poesie als die Orientalische; er ist so verständig, gelassen, freundlich und so still thätig, daß man sich recht glücklich fühlt ihn zum weltlichen Freunde zu haben. Seine Frau habe ich sehr lieb. Sie ist die erste Frau in deren Umgang ich mich wieder der ersten jugendlichen Freundschaft mit Jetten erinnern darf. Es ist dieselbe Art von gänzlichem Zutrauen zwischen uns; auch ist zwischen uns, wie damals mehr ein Ergänzen, als Aehnlichkeit. Ihre Gesundheit ist sehr wankend, das macht sie oft traurig und aengstlich, und mich mit, sonst wären wir beyde ein paar lustige Vögel. Sie hat gar artige Nachrichten von Bocklet mitgebracht; Car[oline] und Schelling haben sich dermassen dort lächerlich und verhasst gemacht daß es ein Spektakel ist – Was Sie über Augustens Tod meynten ist freylich das Rechte wenn die Mutter aber grade über diesen Trost nicht verzweifelt, so hat sie viel contenance. Ich meinestheils war hierüber der Meynung die Sie von der Fichten der Bernh[ardi] und Jetten schreiben. Alles was weiblich in einem ist muß sich empören bey dieser ruchlosen Verderbtheit. An der Ruhr ist sie wohl nicht eigentlich gestorben, an dieser stirbt man nicht mehr, sagte Hufeland; aber diese Krankheit traf sich grade in einer sehr kritischen Epoche für junge Mädchen an deren Eintritt Auguste schon seit einem Jahre litt, bey der eine so zarte Natur wie die ihrige war, so wohl geistig als körperlich mit der größten Schonung behandelt werden muß; die heftigen Erschütterungen die das Kind leiden mußte, haben ihren Zustand schon seit lange gefährlich gemacht; es war von je her unvernünftig sie so früh als Erwachsene zu behandeln; sie mußte freylich bey der Interessanten Frühreife auch zu früh zu Grunde gehen. Die Brownsche Kunst hat sich bey diesen Fall nichts vorzuwerfen, sie hatten gar keinen Arzt bey ihr als einen ganz unbekanten Menschen aus der Gegend bey Bocklet, der nichts weniger als Brownisch war; zum Ueberfluß hat auch Schelling hinein gepfuscht, um Aerzte nach Bamberg schickte man erst als sie schon bis zum Gürtel hinauf kalt war; Röschlaub kam und fand sie schon todt. Dieser behauptet nun freylich daß ihre Krankheit gleich Anfangs tödtlich gewesen sey; um desto unverzeihlicher ist aber die Sicherheit mit der man nicht einmal gleich anfangs nach Aerzte schickte, kurz – – Und nun die Ostentation der Trauer! – Schweigen wir von nun an ganz still über all das Volk; ich schreibe Ihnen nichts mehr darüber denn ich bin zu sehr indignirt.
Ist es nicht erbaulich übrigens wie die Fichte bey den Männern alles auf den Probierstein der Großmuth streicht? So wie sie mit der Großmuth, so ich mit der Liebe! –
Dafür sey Gott gedankt daß Sie sich endlich nicht mehr von Herz einen Maulkorb anlegen lassen es war sündlich daß Sie es bisher litten. Es muß nichts in der Welt geben, um das man sich den Despotismus gefallen läßt. Man kann nicht von den Leuten verlangen: sie sollten verständig seyn aber warum jene das Gegentheil von andern sollen verlangen können dürfen, ist doch auch nicht abzusehen. Mir gefällt nun Ihre Engelsche Notiz ganz über die Maßen sehr, es ist ein ewiges Wetterleuchten von Witz. Friedrich betet eben so die Notiz der Bestimmung an; wahrhaftig! Sie sollten doch einmal Herz unter der Hand fragen, ob er verlangt daß Sie pour l’amour de ses beaux yeux mit dem Engel mehr Umstände machen sollten als Sie sie sich selbst mit Fichten erlaubt haben. Friedrich hat einen Brief von Fichten gehabt; Uebel scheint er Nichts genommen zu haben aber so viel ich von dem verstehe was er darüber schreibt, scheint er sich zu wundern, daß man nicht jedes Ding in der Welt für abgethan und fertig hält, so bald er etwas darüber gesagt hat; so als ob seine Meynung der Schlußstein wäre nach dem sich nichts mehr hinzufügen läßt.
Nehmen Sie meine Bewunderung und meine Anbetung wegen der Recension im Archiv! So vortreflich haben Sie sich meinem Gefühl nach, noch nirgend ausgesprochen wo die Rede nicht von Ihnen selbst war. So klar, so kräftig und nachläßig habe ich nichts noch von Ihnen gelesen, diese Ruhe der Ansicht habe ich auch sonst nirgend von Ihnen gefunden; zugleicher Zeit haben Sie sich auch in Absicht des Stils kunstreich doch nicht künstlich verborgen.
So daß ich wohl Ihre Gesinnungen darin vermuthete aber Ihre Art sich auszudrücken durchaus nicht darin finden konnte, wie wir es schon vermut[h]eten daß es von Ihnen seyn könnte. Am zweyten Theil wird gedichtet das weiß ich, wenn aber auch daran gedruckt werden können das wißen die Götter! Ich bin jetzt still und ergeben, denn darüber hat kein Mensch Gewalt. Wollte Gott es würde hier gedruckt, der Printers devil ist die einzige Macht auf Erden die etwas darüber vermag. So müßen Sie sich eben auch mit dem Florentin gedulden bis Sie Aushängebogen bekommen, es kann alles nicht helfen. Er muß zur Hälfte noch Corrigirt werden, dazu kann wieder niemand helfen als des Printers Devil. Soll ich aber die Wahrheit sagen, so wünschte ich es brauchte kein Mensch diesen Florentin zu lesen denn für mein Gefühl ist es, und bleibt es Unrecht daß dieses Natur Gewächs (mit andern Worten dieses Unkraut) unter den Auspic[i]en eines Künstlers erscheinen soll, auf dessen Unpartheylichkeit man sich verlassen muß können! Es ist, und bleibt eine schamlose Finanzoperation; ich wünschte nur man könnte dieß auf eine schickliche Weise irgend wo öffentlich sagen. – Ich schreibe jetzt eine Novelle: Friedrich hat den Anfang gesehen und ist zufrieden damit, wenn ich kapabel bin sie dem Anfang entsprechend durchzuführen, so wird sie sich eine brilliante Stelle erwerben; ich sage aber noch nicht, wo, auch nicht, was, oder wie, bis sie da ist.
Es soll sich doch wohl kein delikater Großmüthiger Streit wegen den Stuhl zwischen uns erheben? was meynen Sie? – Ich hoffe, Sie haben Ihre trotzige Drohung nicht wahr gemacht, und ihn eingepackt? Behalten Sie ihn ja, ich beschwöre Sie, und wollen Sie ihn absolut nicht geschenkt haben, (welches mir aber mehr Vergnügen machen würde als Bezahlung) so bezahlen Sie ihn. Mir hat er ohne Ueberzug 10 r[th] gekostet; laßen Sie einen oder etliche Trödler kommen, und geben Sie mir denn den Preis des Meistbietenden, damit Punktum. Sie brauchen kein Geld zu geben, sondern es von unsrer großen Schuld abrechnen. Die Rechnung von Bütow folgt hiebey zurück. Allerdings ist die Hälfte davon für die Bernhardi. Die Summe bey denen ich Kreuze gemacht habe ist Unser. Dieses kann zum Theil mit dem Gelde bezahlt werden was noch aus meinen übrigen Mobilien gelöst wird, was noch etwa fehlen möchte muß aus dem ersten Lucinden Honorar ergänzt werden. Doch denke ich, daß wenn der große Sopha der bey Fichten steht verkauft wird, so muß nebst den übrigen Dingen eine hinlängliche Summa herauskommen, ich hatte eigentlich noch auf einen kleinen Ueberschuß gerechnet; aber freylich dies sind lauter Rechnungen senza Wirth; Sie werden ja sehen wie wir am besten fertig werden. Wollen Sie nun noch den Auftrag übernehmen, der Bernhardi die Rechnung vorzulegen, nebst der Bitte, daß Sie auf irgend eine Weise ihren Antheil daran mit Bütow in Richtigkeit bringen möchte. Sie werden mir wohl schreiben, wie viel wir ihr für Spiegel und Tische vom Honorar abzurechnen haben. Es ist etwas unartig von ihr daß sie nicht versprochnermaßen zu Ostern ihre Rechnung bey Bütow berichtigt hat; sie muß es aber jetzt thun, ich bin nicht im Stande für sie zu bezahlen, wenn sie mir auch noch so sicher ist. Ich bitte Sie, ihr dies wo möglich, in Ihrer gewohnten gebildeten allegorischen Weise vorzustellen.
Für die Theemaschine ist ja wohl auch ein L[ouis]d’or eingekommen?
Die Sachen mit dem Fuhrmann sind alle richtig und wohl conditionirt angekommen.
Ueber folgende Dinge bitte ich mir von Jetten Nachricht aus, sie wird gewiß alles wissen. Nemlich: in der Kommode unter dem bureau hat ein leinener Regenschirm mit Fischbeinenen Stangen gelegen, mit B V darauf, diesen habe ich nicht bey den Sachen gefunden.
Was ist aus meinen Tassen, Bier[-] und Weingläsern, Kafeebretter, und schwarzem Theezeuge geworden? sind sie verkauft? sie waren bey der Bernhardi. Dieselbe muß auch noch zwey braune hölzerne Leuchter, und ein kleines schwarzes lakirtes Schreibezeug von mir haben, wenn es nicht etwa im bureau ist stehen geblieben. Das Schreibezeug möchte ich wohl her haben bey Gelegenheit das könnten Sie mir mitbringen lieber S[chleiermacher].
Schreiben Sie mir das Schicksal der oben benannten Dinge.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 22. August 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 161‒164.
Language
  • German

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