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Friedrich von Schlegel to Sophie Mereau

Ich bin sehr ängstlich gewesen, Dir zu schreiben und bin es auch noch; weil Du meinen ersten Brief so wunderbar aufgenommen hast. Ich begreife es gar nicht. – Du schreibst von süßen Thorheiten, die Du mir sagen könntest, von den Gedanken und Erinnerungen an mich. Die mußt Du wohl alle vergessen haben, da Du meinen kindischen Muthwillen – der Dir vielmehr der beste Beweis glücklicher und zärtlicher Erinnerung seyn sollte – so arg misverstehen konnte[st], als behandle ich Dich nicht mit der Achtung, die Du erwarten kannst.
Liebe Du solltest doch wissen wie ich von Dir denke; wie oft habe ich Dir im Ernst und im Scherz gesagt wie ich Deine Umgebung Dein äußres Leben eigentlich wünschte, und so weißt Du auch was ich von Deinem Innern denke; und weißt auch daß das Gefühl Deiner Liebenswürdigkeit sich nicht ändern kann, weil es so gar nicht leidenschaftlich ist so ganz bloß aus dem Gegenstande quillt, der nicht etwa als eine liebliche Täuschung irgend einem mir eignen dunkeln Bedürfniß entgegenkommen muß.
Eben darum sollte meine Neigung zu Dir einigen Werth für Dich haben, weil sie Dir die Deinige auf das reinste bestätigt. Freylich kann ich Dir wenig seyn, das wissen wir; um so schmerzlicher ist mirs wenn ich sehe daß ich Dir weh thue. O das sollte nicht seyn!
Und wenn ich ganz bestimmte Meynungen habe, was Du thun müßtest, d. h. was Du thun würdest, wenn Du nur in Dir selbst und vor Dir selbst dürftest, und wenn ich für diese Meynungen Reden halte, so bilde ich mir gar nicht ein, damit etwas besondres zu Deiner Hülfe und Rettung zu thun; sondern ich thue es eben weil ichs nicht lassen kann, und so solltest Du es freylich wenigstens – nicht übel nehmen.
Denn das war es doch wohl oder wenn es noch etwas andres war was Dir meinen Brief so verhaßt machte so begreife ich es vollends nicht! Das sind nun viele Worte, und besser wäre es ich könnte Dich sprechen und so den bösen Geist, der in Dir gegen mich wirken will, bannen. – Aber daran war nicht zu denken. Was so lange aufgehoben war, mußte doch endlich geschehn und ich bin überhäuft mit Arbeit.
Schreib mir wenn Du mich noch lieb hast sogleich wieder und freundlicher wie letzthin. Ich küsse Dich herzlich. –
Das vorigemal hast Du gesehn, wie ich schreibe, wenn ich freundlich und muthwillig an jemand denke; heute siehst Du, wie ich schreibe wenn man mich ängstlich gemacht hat; – damit nicht etwa auch dieser Brief so misdeutet wird.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 15. September 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Sophie Mereau
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Rudolstadt · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 182‒183.
Language
  • German

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