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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

den 31ten 8ctober [!] 1800
Mit klopfendem Herzen und erröthenden Angesichts, als müßte ich sie Ihnen selbst in die Hände geben, schicke ich Ihnen die Aushänge Bogen; die übrigen sollen folgen, so wie ich sie erhalte. Sie behalten sie geheim lieber Freund, wenigstens fürs erste, an die Herz und wenn Sie es gut finden, Ihrer Freundin mögen Sie das Geheimniß anvertrauen. Wenn ich meiner eignen Ueberzeugung trauen dürfte, so würde ich Sie ersuchen mir lieber nicht Ihr Urtheil darüber zu schreiben; denn nun hilfts nichts, es muß fertig gemacht werden und an Muth darf es mir nicht fehlen; aber Friedrich behauptet noch immer es wäre recht amüsant, trotz dem daß es mir je länger je mehr, kindisch vorkömt. – Die beyden Sonnette sind von Friedrich, sie werden vorgedruckt. Er hat sie mir heute vor acht Tagen an meinem Geburtstage gemacht. Das zweyte ist sogar mit allen Flammen Farben, und Blumen Wort für Wort aufgeführt worden. Nemlich des Morgens gab er mir die Sonnette; auf den Abend waren wir bey Paulus, da ward ich denn in ein Zimmer geführt, wo mir zuerst grüne, rothe und weiße Flammen entgegen brannten, die Ritter Chemisch veranstaltet hatte. Diese Farben haben mehr als einen Sinn; für uns bedeuten sie, Glaube, Liebe und Hoffnung; in der ersten Person wird Ritter gemeint, als die weiße Flamme, die zweite rothe, ist Friedrich, und ich habe der Hoffnung Grün. Bey diesem Feuer brachten mir Philipp, und die kleine Paulus, beyde phantastisch aufgeputzt, ein Gehänge von Orangeblüthen, und einen Kranz von Mirthe und Lorbeer, mit den Kindern nahte sich die Paulus und bekränzte mich damit, neben ihr stand Friedrich und brachte mir reife Pommeranzen, und Rosen in einer Schaale und (hier erkennen Sie den ganzen Friedrich,) mitten in diesem Tumult von Leben, Feuer, Blüthen und Früchte, während Ritter auf dem Clavier die Arie aus Erwin und Elmire spielte: „mit vollen Athemzügen, saug ich Natur aus Dir“ und die Paulus es sang; brachte er mir einen verwelkten Veilchen Kranz, den ihn Auguste einmal geschickt hatte, mit einem höchst rührenden Gedicht dazu. Die Fete war überaus schön, und ich war als diese Dinge, wie bekannte Erscheinungen so nach und nach heraustraten, wie in einem Traum, in dem man träumt daß man träumt. Erst wie das ganze beysammen war, besann ich mich, daß es das Sonnett sey. –
Friedrich schreibt Ihnen noch nicht, er ist auf seine bekannte Weise, mit einen Gegenstand immer so einzig beschäftigt, daß es ihn nicht möglich ist, etwas anders vorzunehmen. Jetzt ist er nun wieder ganz bey den Vorlesungen. Wird er aber schwer über die Dinge, oder die Dinge schwer über ihn – es ist nicht zu entscheiden, aber gewiß ist es, daß das Leben ihn sauer wird! Gott helfe ihn und gebe ihn Ruhe! – Wie die Vorlesungen ausfallen werden, das hängt nun vom Beyfall ab, und dieser hängt ja wieder von den Vorlesungen ab, aber hier ist es wo die Ruhe ihn verläßt. Wie viele bezahlende Zuhörer er haben wird ist noch nicht ausgemacht; und zu manchen Ausgaben haben ihn seine sanguinische Hoffnungen verleitet denen man nur fruchtlos widerspricht; ja sogar die schädlichsten Folgen hat es auf seine Stimmung und seinen Arbeiten wenn man es wagt diesem zu widersprechen. Sie kennen ja das an ihn. – Von Bohn habe ich 40 Stück Friedrichsdor erhalten. Meine Absicht war, Sie und die Lewin damit zu bezahlen, und wie freute ich mich schon es thun zu können; es muß aber dennoch nun unterbleiben!
Wilhelm ist noch nicht hier, kömt aber recht bald. Cotta hat geschrieben, und scheint zurück zu ziehen, Wilhelm ist ganz beruhigt darüber daß die Annalen den Weg vieler Projekte gehen; Friedrich wünscht nichts mehr als das; Ritter ist über und über froh darüber; und Sie mein Freund? welche Hast haben Sie denn mit diesen Annalen? haben Sie nichts bessers zu thun? Denken Sie doch an Ihren Roman, am Plato – lassen Sie Friedrich am Plato[,] an die griechische Poesie, und an die Lucinde denken, Wilhelm am Shakespear und am Tristan, – seht das sind andre Dinge; mir war recht bange zu Muth bey diesen Kritischen Anstalten. Laßt ja die Kritik zu hause, es ist ein schlechtes Handwerk und ist in schlechten Händen; und ihr sollt euch nicht damit die Finger mehr beschmuzen, denn Ihr lernt nichts zu von euren Kritisiren und die andern danken schön.
Ritter, der aus meinen geistigen Sohn, mein geistiger Mann geworden, und dem es ganz recht wäre, eins von beyden wenigstens leiblich zu seyn grüßt Sie herzlich. am 21ten November ist Ihr Geburtstag, da möchten wir gerne mit Ihnen frühstücken. adieu, Gott gesegne Ihnen die Charité. wir wohnen recht hübsch und erwarten Sie.
Dorothea.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 31. Oktober 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 195‒197.
Language
  • German

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