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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Ich muß dir auch einmal Vorwürfe machen. Erstlich über den Plato; das sind nur leere Ausreden. Du wolltest Dir ja die Ordnung Phaedrus Parmenides, Protagoras wenigstens provisorisch als Unordnung gefallen lassen und so war das nächste, gleich an die Uebersetzung zu gehn, wenn noch zu Ostern etwas daraus werden soll. Wahrhaftig ich glaube dasmal werde ich eher mit d[em] Parm[enides] fertig wie Du mit Deinem Pensum. – Ueber die Art der Uebersetzung etc können wir wohl vor der Arbeit selbst nicht viel abreden; das beste müssen die Randglossen thun und das Mündliche wenn die Hoffnung dazu nicht schwindet.
Daran soll es wahrhaftig nicht liegen, daß ich Dir meine Theorie über die Ordnung der Platonischen Werke nicht mittheilte; ich will sie also gleich in eine Tabelle zusammenarbeiten die Du hoffentlich nächsten Posttag erhältst. Aber wo willst Du bey diesem Strudel von litterarischen Geschäften Zeit hernehmen den Plato ganz zu lesen nach dieser Ordnung und um sie zu prüfen? Ja wenn ich es noch wäre. Ich lasse wenigstens alles andre stehn und liegen wenn es darauf ankommt was Gutes zu lesen! –
Das zweyte und wichtigere ist eben Dein Nichtkommenwollen. Thu was Du kannst, Du glaubst nicht wie sehr ich es wünsche wie sehr ich mich danach sehne und wie sehr es mir Bedürfniß ist. – Lasse es den Polarstern aller praktischen Einrichtungen seyn. –
Die Luc[inde] mache ich diesen Winter fertig d.h. den 2ten Theil, oder ich sterbe. Uebrigens werden die Götter helfen.
Mit dem öffentlichen Lesen ist es so so. Die Ironie muß freylich die Grundlage bleiben; denn vor der Hand weiß ich bey dem besten Bestreben doch nur das gewiß daß ich selbst dabey lerne.
An Rittern wirst Du große Freude haben, und an unserm gemeinschaftl[ichen] Leben, zu dem beyde Paulus auch noch gehören, und das noch thut ihnen eigentlich schon Unrecht, weil sie es so redlich mit uns meynen als mans nur meynen kann.
Goethe ist einmal wieder da und da werde ich denn abwechselnd und Ritter hingebeten; ich mache mich aber gerne etwas selten bey ihm. Was ich von ihm haben kann das ist geschehen, und er wird mich nie vernehmen; davor kann ich auch sicher genug seyn. Von Seiten der Physik ist ihm noch am tiefsten beyzukommen und somit hats Ritter am besten. Indessen hat auch da die Tiefe ihre bestimmte Dicke Breite und Länge. – A propos habe ich Dir schon mein Distichon auf d[en] alten Herrn geschickt?
Herrlich ja herrlich nimmt er sich aus und besonders bey Fackeln
Täuschend im Glanze erscheint lebend der marmorne Gott.
Das Ex[emplar] des Flor[entin] ist nur provisorisch für Dich und die Herz, (aber für niemand sonst, weil er erst in einigen Monaten versandt wird und ich desfalls d[em] Verleger versprochen habe, bis dahin mit meinen Ex[emplaren] sehr zurückzuhalten) die ich sehr grüße. Ihr bekommt natürlich Velin, die aber wohl erst in 3 Wochen zu haben sind. Sehr freut michs daß Du den Falk so leicht genommen hast. Daß er Dir einerley seyn mußte verstand sich von selbst, aber ich dachte er könnte Dir von Amtswegen eine unangenehme Empfindung machen, und ich kann sagen ich schämte mich, weil ich mir dachte, daß Du doch mittelbar durch Deine Verbindung mit mir das Schicksal theilst, mit solchem litterarischen Koth besprüht zu werden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 17. November 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 198‒199.
Language
  • German

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