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Dorothea von Schlegel, Friedrich von Schlegel to Clemens Brentano

Ich könnte mich drum hassen daß ich Ihren freundlichen Brief noch so sehr unbeantwortet gelassen habe; um desto mehr da ich so überzeugt bin Sie werden mich dennoch nicht hassen, und denken sich gewiß alle ersinnliche Ursachen, nur nicht die, daß ich es ganz unverantwortlich immer ohne alle Ursache von einen Tag auf den andern verschob! – Haben Sie aber sonst noch Schulden irgendwo einzufordem, so tragen Sie es ja niemand anders auf als Winkelmann, er führt ihre Sache so gut, daß ich mich vor ihn fürchte wenn ich ihn sehe, und der Brief an Ihnen ist noch nicht geschrieben. – Doch daß ich mir auch nicht Unrecht thue: so ganz ohne Ursache ist es doch nicht daß ich nicht schrieb. Sehen Sie, ich konnte Ihnen nicht schreiben! Mir geht es so sehr gut – und Ihnen nicht – und Trost hatte ich nicht für Sie; daß Sie sich mit meinem Wohlergehen trösten sollten, konnte ich nicht prätendiren; wir haben eigentlich wenige Ansichten mit einander gemein; Sie sehen das Leben im Profil, und ich, en face –
Warum aber haben Sie sich an mein Nichtantworten gehalten, und mir nicht lieber wieder geschrieben, mit derselben Freundlichkeit die ich an Ihnen gewohnt bin, wenn Sie gutmüthig wieder kamen mich zu besuchen wenn Sie mich vorher auch nicht zu Hause gefunden hatten? –
Friedrich ließt Philosophie, und wenn er von seinen Vorlesungen zurückkömt so trinken wir von Ihren Thee und freuen uns damit, Ihre Freunde Ritter, und Winkelman sind nicht selten dabey, und auch Sie sind oft zugegen.
Wir sind übrigens sehr, sehr vergnügt, unsre Wohnung die wir seit den October bewohnen hat eine freundliche weite Aussicht auf den Graben; wenn ich die Augen des Morgens aufschlage so sehe ich den Himmel mit den schönsten Farben sich mahlen, was will ich mehr haben, wenn ich das Glück dazu rechne daß ich keine lange Treppe mehr zu steigen brauche wenn ich zum Friedrich laufen will daß er mir Federn schneide, welches ich so gleich thun werde, denn diese schreibt ganz meschant. –
Es ist recht lange schon her lieber B[rentano] seitdem wir des Morgens nicht mehr in der Allee gehen, und Sie mir zwischen einem Glase Pyrmonter und dem andern, allerliebste Geschichten erzählen! Seitdem ist viel vorgegangen; die Blätter sind meist alle abgefallen, mein dicker Liebhaber hat einen blauen Rock an statt des gewohnten Rhabarberfarbnen in dem er uns zuerst erschien; und ich bin auf dem besten Wege von der Welt eine der gescheutesten Personen eben dieser Welt zu werden; wirklich werde ich alle Tage liebenswürdiger und klüger; es ist der Mühe werth daß Sie einmal wieder herkommen, um es selbst zu bewundern.
Gries, über den Sie mir ganz unendlich witzige Dinge geschrieben, die wieder zu vielen Witz Anlaß geben, der ganz taube Gries, ist hier aber noch von mir nicht gesehen; er ist, versichert die ganze Welt, transcendental ennuiant, vor seinen Stanzen hat man übrigens große Hochachtung; und so ist es wieder einmal wahr daß einige sich bey der Hochachtung ennuiren, andre aber den ennui hochachten. –
Madame M[ereau] war wie Sie gewiß schon wissen ein paar Monate in Schwarzburg. Seit einigen Wochen ist sie wieder hier, und wie man sagt, wird sie wirklich geschieden. Das ist wirklich alles was ich Ihnen von ihr erzählen kann. Wie viel nun bestimmt an dieser Sage ist, das kann ich Ihnen auch nicht sagen, denn um etwas bestimmtes darüber zu wissen, müßte sie selber bestimmter seyn, als wahrscheinlich der Fall ist. Ich war einmal dieser Tage mit ihr und der Demoiselle Schubart in einen Garten, wo ich ihnen, und Ritter und Winkelman, den Kafee gab; dies ist das einzige Mal daß ich sie seit Ihrer Abreise gesehen habe; sie war recht liebenswürdig, und sah ganz wohl und dick aus; Schwarzburg schien ihr gut bekommen zu seyn. Wir waren recht vergnügt zusammen; auf den Abend erinnerte ich mich aber erstlich, daß Demoiselle S[chubart] mich so haßt und nun doch bon grè, mal grè sehr freundlich gegen mich war, das hat mich recht belustigt daß ich da den Nachmittag so von meinen Feinden umringt war ohne dran zu denken! Denn Sie erinnern sich ja wie auch Ritter mich haßte vorigen Sommer. Jetzt liebt er mich aber dafür desto mehr, er wird es Ihnen selber schreiben.
Leben Sie wohl, fahren Sie fort Madame M[ereau] zu lieben, sie ist liebenswürdig, und verdient es, und erleben Sie ja recht viel hübsche Geschichtchen, die Sie uns dann erzählen können; Sie wissen wir verstehen uns darauf; und vor allen Dingen sorgen Sie dafür einmal wieder her zu kommen. Philipp empfiehlt sich Ihrem Andenken.
D.V.
Sie haben vergessen mir zu schreiben wie viel ich Ihnen für den Thee zu entrichten habe, ich bitte Sie es mir zu melden.
[Friedrich Schlegel:]
Ich muß Sie doch wenigstens aus rechtem Herzensgrunde begrüßen. Daß ich nur das thue, setzen Sie auf Rechnung des Idealismus und der Vorlesung.
Sophien habe ich von Ihnen gesprochen so oft ich sie sah. In der Stadt hat es seit ihrer Rückkunft allgemein geheißen, sie trenne sich von M[ereau]; so allgemein daß das Gespräch wohl nicht ohne Veranlassung gewesen seyn kann; aber ich glaube nichts in dieser Art was nicht geschehen ist.
H[errn] von Mayer empfehlen Sie mich und entschuldigen Sie mich daß ich ihm nicht schreibe; es würde mich auch beynah in Verlegenheit setzen, so schmeichelhaft ist sein Brief an mich. Aber wenn er ja einmal hieher kommt soll er mir ja seine persönliche Bekantschaft gönnen, und führen mich die Sterne dorthin, verspreche ich mir eine freundl[iche] Aufnahme. Gott grüße Sie. Friedr Schlegel
Metadata Concerning Header
  • Date: Mitte/Ende November 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel · , Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Clemens Brentano ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Frankfurt am Main · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 203‒205.
Language
  • German

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