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Friedrich Schleiermacher to Dorothea von Schlegel

Berlin d 6t Dec. 1800
Schelten dürfen Sie nicht liebe Freundin daß ich Ihnen noch nicht wieder geschrieben habe. Da war erst der Florentin zu lesen, und das konnte da Jette und ich ihn zusammen lesen wollten nur an einem ruhigen Abend geschehen wo Herz abwesend war. Ihnen etwas darüber zu sagen dazu bin ich noch gar nicht competent, das verspare ich bis ich ihn einmal wieder allein und mit Bedacht gelesen habe werde, wozu ich noch nicht wieder habe kommen können. Jezt kann ich Ihnen nur sagen daß er ein sehr niedliches Buch ist, daß Vieles darin mir sehr vorzüglich angelegt und ausgeführt geschienen hat, daß die Sprache etwas eigenthümliches hat, was ich noch nicht zu charakterisiren weiß, aber was einen sehr angenehmen Eindruk macht, und daß ich mich besonders darüber gefreut habe, daß die psychologischen Leser bei der Erzählung des Florentin wo sie vollkommne Aufschlüße über das Entstehen seines Charakters suchen werden so hübsch geprellt werden[.] Nur die Stanzen! diese sind meiner Meinung nach ein großer Fehler. Bedenken Sie nur wie unwahrscheinlich daß ein Mahler solche Stanzen improvisirt! beinahe eben so unwahrscheinlich als daß eine Frau die nur eben zuerst einen Roman schreibt nebenbei solche Stanzen macht. Bewundert haben wir Sie überhaupt was ehrliches Jette und ich; auch gezankt wurde dabei denn wir waren über manche Dinge sehr verschiedener Meinung, doch das sind nur einzelne Dinge, die ich sparen muß bis ich ihn noch einmal gelesen habe. Machen Sie nur daß das Velin bald komt. Jette ist ohnedies höchst ungeduldig den Florentin bald in Jedermanns Händen zu wißen, theils aus bekannter Menschenliebe theils damit er durch seine persönliche Gegenwart die nachtheiligen Gerüchte wiederlegen möge die ihm vorangegangen sind.
Dann wollte ich Ihnen gern etwas erfreuliches über Ihre Commissionen sagen, aber da hat mir das Warten wenig geholfen. An der einen verzweifelte ich gleich. Was nennen Sie eine hebräische Merkwürdigkeit? Ein seltenes Buch? Das getraue ich mir hier gar nicht aufzutreiben. So etwas findet man nur von Ohngefähr, nie wenn man es sucht, auch möchte da wol Alles was hier zu finden ist bei Paulus zu spät kommen. Zu den Teltower Rüben hatte ich aber die beste Zuversicht und bin nicht wenig verwundert gewesen gar nicht zu reussiren. Alle meine weiblichen Bekannten sagen mir daß ich um 6 Wochen zu spät käme, daß man jezt aus der ersten Hand gar keine und auch aus der zweiten d. h. vom Kaufmann nur noch schlechte und die sehr theuer bekommen würde, und daß überdies beim Verschiken besonders mit einem Fuhrmann Gefahr wäre weil sie nicht den geringsten Frost vertragen könnten. Indeß will ich Morgen noch einen Versuch bei einer andern machen die erst v[on] einer Reise zurükgekom[en] ist ob die mehr Muth und beßre Quellen hat, und fürs Verpaken dann möglichste Sorge tragen. Ich wäre in Verzweiflung wenn ich der kleinen Paulus, die ich mir auf Ihrem Sofa hingestrekt recht pikant vorstelle gar nicht sollte dienen können. Daß Sie mir noch dazu sagen sie habe von mir geträumt ist eine offenbare Bosheit von Ihnen[.]
Endlich habe ich noch gewartet daß Friedrich mir wie verheißen die Platonica mit nächstem Posttag schiken würde, und dies bekenne ich Ihnen als eine große Thorheit, denn wo ist wol daran zu denken, daß er in solchen Sachen einmal seinen bestimmten Termin hält.
Nun habe ich Ihnen zwar gesagt warum ich Ihnen noch nicht geschrieben habe; aber kann ich Ihnen denn nun heute schreiben? Bei Gott nicht: ich muß machen daß diese Entschuldigung so wie sie da ist zur Post kommt[.]
Jette grüßt; sobald ich das M[anu]scr[ipt] meiner Predigten los bin schreibe ich Ihnen ordentlich. Treiben Sie nur indeß den Friedrich zum Plato, und was die Hauptsache ist Kinder, seid recht glüklich
Schleiermacher
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 6. Dezember 1800
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Dorothea von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 208‒209.
Language
  • German

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