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Friedrich von Schlegel, Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 8ten Dec 1800
Da hast Du nun den ganzen Complexus von Hypothesen! Was wirst Du armer Freund damit machen, d.h. wo willst Du Zeit finden, den Plato ganz zu lesen, wenn auch nur einmal? So bald Du das thust, bin ich Deiner Beystimmung so wie der jedes anderen der den Plato wirklich verstehen will so ziemlich gewiß; denn darin wird er sich doch durch meine Διασκευη [Diaskeue] merklich gefördert finden, und so wenn er auch die Theorie, die etwas fein gesponnen ist, nicht gelten lassen mag, doch was ich behaupte als praktisches Postulat in seiner Glaubensgültigkeit lassen. –
Wir haben uns gewundert nichts von Dir zu hören, da wir doch wenigstens Andeutungen unsres Daseyns Dir gegeben haben. Eigentlich noch mehr Dich nicht zu sehn. Denn weil Du so lange nicht schriebst, glaubten wir Du würdest unvermuthet einmal zur Thüre herein treten. Noch ist nun freylich wie Du selbst am besten weißt niemand zur Thür herein getreten. Indessen glaubten wir es doch wenigstens so lange wir vergassen daß bald Weihnachten sey, und in welchem Verhältniß der geistliche Mensch und also auch Du zu dieser Nacht steht.
An dem guten Beyspiel löblicher Thätigkeit das ich Dir heute gebe erbaue Dich, lieber Freund und mache, fange an zu machen und mache fertig den Phaedrus. Uebrigens schließe nur daraus daß ich auch die Anzeige der Luc[inde]Briefe schon gemacht habe; gesetzt ich machte sie auch erst heute. – Was die Monologen betrifft, so hätte ich grade eine gute Gelegenheit, da mich grade die Erlanger eingeladen haben; indessen will ich eher ein solches Buch unendlichemal lesen als einmal recensiren. – Es liegt mir diese Form des Lebens, diese eigenthümliche Handlungsweise unendlich fern ab vor allen andern[.]
Weißt Du wie wirs gar nicht nöthig gehabt hätten? – Wenn Du wieder Gelegenheit haben solltest etwas zu schreiben wozu Du Dich nicht nennen willst, so laß michs herausgeben. Vortreflich ist die Wirkung die dies gewiß hat: nämlich daß alles schlechte Gesindel sogleich in die Wuth geräth die man ihm gegen alles Gute zur heiligsten Pflicht machen sollte; und wenn der Verleger auch nicht gleich aus aller Verlegenheit kommt, so kann doch ein Buch nicht so ganz aus d[em] Handel bleiben, oder nicht in Verkehr kommen. – Wenn Spener noch wollte einen neuen Titel zu d[en] Monologen drucken lassen – 150 Exempl[are] wollte ich ihm wohl auf meinen Namen garantiren. Ich machte dann wie Du es haben wolltest, eine prosaische Vorrede oder ein Gedicht in Terzinen oder [eine] Elegie an den Verfasser oder an die wenigen für die das Buch eigentlich existirt. Unsäglich würde ich mich freuen, daß dieß Buch durch mich von neuem in die Welt einträte, und helfen würde es mehr als drey Recensionen, wenn es Dir wirklich Ernst ist mit dem Zweck der zwecklosen Mittheilung; und mit d[em], Spener zu helfen.
Ich fühle es wohl, daß dieses Anerbieten etwas anmaaßend ist; da sich diese Anmaaßung aber nur auf die litterarische Welt bezieht, mit der Du nur gelegentlich des Versuchs wegen Experimente anstellst und von der es mir auch leicht genug wird zu abstrahiren, so ist diese Anmaaßung wenigstens nicht zwischen uns; und was die litterarische Welt betrifft, so glaube ich dergl[eichen] Vorzug dadurch zu verdienen, daß das Gesindel mich immer als Centralpunkt alles dessen anzusehen pflegt, was es verabscheut und haßt.
Was die Hauptsache bleibt ist daß Du kommst. Wie soll ich Dir noch die Nothwendigkeit ans Herz legen, daß ich Dich wiedersehn muß? – Wann eher wirst Du Dich bestimmen? –
Das Platonische Wesen nimm Dir nur recht zu Gemüthe. Noch nie war ich so zufrieden mit mir, so gewiß und in der Ansicht vollendet und fertig, bey allen Experimenten im Lesen und Verstehen als bey diesem.
Dorothea und Ritter grüßen. Cura ut valeas.
Friedrich
Schreib mir doch wie und was Fichte liest.
Wilh[elm] ist immer noch in Braunschw[eig].
Wenn Du Bernhardi immer sehen solltest, so mach ihm Vorwürfe, daß er mir den 3ten Theil der Bambocc[iaden] und sein Sprachwerk nicht geschickt habe.
[Dorothea Veit:]
Ich grüße Sie unsern theuern Freund! Sie müßen auch wissen, daß ich wieder streng arbeiten werde, und deßwegen alles Briefeschreiben mir vor der Hand versagen muß; denn ich arme muß eine wunderliche Diät bey meinen, wie soll ich’s nennen? halten. Denken Sie an mich und an meine Weihnachtsaufträge und treten Sie nur bald urplötzlich zu uns herein.
Dorothea
[Friedrich Schlegel: Grundsätze zum Werk Platos]
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 8. Dezember 1800
  • Sender: Friedrich von Schlegel · , Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 209‒211.
Language
  • German

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