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Dorothea von Schlegel to Clemens Brentano

Jena 27ten Februar
Stellen Sie sich vor guter Brentano ich muß Ihnen schreiben! erstlich weil in Ihrem letzten Briefe viel hübsche Sachen stehen mit denen ich mich sehr freue: Ihre gelinde sänftliche Stimmung, die Beschreibung der Gegend in der Sie leben, Ihr Wunsch uns dort zu sehen, Ihr Aergerniß an Ihre eigne Witzeley (dieses ehrliche Ae[r]gerniß erinnerte mich auf eine sehr lustige Weise an Niethammer, dem ich gar zu gern nachsehe wenn er aus seinem Hause heraus geht, er kömt immer gewaltig herausgestürzt läuft was er kann, und ohne sich umzusehen; dann erinnert er sich plötzlich, stützt sich auf sich selbst zurück, und marschirt ganz würdig weiter. Dieses Schauspiel genieße ich jetzt täglich einigemal, wir wohnen ihm gegenüber.[)] Dann hat mir auch das, was Heinse über die Luzinde gesagt hat, so wohl gefallen, daß ich nothwendig Ihnen ein Zeichen dieses Wohlgefallens geben muß. Es ist sehr gut; es erfrischt einem ordentlich, wenn man unter der Menge von einfältigem Muß der über diese Luzinde zum Ruhm so wohl als zur Lästerung vorgebracht wird, einmal ein Wort hört, das nach Ingwer und Vanille riecht!
Dann ist es auch gut, und löblich daß Sie den Lessing lesen, und daß Sie ihn lieben ist sehr glücklich. Im Herkules Musagetes, den Friedrich Ihnen wahrscheinlich mitschickt, werden Sie finden was ich damit meine; nemlich in den Versen wo die Rede davon ist, wen man lieben müßte.
Auch daß, das Geschäft Ihnen gelungen ist, darüber will ich Ihnen meine Freude bezeigen. Sie haben etwas Gutes zu Stande gebracht. Da nun alles was ich Ihnen zu schreiben, und geschrieben habe, nichts als Fröhlichkeit, Zufriedenheit, und Freude bezeichnet, so kann Ihnen mein Brief nicht anders als angenehm seyn, so leer er auch von andern Innhalt ist. Ich habe auch darum rosa papier erwählt, damit Sie gleich an der Farbe erkennen mögen, welch Geistes Kind er ist. In den Lebensläufen nach aufsteigender Linie, (die Sie auch einmal lesen müßen, wenn Sie es noch nicht gethan haben) da ist ein sehr würdiger Mann der gewissenhaft immer die Farbe seines Kleides das er anzieht nach den Begebenheiten, Gelegenheiten und Stimmungen wählt die er so eben erlebt. Das ist eine recht gute Einrichtung, warum sollen wir denn nur die Trauer äußerlich bezeichnen? sind es andre Empfindungen weniger werth? wie, oder mehr?
Es geht uns recht gut so unter uns, fremde Leute sehen wir aber gar nicht, und hören nur wenig von ihnen; was wir aber so erfahren, das belustigt uns ganz unerhört. So wird jetzt, wie uns gesagt wird, in ganz Jena behauptet, den Florentin hätte ich, ich gemacht! und weil man nun so davon überzeugt ist, so schimpft man eben darum ganz unbarmherzig darauf; einige Leute die nach der Anzeige glaubten er müsse von Friedrich selbst seyn, lobten ihn schon vorher die jetzt ihr Lob zurücknehmen, andre hatten schon vorher darauf geschimpft, die nun nicht wissen was sie dazu für ein Gesicht machen sollen. Kurz es ist ein Spaß! am aller überzeugtesten daß er von mir sey, ist unser Freund Winkelmann, es geht so weit mit ihm daß er ein ordentliches Mitleiden mit mir hat; nichts desto weniger aber soll er doch ein wichtiges Mitglied einer Partey seyn, die sich laut gegen diesen Florentin erkläret. er soll nehmlich aus dem Meister, dem Sternbald, und dem Woldemar! zusammen gestohlen seyn sagt jene Partey. Den letzten in jedem gebildeten Buche zu finden, ist nun einmal Winkelmann seine Schwäche, hat er ihn doch auch in der Luzinde gefunden. Alle Romane die ihm nach etwas aussehen kommen ihm wie Woldemar, und alle Menschen die er leiden mag wie sein Onkel Leisewitz vor. Es ist doch ein ehrliches, treues Gemüth! – – Ich kann nun von diesen Aehnlichkeiten die der Florentin haben soll keine finden, außer das Bestreben nach einen gebildeten Styl. Eben so gut könnte man viel vom Abc darin finden. Friedrich giebt ihn unter seinen Namen heraus wem wir ihn aber eigentlich zu verdanken haben, weis ich wahrhaftig auch nicht. Dem sey wie ihm wolle, es ist ein recht freundliches, erfreuliches ergötzliches Buch, das mit aller Macht dem Weinerlichen entgegen strebt, in dem die Farben manchmahl etwas kindlich zu grell aufgetragen sind, aber sich eben darum, perspektivisch wie eine Dekoration recht lustig aus nimmt, und das allerliebste Geschichtchen recht gebildet vorträgt. Was will man mehr mich hat es sehr amüsirt, ich habe es zwey mal gelesen, und erwarte mit Ungeduld die Fortsetzung. Schreiben Sie mir auch etwas darüber.
Ihr Sänger nimmt sich sehr gut aus, er ist auch die Vanille in dieser liebenswürdigen milchkalten Schaale. Da kein Namen darunter steht, so hat S[ophie] M[ereau] von vielen Seiten her Komplimente grade über diesen Sänger erhalten. Diese gelinde Mortifikation habe ich ihr dann Ihrentwegen nicht misgönnt. Adieu. Schreiben Sie mir auch auf Rosa Papier, Sie wissen was das bedeutet.
Von meinen Söhnen Ritter und Philipp würde ich Sie grüßen lassen, sie sind aber gegenwärtig auf Reisen, nach Weimar und Gotha, ich thue es aber in ihren Namen.
Dorothea.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 27. Februar 1801
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Clemens Brentano ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Marburg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 238‒240.
Language
  • German

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