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Friedrich Schleiermacher to Friedrich von Schlegel

Berlin d 14t. März 1.
Hier hast Du nun endlich lieber Freund quod Di bene vertant den Phaidros, nebst den Anmerkungen. Daß nicht der größte Theil vorigen Posttag abgegangen ist – denn das Ende und die Anmerkungen waren noch nicht fertig – ist nur durch einen Zufall geschehen mit deßen Erzählung ich uns nicht aufhalten will. Lies nun, und laß mich bald etwas von Deiner Meinung hören. Die Crayonstriche die Du finden wirst, so dik sie auch sind bedeuten gar nichts; wo Du aber auf das Zeichen Ǝ kömst da glaube ich daß noch nicht Alles so ist wie es sein soll. Wahrscheinlich wirst Du dieses noch bei vielen Stellen finden, die kein Zeichen haben, und da gebrauche Dich nun Deiner ganzen Vollmacht. Bist Du über den Charakter der Uebersezung im Ganzen in meinen Grundsäzen so ändere wo es Dir nöthig scheint im Ausdruk ohne erst zu fragen. Sollte Dir aber eine andere Idee vorschweben, so wäre es wol zum Besten des gemeinschaftlichen heil[igen] Werkes nöthig daß wir uns ohne Rüksicht auf diese oder eine andere Messe erst hierüber verständigten. Und sage mir dann Deine Meinung. Eben so muß ich Dich bitten wo Du mich in Verdacht hast den Sinn verfehlt zu haben mir Deine Vorschläge zuvor mitzutheilen, denn ich glaube überall reiflich nachgedacht zu haben und daß mir nicht leicht ein möglicher anderer Sinn entgangen sein wird. Citire aber wenn Du mir über einzelne Stellen schreibst nach der Bipont[ina] weil ich die Seitenzahl von meinem M[anu]scr[ipt] in meiner Abschrift nicht bemerkt habe.
Ich habe wo die Anmerkungen hingehören im Text noch keine Zahlen gemacht damit Du nach Belieben von dem Deinigen einschalten und auslassen kannst sondern nur ein Zeichen. Wo Du eine Anmerkung findest der kein Zeichen im Text entspricht, und die neben der Seitenzahl der Bipontina einen Asterikus hat, die ist bloß zu Deiner Notiz beigeschrieben. Findest Du übigens die Anmerkungen ganz anders als Du sie Dir gedacht hast, so denke daran daß Du mir nichts von Allem was Du mir schreiben wolltest geschrieben hast oder tröste Dich auch damit daß Du vielleicht in der Einleitung oder vielmehr dem Excursus manches finden wirst, was Du in den Anmerkungen vergeblich suchst.
Beim Excursus bin ich schon und nebenbei auch beim Protagoras so daß was mich betrift nichts was Menschen möglich ist fehlen soll.
Heindorf ist seit einigen Wochen so kränklich daß nichts ernsthaftes mit ihm geredet werden kann. Meine mehresten Abweichungen von ihm sind ihm daher unbekannt so auch die Art wie ich seiner erwähne. Nur diesen Augenblik fällt mir ein, ob es nicht beßer wäre die Quellen seiner Aenderungen zu verschweigen um ihm auch das nicht zu nehmen. Mögen die Leute so lange glauben bis sie sehen, und manches für Conjektur nehmen was durch Autoritäten wol begründet ist. Was ich über Lesart oder Interpretation ausführlich abgehandelt habe, ist Alles Abweichung von ihm, und indirekte Polemik.
Und nun erlaube mir auch zu fragen, wie es mit dem Parmenides geht oder steht?
Der Protagoras ist bis auf eine einzige fatale Stelle eigentlich sehr leicht, und da ich nun schon, was die Zeit sparendste Einrichtung der Arbeit betrift, durch den ersten Versuch viel klüger geworden bin so hoffe ich soll es bei weitem schneller gehn, ohnerachtet mir hier ein Paar Arbeiten bevorstehn die ich beim Phaidros nicht nöthig hatte, nemlich den Timaeus überall zur Hand zu haben, und den Cornar zu vergleichen. Die Kleukersche Uebersezung habe ich nicht gelesen, und werde sie auch nicht lesen, es ist gewiß nichts aus ihr zu nehmen.
Ueber Alles Andere schreibe ich Dir nächstens einmal ausführlich besonders auch über den Herkules den ich noch recht studiren will[.] Mit Wilhelm geht es mir bis jezt nur noch sehr mittelmäßig indeß hoffe ich ihn von künftiger Woche an beßer zu sehn. Diesen Augenblik erhalte ich einen Zettel von ihm worin er mir meine Depesche abfordert[.] Vorher hat mich eine ausführliche Recension der Monologen der ich kindischerweise nicht widerstehen konnte als ich sie in die Hände bekam unterbrochen. Ich schließe also und bitte Dich das für keinen Brief anzusehn. Nächsten Posttag schreibe ich Dir und Dorothea aber die Einleitung bekommst Du erst in Acht Tagen[.]
Kennst Du den Philostratus de vitis Sophistorum und verlohnt sichs des historischen wegen daß man ihn liest?
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 14. März 1801
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Friedrich von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 245‒246.
Language
  • German

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