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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Den 16ten April.
Auch Sie müßen mein langes Nichtschreiben verzeihen lieber Schleyerm[acher] es geht uns jetzt so wunderlich daß alle alle Freunde und Bekannte abwesend sind, so daß wir mit dem Schreiben kaum herum kommen. Wir leben jetzt so einsam hier wie die Robinsone; der Ritter ist verreist, die Paulus ist verreist; das waren die Einzigen mit denen wir hier so eigentlich lebten, die Flugvisiten sind nicht zu rechnen.
Sie haben mir ja recht viel Ergötzliches geschrieben über meinen guten Sancho Florentin. Der arme Mann muß sich doch auch wieder viel gefallen lassen, von dem ihm nichts träumte so lange er noch als Idee mir im Leibe herumspukte, habe ich ihn wirklich und wahrhaftig, gebähren, und in die wirkliche Wirklichkeit bringen müßen, damit er von Merkel gelobt, von Brentano condemnirt wird, und die Reichsstadt Hamburg ihn als Bürger anerkennt? Viel Schlimm! – Von dem letzten Gerücht hatten wir auch schon vernommen, wem mögen wir wohl diese solide Auslegung verdanken? – Der zweyte Theil sollte zur Messe fertig seyn, und ist es leider nicht – für meine Poesie war dieser Winter nicht eben glücklich, und seit einigen Wochen ist meine Gesundheit leider sehr schlecht.
Die andre Woche muß ich nun nach Leipzig; was wird mir diese Reise nun wohl ans Licht bringen? Nach der Messe denk ich Ihnen durch Wilhelm das Geld zur Bezahlung unserer Rechnung bey B[ütow] übermachen zu können. Wäre es nicht möglich lieber S[chleiermacher] daß Sie mir durch Leipziger Gelegenheit meine Theemaschine schickten. Auch muß ich ja noch ein Wegdwood Theezeug, und weiße Tassen, ein großes Theebrett, und schöne Gläser haben, hat die Bernhardi diese Stücke behalten? so haben wir ja noch Forderungen an ihr, sind sie, und werden sie aber nicht verkauft, so wünscht ich wohl diese würdige Personen auch wiederzusehen. Könnten Sie sie mir doch auch einmal bey Gelegenheit schicken!
Ueber den Plato, und aller Litteratur hören wir aber nichts vom eigentlichen Schleyermacher wie mag es diesem gehen?
Karoline wird täglich erwartet; wir sehen sehr unbefangen zu wie sie es anfangen wird? ihre etwannige Höflichkeit soll mit ähnlicher bezahlt werden, und so überhaupt! Man mag es nun für paradox halten oder nicht, ich für mein Theil halte Carolinen für sehr bornirt, und seh hierin den Grund aller Curiosa. W[ilhelm]s Blindheit in dieser Rücksicht bleibt mir unbegreiflich, denn sie hat auch nicht einmal einen Funken von Objektiven Sinn für ihn. Es ist Alles, Ja Alles! Ostentation und Oberflächlichkeit an ihr.
Sie sehen Lieber Freund wie sehr ich Gottlob über diese Person mit mir fertig bin, also mögen Sie nur außer Sorge meintwegen sein. Diese thut mir nichts mehr! und für Friedrich sind wir auch nicht bange, auch bey ihm hat sie die Herrschaft verloren; da sie uns nur kränken konnte, wenn sie uns interressirt so ist dieses nicht mehr zu befürchten.
Die Geschichte mit Dalton und der Meyer ist mir wahrhaftig ein Räthsel, seitdem ich nun weiß, daß er immer noch Finanzen sucht um sie zu reguliren. Warum glauben Sie daß mein Brief an Jette so polemisch war? es ist mir wirklich so zu Muthe gewesen, als ich schrieb. Gegen D[alton] freylich, war und bin ich noch sehr polemisch, und ich habe des in meiner Antwort an ihn kein Hehl gehabt. Uebrigens aber glaube ich in der That nicht daß es Recht wäre, hier rathen zu wollen. Sie wird es, da es zu diesen Punkt gekommen für ihr größtes Unglück halten müßen, zu denken daß sie niemals die seinige werden darf. Bey eine[r] Frau die so lange kalt und zurückhaltend war ist dergleichen kein Scherz, obgleich dieses Gefühl der Anhänglichkeit nach der Hingebung bey weitem noch nicht Liebe zu nennen ist. Aber wie soll man ihr dieses mit kaltem Blute deutlich machen können? Wird sie nicht, bey ihrem Gefühl der innern Nothwendigkeit jeden Rath der Art verachten und von sich stoßen? und hat man damit etwas anders als ihr Mißtrauen gewonnen? Sie kann nie unglücklicher werden, als wenn man ihr jetzt die Hoffnung raubte, daß sie mit ihren, ihr so ungewöhnlich bestürmten Gefühle[n] wieder zur Ruhe käme. Und außer der Vereinigung, oder doch die Aussicht zur Vereinigung, mit ihrem Ruhestörer wird sie diese nirgend finden. Der bewirkte Aufschub ist übrigens gut, es kömt vielleicht in diesem stillen See, von selbst wieder alles ins Gleis. Mit Dalton bin ich zum erstenmal sehr unzufrieden. Er kann sie nicht lieben, und was sollte diese Begebenheit? eine so falsche Tendenz mußte er sich am Ende seiner Abenteuerlichen Laufbahn nicht erlauben. Er ist geprüft genug um sich nicht dem ersten dem besten Eindruck hinzugeben. Und war seine Meinung daß er etwas thun wollte, um einmal in Ruhe zu kommen, so hatte er hierin Recht, aber das Mittel war schlecht, denn er hat fürs Erste nur ihre Ruhe gestört. Enfin es ist ein eigentlicher dummer Streich!
Verzeihen Sie, daß ich Ihnen so viel darüber schreibe, ich mußte es thun, um Sie mit meiner Ansicht recht bekannt zu machen, damit Sie mich nicht einer überflüßigen Polemik beschuldigen.
Leben Sie wohl und lieben Sie uns. Viele Grüße an Jetten.
A propos Jette. Ist diese wieder von Lanke zurück?
Ich muß noch immer daran denken, daß man überall den Dalton im Florentin erkennen will! und das so grob, so massiv, eben so gut, könnte man in der Clementine den alten Fasch, im närrischen Oberstwachtmeister den alten Wilknitz, und im Grafen, den Fürst Reuß, oder Dohna erkennen wollen; denn ungefähr eben so vielen Antheil haben diese Personen an den Charakteren, als Dalton an den des Florentin; und wenn Sie wollen, so will ich Ihnen zu jeden meiner Geister einen Körper anzeigen den ich irgend einmal passend fand, über die Sie sich wundern, oder auch Todtlachen werden, denn manchmahl war es wahrhaftig nicht viel mehr als eine Figur um die Sperlinge weg zu scheuchen, die ich mir ausbildete, und einem von meinen noch ungebornen Geistern gab.
Wir haben heute den ersten vollkommen schönen Frühlingstag, ich eile ihn zu genießen und dabey in Liebe der Abwesenden zu gedenken.
Es mus nothwendig eine Schmuzsucht, (wie eine Gelbsucht) geben, in der die Menschen alles schmuzig sehen, weil sie selber es sind, an dieser Schmuzsucht wird die Ungeheuern dann wohl sterben.
Nichts ist in dem Bosheitssystem so erzdumm, als das sogenannte Verläumden, eine recht halbe Maßregel, und die noch dazu weder Stich noch Farbe hält.
Die Poste[n] über Leipzig und über Halle sind wenig unterschieden, diese Posten kommen hier immer sehr unbestimmt an.
Doch um es recht deutlich zu beschreiben: Gewöhnlich, und wenn die Wege nicht schlecht sind kommen die Briefe über Halle, Mittwochs und Sonnabend Mittag. Kommen sie aber später, so werden sie erst Sonntag früh herumgetragen. Die über Leipzig kömt nur Montag früh an. Schicken Sie also Ihre Briefe wenn Sie wollen.
Schriebe ich Ihnen nun wie gewöhnlich Morgen so müßte mein Brief den Dienstag Abend in Berlin seyn. Um es zu versuchen schreibe ich heute über Leipzig. Geben Sie acht ob es länger als 4 Tage geht.
Es geht nicht, Friedrich schreibt erst Morgen wie er eben sagt, und mein Brief bleibt bis dahin liegen.
So herzlich und oft ich auch um Nachricht von Zelter und der Akademie bat so bliebt Ihr Grausamen doch immer taub gegen mein Bitten[.]
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 16. April 1801
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 255‒258.
Language
  • German

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