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Dorothea von Schlegel to Heinrich Eberhard Gottlob Paulus

Erst jetzt kömmt es mir ins Gedächtniß zurück welche Stelle des unglücklichen Briefs Sie beleidigt hat – und – ich erkenne erst jetzt mein Unrecht dergl[eichen] geschrieben zu haben. Ich kann mich weder vertheidigen, noch geschehenes ungeschehen machen. Eins gebe ich Ihnen nur zu bedenken: es ist nicht meine Schuld daß irgend ein Fremder dergleichen von mir erfahren hat. Niemals hat es ein Fremder wagen dürfen in meiner Gegenwart, irgend etwas über Sie oder über Ihre Frau zu sagen; ich habe zu Friedrich gesprochen, – ich habe in der Sache Unrecht gehabt, daß ich’s geschrieben habe, war dumm, unvorsichtig und schwatzhaft. Ich bin zu jeder Genugthuung bereit – was Sie wollen – Aber Sie können mich nicht für malicieuse halten. Malicieuse könnten Sie mich nur nennen, wenn ich durch Wort oder That Ihnen hätte zu schaden gesucht; Sie können dergleichen niemals von mir glauben. Niemals haben, oder hatten Sie, was Sie auch in diesem Augenblick von mir denken mögen, eine wahrere Freundin. Ich habe zu Friedrich gesprochen, das ist wie zu mir selber. Sind meine Bemerkungen dumm und falsch, so fallen sie auf mich selber zurück. Ich schrieb jene unglückliche Zeilen in einen Moment, wo mich etwas von Ihnen verdroß – Es war eine solche Kleinigkeit, daß ich es mit sammt meinen schlechten Anmerkungen 10 Minuten nachher wieder vergessen hatte, so daß ich lange gar nicht begreifen konnte, worüber Sie mir Vorwürfe machten. Ich kann nicht glauben daß Sie meine Unbesonnenheiten vergessen können. Ich darf nicht hoffen, daß Sie je wieder Zutrauen zu mir fassen können. Daß ich ungeachtet meines Vorwitzes das größte Zutrauen zu Ihnen habe, davon habe ich Ihnen erst kürzlich den größten Beweis gegeben, indem ich über eine Angelegenheit mit Ihnen sprach, die das ganze Glück meines künftigen Lebens ausmachen soll, und über die ich mit niemand so ausführlich als mit Ihnen und Ihrer Frau gesprochen habe. Sie können aber freylich kein Zutraun mehr zu mir haben, da ich so unverzeihlich unbesonnen es verschleuderte.
Unbesonnen, nicht malicieuse – Ich will suchen, ob ich Ihnen dieses Wort vergessen kann, und Ihren Vorsatz mich zu maltraitiren, zu dem Sie kein Recht hatten, da ich Ihnen nichts gethan habe, ein Geschwätz zu meinem vertrauten Freunde, ist etwas worüber ich keine Rechenschaft zu geben habe. Also ich vergesse dies alles, und auch daß Sie meinen Brief gelesen, und mir vorenthalten haben, wozu Sie freylich nicht berechtigt sind. Ich vergesse dies alles weil ich fühle, daß ich Ihnen gleichgültiger hätte seyn müßen, wenn Sie nicht so böse auf mich gewesen wären – Ich bin zu allem bereit; aber auch Sie, versuchen Sie es zu vergessen, daß ich im Stande war muthwillig über meine Freunde zu sprechen; bedenken Sie daß ich wie zu mir selber gesprochen habe, indem ich schrieb. Haben Sie ja keine schlechtere Meynung von meinem Herzen, als ich von dem Ihrigen, denn allerdings waren Sie nicht berechtigt meinen Brief an Friedrich zu lesen, und doch habe ich es Ihnen schon verziehen.
Ich bin über nichts so untröstlich bey dieser fatalen Begebenheit, als daß ich Ihnen und der Mutter verdrüßliche Stunden gemacht habe. – Ich habe morgen Bocklet verlassen wollen, und es wird gewiß geschehen, trotz der widerrathenden Klugheit, wenn Sie mir morgen früh nicht etwas tröstliches sagen. Vergessen Sie mein Unrecht, und vernichten Sie das unglückliche Monument meiner leidenschaftlichen Unbesonnenheit[.]
Metadata Concerning Header
  • Date: [wohl erste Augustwoche 1801]
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Heinrich Eberhard Gottlob Paulus ·
  • Place of Dispatch: Bad Bocklet · ·
  • Place of Destination: Bad Bocklet · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 281‒282.
Language
  • German

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