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Dorothea von Schlegel to Heinrich Eberhard Gottlob Paulus

So sind denn doch noch Erläuterungen zu geben, und Missverständniße aufzuklären übrig. –
Nein mein Herr Professor, ich habe Ihnen weder mit Friedrich drohen wollen, noch habe ich damals um meintwillen Sie ersuchen lassen dem Friedrich Nichts davon erfahren zu lassen. Sie haben mich belauscht, und allerdings Gelegenheit gefunden, allerley Nicht Gutes von mir zu halten; aber für so – plump, (ich weiß in der That keinen schicklichern Ausdruck) hätten Sie mich doch nicht halten müssen. Einzig nur darum wünschte ich daß er in Bocklet nichts davon erführe, theils um ihm die wenigen Stunden, die er angenehm dort zuzubringen gedachte, nicht zu verbittern theils um Ihnen, und Ihrer Frau nicht einen Verdruß zu erneuen, den Sie leider schon gehabt hatten. Mich dünkt dieser Grund ist der einzig wahrscheinliche, ja der einzig mögliche, denn da der Brief an Friedrich gerichtet war, und er ohne meine Schuld in fremde Hände gerieth, so ist nicht abzusehen, was ich von Friedrich sollte zu fürchten oder zu verbergen gehabt haben.
Ich hielt jenen Brief noch immer für mein, oder für Friedrichs Eigenthum, und glaubte: wenn ich nicht hinreichte mein Eigenthum zu reklamiren so wäre es natürlich daß Friedrich sich dessen annähme; ich hätte ihn alsdenn entdecken müßen was ihm bis jetzt noch ein Geheimniß ist, und so wäre der Verdruß zwischen dem Freunde den ich liebe, und den Freunden denen ich so vieles verdanke unvermeidlich gewesen. Anstatt Ihnen zu drohen wie Sie es nehmen habe ich Sie blos aufmerksam machen und Sie bitten wollen, mir beyzustehen, daß der Verdruß nicht aufs Neue angefacht würde. Wenn irgend eine Drohung darin lag, so war sie doch wahrhaftig mehr gegen Friedrich dem dieser Schlag so unerwartet, und betäubend träfe! –
Es ist mir eine unangenehme Empfindung ein Geheimniß für Friedrich zu haben, eine Empfindung die mich stets mahnt, und ich hätte so gern Alles vergessen! –
Damit Sie nicht fortfahren Uebler von meinen Absichten zu denken, als diese arme schuldlose Absichten es verdienen, und besonders, damit Sie nicht länger glauben, als wollte ich an Friedrich falsche Insinuationen darüber machen (Ihr Verdacht kränkt mich, weil Sie überhaupt Ursache zum Verdacht gegen mich haben, dieser ist aber so grundlos!) so bleibe es für ihn ein Geheimniß bis Sie selbst es für gut finden, ihn auf welche Weise es Ihnen beliebt, von Allem zu benachrichtigen. Damit Sie aber wieder dies mein Stillschweigen nicht übel deuten, und es meiner für mich fürchtenden Selbstliebe zuschreiben, so habe ich Ihnen nur sagen wollen, warum ich Nichts sage, nemlich blos um Ihnen, und ihm, den Verdruß zu ersparen. – Sie scheinen[,] da jede andre Absicht im geringsten nicht abzusehen ist, Ihren Eigensinn darauf gesetzt zu haben den Brief nicht herauszugeben; ich hatte den meinigen darauf gesetzt ihn wieder zu haben; da ich nun gewiß bin, daß es nur Eigensinn gegen Eigensinn ist, wird es mir leicht, den meinigen unter dem Ihrigen gefangen zu geben. Behalten Sie den Brief, und machen Sie was Ihnen beliebt damit, wozu er mir nützen könnte sehe ich jetzt nicht ein. Sie wollen es nun einmal so, und es sey so; die Frauen müßen sich gewöhnen ihre Rechte, fremder Willkühr zu unterwerfen. Ich entdecke Nichts an Fried[rich]: diese mahnende Empfindung, die mich nichts vergessen läßt, sey meine Strafe, sey meine Erinnerung Ihrer gestrigen Lehren. – Mein Brief hatte Sie gerührt – Mein Brief war eine warme Aufwallung des Gemüthes, wie fast Alles was ich beginne, oder schreibe – Ihre Antwort hat mir nachzudenken gegeben. Ich danke Ihnen für die Schonung mit der Sie die Härten die Sie mir zu sagen hatten, mit schmeichelhaften Artigkeiten versüßten. Ich müßte keine Frau seyn, wenn Sie Ihren wohlthätigen Endzweck nicht erreicht hätten. Aber Aufrichtigkeit für Aufrichtigkeit! ich kann niemals, die Art wie Sie sich eines fremden Briefs bemeisterten, wie Sie ihn dem rechtmäßigen Besitzer vorenthielten, und noch vorenthalten, weder für edel, noch Ihrer anerkannten Billigkeit, Rechtlichkeit, und Gerechtigkeit angemessen finden! – Sehen Sie da noch einen Grund warum ich lieber Alles vergessen hätte. Doch ich erinnere mich, daß ich so eben jede meiner Ansprüche in Ihre Hände legte, und so will ich mich bescheiden – Lassen Sie, ich beschwöre Sie, dieses die letzten Worte über diese fatale Begebenheit seyn, die ich nur noch sagen wollte um jenen Argwohn der Drohung und der Furcht zu vernichten. Leben Sie wohl, lassen Sie alle Schuld vergraben seyn, es gelingt Ihnen vielleicht doch noch die meinige zu vergessen.
Dorothea
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 2. September 1801
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Heinrich Eberhard Gottlob Paulus ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 285‒287.
Language
  • German

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