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Dorothea von Schlegel, Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Ich schreibe viel und ausführlich genug, aber es scheint nicht als wäre es mir mit aller angewandten Mühe gelungen, die Dinge deutlich und vernehmlich so vorzustellen wie sie sind, sonst könnten Sie unmöglich nur so bedingt uns unser Recht zugeben. Ihrer Antwort auf unsrer Geschichte zufolge, so wissen Sie immer noch nicht recht, daß Wilhelm ganz, ganz und gar keine Ursache hatt mit uns böse zu seyn, ja daß er so gar so lange er lebt, das Unrecht gegen uns nicht gut machen kann. Es ist ganz und gar nicht die Rede davon, daß wir uns in Sachen gemischt oder gegen Dinge gearbeitet hätten, in denen „Jemand schon einen Entschluß hätte gefaßt gehabt“ sondern W[ilhelm] hat Friedrich bewogen zu sprechen, er hat es auch gewußt daß Fried[rich] an Charlotten schriebe, und setzte sich damals ganz und gar nicht dagegen. Mich dünkt ich habe Ihnen doch alles dies sehr genau detaillirt. Und Wilhelm, sage Wilhelm hat sich bis zum letzten Moment seiner Abreise von hier, mit uns sehr gut über Car[olinen] und über alles vertragen, was noch mehr, er hat damals noch in einen Ton über sie mit uns gesprochen, den wir selbst gegen ihn nie hätten anzunehmen gewagt. Seitdem er weg von uns war, ist nichts zwischen uns und Car[oline] vorgefallen, was fällt ihm also jetzt ein, Dinge übel zu nehmen, die damals, mit seinem Wissen, und unter seiner Aufsicht geschahen? Er, Wilhelm hat Friedrich bewogen, und bey seiner brüderlichen Freundschaft beschworen, mit Schelling zu brechen, und deutlich böse zu seyn, und bey Tische nichts mit ihm zu reden.
Er verträgt sich nun mit Schelling, und läßt Friedrich stecken. Gegen ihn machten freylich jene alle mögliche Schritte um ihn gut zu machen, und ihn wieder in ihre Partey zu ziehen, aber freylich gegen Friedrich fand man nicht nöthig avancen zu machen, vorzüglich sobald sie erst des Menschen, des Wilh[elm] wieder gewiß waren. War es nicht seine Pflicht und Schuldigkeit jene dahin zu bewegen daß sie die ersten Schritte gegen Fr[iedrich] thun müßten? und kann er sich nun sogar mit diesen gegen Fr[iedrich] wenden? Kann er verlangen, daß Fr[iedrich] zuerst die Hand reichen sollte, da er, er, einzig und allein die Ursache der Feindseligkeiten ist? Aufrichtig gestanden: abgerechnet der häßlichen gemeinen Proceduren der Car[oline] so hat sie auf ihre Art immer ein Recht böse zu seyn, denn sie hat viel gelitten unter allem dem, aber was Wilh[elm] will ist unbegreiflich, so unbegreiflich wie seine ganze lacheté – doch was hilft alles schreiben? ich will es von nun an ganz dahin beschränken daß Sie nur immer so viel als möglich den Faden nicht verlieren. Anklagen, oder rechtfertigen, beydes kann und will ich nicht befördern, oder erwarten. Kommen Sie und sehen Sie selbst. Adieu
Damit Sie nur hübsch au courent des evenements bleiben, und ich am Ende nicht ganze Bücher nachhohlen muß, so will ich Ihnen nur gleich das Neueste erzählen. Da Karoline nun wohl inne wird, daß sie unsrer bürgerlichen Existenz nichts anhaben kann, so ändert sie ihre Maneuveres, und brouillirt die Brüder in ihrer litterärischen Laufbahn. Alles was wir dagegen thun könnten hilft nicht, es wird ihr wohl gelingen. Sie hatte immer in verschiedenen Billiets darauf gedrungen daß Fr[iedrich] ihr ihren Brief den sie zuletzt geschrieben zurückgeben sollte, und Fr[iedrich] wollte ihn nicht eher zurück geben bis es ihm gelegen wäre, weil sie ja gar kein Recht mehr auf diesen Brief hatte, und besonders auf der Welt keinen Grund ihn zurück zu fordern. Sie klagt also förmlich an W[ilhelm] und bewegt ihn sich gar ernstlich der Sache anzunehmen, als hätte man ihr wunder welches Unrecht angethan. W[ilhelm] läßt sich dergl[eichen] nicht gern zweymahl auftragen, sondern fordert sehr gravitätisch diesen Brief; von Car[oline] förmlich bevollmächtigt. (wie wichtig mag er sich in diesem großen Moment erschienen seyn!) Fried[rich] weigert sich ihn zu geben, weil er keine Lust dazu hatte, brauchte aber irgend einen schicklichen gemäßigten Vorwand. Mon Wilhelm nicht faul, schreibt ein ziemlich grobes Billiet und macht diese Affaire nun sehr diplomatisch zu der seinigen. Fried[rich] der ganzen misere überdrüßig schickt ihm den Brief mit der größten Nachgiebigkeit, denn es war ja im Grunde gar nicht wichtig, und war äußerst wahrscheinlich von Car[oline] nur deßwegen angeregt, um den Zank, der zwischen den Brüdern anfing zu schlafen, wieder aufzufrischen. Das sollte ihr nun einmal nicht gelingen und man gab nach, und die Brüder waren wieder freundlich zusammen. was wird nun wohl geschehen dacht’ ich; – W[ilhelm] reißte mit Car[olinen] auf einige Wochen wegen der Unzelmann nach Weimar; gestern kömt auf einmal ein Brief von Wilh[eim] [er] schickt an Friedrich ein Gedicht zurück, was dieser ihm schon seit dem Januar zum Almanach zugeschickt hatte. Daßselbe Gedicht der welke Kranz das mir Friedrich an meinen Geburtstage gab. Unter dem Vorwande schickte er es ihm wieder, weil es ihn gar zu sehr angriff, unangenehm bewegte, und dgl. Ueberlegen Sie nur daß W[ilhelm] dieß Gedicht schon seit den Januar kennt, lobt, liebt, an Friedrich 2 lange Seiten voll Lob darüber geschrieben hatt; es ist ja also ganz augenscheinlich daß ihn Car[oline] jetzt blos dazu angestiftet unter dem Vorwand daß es ihr zu traurige Ideen errege, (aber welch ein Vorwand!) um nur die Brüder wieder zum Zank zu bringen, und sie litterärisch zu trennen. Denn sehr begreiflich ist es, daß Fried[rich] jetzt weder an seinen künftigen Almanachen, noch an andern gemeinschaftlichen Werken Theil nehmen kann, und wird. Sollt’ er sich solchen Begegnungen unterwerfen? Car[oline] rechnet mit Gewißheit darauf daß er dies nicht wird und dann ist ihre Absicht erreicht. Fried[rich] war mit Mühe zurückzuhalten, daß er nicht gleich einen heftigen Brief an W[ilhelm] schrieb. Er schweigt und nimmt sein Gedicht zurück; aber ich kann ihn nie bereden wollen, daß er ferner Antheil am Almanach nimmt. [Friedrich Schlegel:] (und auch das Athen[aeum] kann ich nur unter der Bedingung fortsetzen, daß das bisherige gegenseitige Veto aufgehoben wird – da ich versprochen habe, ein ganzes Stück mit Philosophie anzufüllen, so kannst Du leicht denken daß dies erst Karol[inens] und Schellings Censur passiren würde, für die meine Philosophie doch gar nicht geeignet ist. –)
Ich streiche das durch, denn Dor[othea], der ich W[ilhelm]s Brief nicht gezeigt, hat sich nicht genau genug ausgedrückt. Die Sache ist die[.] Schon im Anfang dieses Jahres schicke ich ihm den welken Kranz, ein Gedicht von mir zum Andenken Augustens an Dor[othea] gerichtet. Er schreibt mir 2 Seiten voll über die Kunst des Sylbenmaaßes, und übrigens in den stärksten Ausdrücken von den Thränen mit denen er es lese und immer wieder und mehr dergl[eichen] über die innere Schönheit des Gedichts. – Ich specificire ihm 3 bis 4 mal genau, was ich zum Allmanach geben [will], und jedes mal nimmt er mit den andern angebotnen Beiträgen auch dieses Gedicht und zwar in den stärksten lobenden Ausdrücken an. – Noch Ostern sagt mir Tieck in Leipzig daß W[ilhelm] oft bei meinem Gedicht heiße Thränen vergieße und es immer wieder lese. – Erst jezt eben, kurz vor der Vollendung des Drucks giebt er mirs zurück, weil es seinem Gefühl wiederstrebe, welches er wohl nicht weiter zu erörtern brauche! –
Niemand der mich etwas kennt wird glauben mir könne dran liegen, ob ein Gedicht mehr oder weniger von mir gedruckt wird. Ja ich habe alles das gegeben nur aus Liebe zu Wilh[elm] und Tieck und zu der Gemeinschaftlichkeit des Unternehmens. Aber solchen Insultirungen kann ich mich nicht zweimal aussetzen. – Auch ist W[ilhelm]s Pünktlichkeit bekannt. Der Wiederspruch jenes Verfahrens mit den gewohnten Grundsätzen seiner litterarischen Ordnung berechtigt mich, den Grund dieser Procedur gradezu in Karolinen zu setzen. Das heißt objektiv und öffentl[ich] denn außerdem wird es bei jedem der au fait ist kaum einer Zurechtweisung bedürfen. Nun ist es nicht in meiner Gesinnung, unter unsichtbaren Obern zu stehen, viel weniger kann ich an dem Allmanach Theil nehmen wollen, den eine Person beher[r]scht die sich in jeder Rücksicht gegen mich infam gemacht hat. Ich darf um so mehr sagen daß Kar[oline] gewissermassen den Allm[anach] redigirt, da Tieck nur sehr wenigen Antheil an der Redaction nimmt. – Ich wäre berechtigt auch meinen dießjährigen Antheil zurückzufodem, und da dies nicht mehr möglich ist, jenes öffentlich zu erklären. Es geschieht nicht bloß aus Freundschaft für Tieck und aus Andenken an Wilhelm.
[Dorothea Veit:] Verte
[Dorothea Veit:]
Denken Sie nur daß alle diese Feindseligkeiten Statt finden, ohne daß ich mich nur rühre, keinen einzigen fremden Menschen spreche. (Fried[rich] sieht gar wohl ein, was sein Schritt für Folgen hätte er ist aber doch nothwendig. Er läßt Ihnen das noch sagen.) Was ich auch thue, so still und friedlich ich mich verhalte, so hören sie doch gar nicht auf, mich feindseelig zu behandeln, das ist doch zu toll. Car[oline] hatt keine Ruhe, so wenig wie der Zammbattchen. Laßen Sie sich nur von der Herz sagen was das für ein Wasser ist. –
Uebrigens leben wir hier sehr ruhig und fleißig, und ich schreibe am 2ten Florentin. Kämen nur keine solche Albernheiten dazwischen, so wären wir sehr vergnügt, und es würde auch noch mehr gearbeitet. Aber wie sehr man an Zeit und Gesundheit bey dem dummen Zeuge einbüßt, das sey Gott geklagt! Jenen schadet es gar nicht, vielmehr sind solche Tracasserien recht ihr Element, sie patschen darinn herumm wie die Fisch im Wasser, aber wer das nicht gewohnt ist, dem wird übel und weh dabey. adieu unser Freund, Grüßen Sie die Herz von Uns, und Bernhardis wenn sie Ihnen vorkommen. Vorige Woche war Marianne Baronne de Eibenberg bey uns. Kämen Sie nur einmal her!
25ten September 1801
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 25. September 1801
  • Sender: Dorothea von Schlegel · , Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 295‒298.
Language
  • German

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