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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 26ten Octob. 1801
Geliebter Freund,
Noch weiß ichs nicht gewiß, ob ich nach Berlin werde kommen können oder nicht, also schicke ich hier was Du foderst, nebst meinen unmaßgebl[ichen] Randglossen zur Einleitung. An der Uebersetzung selbst habe ich nur zwei kleine Aussetzungen für die Zukunft 1) finde ich einige Ausdrücke zu familiär, z.B. Tausend! – oder Versteht nicht das bitterste für ουδε σμιϰρον – liebes Herz für φιλη ϰεφαλη – 2) finde ich in Rücksicht des Costums keine völlige Sicherheit in einigen Kleinigkeiten z.B. Beim Hund ist mir bis zur größten Härte buchstäblich, und warum du denn Feder gesezt hast, läßt sich nicht wohl begreifen. – Vielleicht wirst Du bei der Durchsicht des Protag[oras] Rücksicht darauf nehmen. – Schreibst Du die Einleitung etwa ab, so thue Dir Gewalt an und schreibe besser. Es ist kaum möglich Deine Hand zu dechifriren. Das magst Du denn auch bei den Druckfehlern in Anschlag bringen. Doch soll dieß nur polemisch gelten für die Zukunft, damit Du wahrlich und im Ernst etwas besser schreibst. Wegen der Vergangenheit magst Du mich lieber damit entschuldigen, daß die Correcturen in die schlimmsten Tage von Dor[otheas] Krankheit fielen. Vier Stunden und drüber habe ich an jeder zugebracht aber in welchen Störungen! –
Ob Du auf dem Titel mit genannt sein willst, das soll immer noch von Dir abhängen. Ich will es schon mit Fr[ommann] abmachen wenn es Dir zuwider ist. Das konnte ich aber freilich nicht glauben, da Du erst ungehalten darüber [warst] daß ich Dich in der ersten Ankündigung nicht genannt hatte, wo ich es Fr[ommann] zu Gefallen nicht that.
Herrlich wäre es, wenn wir uns wieder sehen könnten, aber noch weiß ich nicht ob es möglich sein würde. Wie ich dort wohnen und leben soll, das richte ganz ein wie Du willst, denn ich komme ja bloß zu Dir.
Da es aber doch noch so ungewiß ist, so muß ich einige Fragen wegen des Plato an Dich ergehen lassen, die nun nicht länger können aufgeschoben werden. – Verlangst Du auch die Uebersetzung nicht bloß die Einleitung des Parmen[ides] vor dem Druck zu sehn? – Ich hoffe Du wirst consentiren, daß ich mir den Eutyphron aneigne, der mir in manchen Erholungsstunden leichter ist als Parmen[ides] und da es sehr wohl sein könnte, daß er zum 1ten Theil gebraucht würde. –
Ferner bitte ich, wähle nun zum 2t Theil. Nach meiner Ordnung kommen – Euthyphron – TheagesKritoPhaedon – und dann wenn noch Raum ist der Euthydemus –. Sehr ungern würde ich der Apologie eine Stelle in der Reihe selbst verstatten, da ich von ihrer Unächtheit nun ganz überzeugt bin. Auf jeden Fall muß ich dagegen protestiren, ihr eine Stelle in der ersten Periode zu geben, nur in der zweiten kann ich ihr eine Art von Möglichkeit gestatten, wiewohl auch diese nicht für meine Ueberzeugung gültig ist. – Bist Du nun [mit] dieser Ordnung zufrieden? Was wählst Du? – Und hoffentlich fängst Du doch auch gleich wieder an zu arbeiten.
In Rücksicht der Apologie und des Theages ist Ast ganz und gar meiner Meinung beigetreten. Du kannst dieß gewiß für ein eignes selbstständiges und reifliches Urtheil halten, und in sofern wird es nicht ganz ohne Gewicht sein, wenn es freilich Deine wie es scheint eben so unerschütterliche als meine Meinung nicht wird ändern können. –
Glaube nur nicht, daß ich weniger gravamina in Rücksicht des Plato gegen Dich vorzubringen habe als Du. Die Kälte mit der Du meine Theorie der Anordnung [behandelst] – von der ich glaube sagen zu dürfen, daß es der erste bedeutende und wichtige Schritt sei um das Verstehen des Plato möglich zu machen das erste was kritisch hätte geschehen [müssen] und was seit seinem Tode immer vernachlässigt ist – – diese Kälte entschuldigt gewiß jede von meiner Seite, die nur als Rückwirkung anzusehn ist. – Und dann bin ich böse auf Dich, daß Du Deine Klagen nicht immer an mich selbst sondern lieber an Freunde oder Feinde ausschüttest. Wie Du so unvorsichtig sein konntest, das auch gegen Wilhelm zu thun, das begreife ich schlechthin nicht. Du weißt ja doch, in welchen Pfuhl alles was diesen Kanal passirt, sogleich zu gelangen pflegt, und wenn Du nun die allergiftigsten Verdrehungen über diese Sache und das ganze Verhältniß in dem Munde aller Menschen fändest so dürfte es eben nicht wundern, und Du hättest sie selber veranlaßt. –
Aber mehr und gar andre Dinge noch als Plato hab’ ich mündlich mit Dir zu reden, und würde eine innige Freude haben, einige Wochen wieder auf die alte Weise mit Dir zu leben. Jezt fehlt es noch an Geld, auch ist der erste Akt von Alarkos noch nicht fertig. Sobald ers ist, schick ich ihn Dir, hoffentlich in 8 Tagen. Den zweiten hat Unger schon. – Die Hauptsache ist aber leider Dor[otheas] Kränklichkeit, die es mir sehr schwer machen würde sie allein zu lassen, besonders da sie hier so {unsäglich} allein sein würde.
Hast Du Hegels Schrift gelesen? Wie unendlich besser würdest Du etwas solches schreiben, und wie kann man eine gute Sache so schlecht führen, oder vielmehr an die Stelle des Fichte etwas so noch schlechteres setzen wollen. Ich denke einer von uns müßte bald etwas über den Spinosa schreiben, den sie wahrlich nicht verstehen; damit sie den doch ungehudelt lassen.
Siehst Du Brinkmann?
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 26. Oktober 1801
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 300‒301.
Language
  • German

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