Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 16ten Novemb 1801
Ich eile Dir die Bestätigung zu geben, daß ich gewiß komme, und Dir zu sagen wie herzlich ich mich freue, daß Du die Nachricht davon so freundschaftlich aufgenommen hast. Gewiß kann ich den Tag meiner Abreise noch nicht bestimmen, ich denke aber spätestens morgen über acht Tage. W[ilhelm] grüße und danke ihm für den gegebenen Rath wegen der Reise den ich befolgen werde.
Vor allen Dingen, lieber Freund, aber bitte ich Dich, daß Du Dich für diese Zeit so frei wie möglich von Geschäften ja auch von Deinem Dir am ersten entbehrlichen Umgange machst, halten wollest: denn lange darf ich schon wegen Doroth[eas] Kränklichkeit nicht bleiben. Und meine Absicht geht, einige Verhältnißbesuche und etwa einen Rede oder Verstehe-Versuch bei Fichte abgerechnet lediglich auf Dich. Ich habe viel, viel mit Dir zu reden. Was die Platonica betrifft so rechne nur ja nicht auf viel mitgebrachtes außer in meines Herzens Geist und Empfindung, auch in keiner andern Rücksicht. Die Conjecturen zum Parm[enides] schreibe mir sauber ins Reine, sie werden noch immer früh genug kommen. Auch würde ich es als eine köstliche Gabe betrachten wenn Du einiges auch nur ganz rhapsodisch aufschreiben wolltest, was nach Deiner Meinung über das Verhältniß des Plato zur jetzigen Bildung und Philosophie pp gesagt werden [sollte]; ich traue Dir darin mehr Suada zu wie mir, aber freilich muß ich unverschämt genug sein es als Geschenk zu freiem Gebrauch zu begehren wegen der Einheit des Ganzen. –
Du hast keine rechte Lust zum Phaedon; da schlage ich Dir denn gleich den Theätetus vor, der in jeder Rücksicht Dir zukömmt. Der Euthydem kömmt noch nicht so bald; es ist natürlich daß Du auf ihn ein besondres Augenmerk hast.
Du willst nun für das Ganze unseres Werks nicht mehr als Mitherausgeber verantwortlich sein: so muß ich mir denn aber auch in Rücksicht des Ganzen aber bloß dieses, etwas mehr Gewalt ausbitten. –
Die Noten müssen, däucht mich, der Ordnung wegen, durchaus mit Zahlen bezeichnet werden.
Möchtest Du nun doch mit dem Protagoras fertig sein und gleich rüstig an den Theätet gehn! Das würde mein Herz gar sehr erfreuen.
Es ist ein neuer Ruck in meiner Untersuchung des Pl[ato] geschehn, und mit diesem ist denn allerdings die Möglichkeit* daß der Theages ächt sein könnte, so ziemlich weggefallen, aber freilich noch manches andre mit; nicht etwa bloß der Krito: sondern es würde mir nach dieser Strenge eine unverschämte Dreistigkeit scheinen, wenn ichs ohne gründlichen Beweis wagte, den Ion Hippias Minor, Menexenus, Euthyphron eine Stelle in der Reihe der ächten Gespräche zu geben. –
Auf Heindorfs Ausgabe freue ich mich ungemein. – Dem Euthydemus habt ihr, vortrefliche Männer, seine Verwandtschaft sehr richtig bestimmt.
Der Conjekturen sind mir im Phaedros gar nicht zu viel, auch haben mir fast alle gefallen; nur glaube ich werden die strengern Philologen mit Recht einige Enthaltsamkeit in diesem Punkte von uns fodem.
Was d[en] Phaedrus betrifft, so kann ich Dir noch nicht versprechen ob das möglich sein wird. Die Kosten sollten mich nicht abschrecken und reichte das Honorar so wollte ich gern noch zuschießen. Aber ich muß besorgen, daß Fromm[ann] bei diesem Vorschläge ganz und gar rückgängig werden möchte, und um diesen Preiß wirst Du es doch nicht wollen. –
Uebrigens fehlt es mir nicht an Satanisken in Menge über dieses ewige Vonneuemmachen in Dir, wodurch denn das Fertigwerden worauf Du in Vergleich meiner altsündigen Unfertigkeit so stolz bist, ganz luftig, fantastisch und chimärisch wird.
Dor[othea] grüßt herzlich, auch an Jette.
Friedrich.
Du hast doch wohl für den Brief an Fröhlich Dich interessirt? Es liegt mir außerordentlich daran, zu wissen wie es mit seinen Geschäften steht.
Richte es ja ein daß wir recht viel d.h. fast immer mit einander sein können: denn ich habe unsäglich viel auf d[em] Herzen.
*Mehr hab ich eigentlich nicht geglaubt [zu] behaupten durch die Stelle die ich ihm gab, und die daraus abgeleitete specielle aber zu künstlich hineingetragene Ironie[.]
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 16. November 1801
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 306‒308.
Language
  • German

Weitere Infos ·