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Dorothea von Schlegel to Friedrich von Schlegel

Jena, 7ten December 1801.
Hat der Junge nicht niedlich geträumt, lieber Friedrich? Ich trieb ihn an, daß er es gleich aufschreiben mußte, mit denselben Worten, wie er es mir den Morgen gleich hersagte. Es wird Dich amüsiren. Ich wollte ihn nichts fragen, damit er nicht Gelegenheit bekäme, sich etwas zu erfinden, aber ich hätte gern wissen mögen, was er sich unter ,Meister‘ vorstellt? Er glaubt gewiß, daß Wilhelm Meister ein berühmter gelehrter Mann sey. Er ist überhaupt heute sehr possierlich. Er war den Morgen wieder gar nicht zur Ernsthaftigkeit zu bringen, und wie ich ihn darüber ausschelte und ihn frage, was er sich nur des Morgens gleich beym Aufwachen denkt? sagt er: „Ach mein erster Gedanke ist gleich, wie ich es Dir nur verbergen will, daß ich aufgewacht bin.“
Meine Angst, daß Brentano meinen Brief lesen möchte, war ungegründet. Es wäre doch herrlich, wenn das mit Tieck wirklich wahr würde! Brentano hat mir vorgestern sein Lustspiel vorgelesen. Das könnte gewiß recht gut werden, wenn er sich nun dabey hielt und etwa ein Dutzend solcher Stücke schrieb, seine Charaktere eignen sich ganz herrlich zu Masken. Nur müßte er sich aufopfem lernen und wohl um die Hälfte abkürzen. Aber es ist recht lustig und komisch.
Heute Nachmittag liest mir Ast seinen Sophokles vor. Darum schreibe ich Vormittag und so kurz, denn ich muß auch noch an Charlotte schreiben, von der ich gestern eine freundliche Einladung erhielt. Meine Stube dort steht schon für mich in Bereitschaft. Ich muß ihr nun antworten, daß ich nicht eher reisen kann, bis Du mir geschrieben. Ueberdies sind auch die Wege jetzt so schlecht. Ach es langweilt mich auch endlich, daß ich nichts von Dir höre und sehe; das ist nun mein 4ter Brief. Ich gehe gar nicht aus, das Wetter ist so ganz abscheulich. Vermehren’s gehen auch noch nicht aus. Gestern Abend war Ritter wieder hier. Er arbeitet jetzt am Taschenbuch, das doch wohl zu Ostern oder früher noch fertig werden soll. Herr Pernot ist immer sehr freundschaftlich und besorgt für mich. Er läßt sich Dir respectueusement empfehlen.
Schreibe mir nur recht viel, gebe Gott etwas Erfreuliches! Was machen denn die Berliner mit Dir? ... Wenn noch aus Dresden etwas wird und auch unser großer Plan ausgeführt wird, so ist es besser, wir gehen gleich von Leipzig auf Erfurt und kommen nicht wieder hierher. Es ist kürzer und besserer Weg; ich habe auf der Charte genau nachgesehen. Solltest Du also von Berlin aus gleich nach Dresden gehen, so schreibe mir erst umständlich welche Bücher und welche Papiere ich nach Paris verpacken und was ich mit den Uebrigen zu thun habe? Ich werde aber alles Uebrige auch in Ordnung bringen, damit Vermehren uns ohne Confusion alles nachschicken oder zurückbehalten kann.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 7. Dezember 1801
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 312‒313.
Language
  • German

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