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Dorothea von Schlegel to Rahel Varnhagen

Das ist recht schön und gut geliebte Freundin daß Sie den Friedrich so viel von sich wissen lassen, Ihnen gönn ich es wohl, und er verdient es wohl! Daß ich nicht so viel von Ihnen weiß, ist begreiflich, natürlich, und versteht sich von selbst; weil ich überhaupt ganz und gar nichts weiß, am wenigsten von Menschen; zweyerley nur giebt es für mich darin, ich liebe entweder jemand oder ich liebe ihn nicht, mehr erfahr ich nie, das ist das Orakel wonach ich mich richte; wie ich Sie liebe, und immer zu lieben verstand, das kann Ihnen nicht unbekannt seyn! – Auch Liebe, weiß Friedrich von mir selber mehr, als ich weiß, Sie thun also auf jeden Fall besser ihn über mich auszufragen. Was ich weis ist ein schwacher Reflex seines Verstandes. Fragen Sie ihn nur, ob es nicht wahr ist daß ich eigentlich keinen Verstand habe[,] ich habe es immer gesagt. Aber Sie werde ich tüchtig ausfragen über Friedrich wenn ich Sie sehe; machen Sie sich gefaßt darauf. Also zu Paris sehen wir uns wieder! Denken Sie sich nur recht viel aus, wie wir dort unser Wesen zusammen treiben! Auf mich ist zu rechnen!
bonnets? rouge? Odeurs? O Liebe hätten Sie die kleine klägliche Umgebung gesehen in die ich mich grade befand als ich diese Anerbietungen las, Sie hätten gewis mit mir gelacht! Der Tausend! wissen Sie denn ganz und gar nicht wie man arm ist? und haben es vergessen wie sehr ich es bin? O Friedrich das mußt Du doch der Kleinen durchaus begreiflich machen!
Sollte aber mon Friedrich, was nun freylich gar nicht zu erwarten ist, mehr Geld einnehmen, und weniger ausgeben als wir vorausgesehen, so kaufen Sie für mich, erstlich einen Strich von Haaren vorzubinden, damit man sich nicht zu wickeln braucht, (die Probe meiner Haare liegt hiebey) und ein silbergrau sammtenes Wesen, sey es Hut oder bonnet, mit einer ebenfalls grauen langen runden Feder. Das ganze etwas Fantastisch aber nicht klein, und so daß es bequem zu arrangiren ist.
Diese Komission schreibe ich Ihnen nur so, – Sie müßen es aber ja nicht wichtig nehmen, – freylich regt sich die Eitelkeit doch ein wenig bey so süßen Anerbieten; aber glauben Sie nicht daß es mir sehr unangenehm seyn möchte es nicht zu haben. Ich vermisse diese Dinge kaum, bey meinem innern guten Gewissen, das ich endlich wirklich habe, und recht genieße. Es giebt drey Dinge die ich sehr bedarf, was Sie mir von diesen dreyen am ersten und leichtesten senden können, das thun Sie ja! Diese Dinge sind: Gesundheit, Geld, und Friedrich!
Ich lebe jetzt manchmal in einer Societät in der man sich höchst indiskret liebt, darum schäme ich mich jetzt fast zu sagen wie ich diesen Friedrich anbete; aber wahr ist es doch; das geht so weit, daß ich mich ordentlich in seine Abwesenheit ganz gelassen finde, weil ich denke es geht ihn dort wohl etwas besser als hier; ich grämte mich alle Tage wenn ich ihn nicht recht heiter sah, und jetzt denke ich ihn mir immer vergnügt.
Meine Hände sind matt von allem schreiben. Leben Sie tausendmal wohl.
Metadata Concerning Header
  • Date: [Januar 1802]
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Rahel Varnhagen
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 322‒323.
Language
  • German

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