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Friedrich von Schlegel to Rahel Varnhagen

Dresden, den 15ten Februar 1802.
Es kommen denn doch wieder Augenblicke, wo es mir bange wird, daß Ihnen die Reise nach Paris so zuwider scheint. Uns bleibt fast keine Wahl; es würde jezt fast eben so schwer sein zu bleiben, ich meine von der einzigen Seite, wo uns alles so schwer wird, von der ökonomischen. Mehr als wir bei unsrer bisherigen schlechten Wirthschaft und ewigen Umherreisen in Deutschland gebraucht haben, können wir dort nicht brauchen. Ich kann meinen Aufenthalt dort auf mannigfache Weise gleich zu Gelde machen, – dergleichen Arbeiten, wie ich sie dann des eignen Studiums wegen recht gut machen kann, sind fast die einzigen, die etwas Bedeutendes eintragen. Georg Forster hat auf diese Art ehedem jährlich an 3000. R[eichs]t[ha]l[er] verdient. So viel werde ich wohl nicht verdienen, aber meine deutschen Arbeiten, die doch allmählich ordentlich bezahlt werden, sind auch ein guter Beitrag; und was wichtiger ist als das, die Hoffnung eine andre äußere Existenz zu finden, als die litterarische, von welcher zu leben mir je länger je unerträglicher wird. – Ach, aus Liebe und Noth war mein ganzes Leben ein unzertrennliches Gewebe! –
Charlotten dürfte ich wohl das mit den 400. R[eichs]t[ha]l[er]n sagen, wenn es nur zu was diente, da sie mir doch nicht helfen; aber ihr, die uns Monate lang gastfreundschaftlich aufnimmt, in ihrer sparsamen Einrichtung, ihr konnte ich unmöglich noch einige Thaler anfordern; und das zu thun, nachdem ich vier Wochen später kam als bestimmt, ihr zu sagen, daß ich nur mit zwei Louisd’or hier angekommen sei, die ich obendrein von einem halben Bekannten in Leipzig geliehen hatte, das hieße ihr alles Zutrauen benehmen, es würde ihr ein unauslöschliches Bild der übelsten Unordnung geben. –
Jezt bin ich ganz im Plato. An dem werden Sie viel haben, und sich sehr damit freuen. Lesen Sie auch die „Abendröthe“ mit Andacht; so wird der zweite Theil der Lucinde ganz sein. – –
Wenn Humboldt etwa die schwere Noth kriegen sollte, so schreiben Sie mir es gleich!
Hier schicke ich Ihnen etwas Lustiges, eine Zeichnung von mir – Benelli, der beste Sänger hier, Tenor, ungeheuer künstlich, aber gefühllos und seine Aktion so affektirt, wie Sie es nach der Zeichnung sich vorstellen können, denn sie ist nicht übertrieben. Daneben Neumanns, das sind die letzten schönen Geister in Dresden, also auch Freunde der Henriette Arnstein, sonst wegen der Niederträchtigkeit des Mannes und der Scheuslichkeit der Frauen berühmt. Benelli als Giulio Cesare in dem Cesare von Salieri. Die Soldaten bedeuten den kriegerischen Karakter des Stücks, die Seiltänzer den Styl seines Singens.
Ich denke jezt schon oft an das, was ich im Französischen schreiben will. Ich weiß nur noch nicht, womit ich zuerst anfange, ob mit einem ernsthaften Hauptwerke, oder mit leichten kleinen Aufsätzen in einem Journal, oder doch nach Art desselben. Was meinen Sie dazu? –
Friedrich Schlegel.
[Es folgt die Zeichnung Friedrich Schlegels: Benelli als Giulio Cesare. Siehe Tafelbeilage mit der Beischrift Varnhagen von Enses: Zu Friedrich Schlegels Brief vom 15. Januar 1802. [Benelli als Giulio Cesare.]]
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 15. Februar 1802
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Rahel Varnhagen
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 331‒332.
Language
  • German

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