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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Ihr letzter Brief enthielt nicht wenige Neuigkeiten lieber Freund, wir wissen aber noch nicht ob wir uns damit freuen oder betrüben sollen? meine erste Bewegung war nach der Charte: Hilf Gott wie weit hinauf liegt dieses Stolpe, wie weit von Berlin entfernt, und von jeder ordentlichen Stadt; so himmelschreyend nördlich – so weit weg von allem Schönen, und was schlimmer ist, wie lange noch ehe Ihnen das Schöne wieder nahe wird! die anderthalb lange Jahre Entfernung von Leonoren, das ist ja entsetzlich! Armer Freund Sie haben viel Noth vor sich zu überstehen, und doch haben Sie so unendlich gewonnen durch die heitre Aussicht – keiner weiß es beßer wie Ihnen zu Muthe ist als ich; wer wird aber nun Leonoren unterstützen auf ihren harten Wege? ist sie ganz allein in Berlin? hat sie gar keinen Freund der ihre Sache führt, und auf den sie sich verlassen kann? bey einer solchen Gelegenheit, findet der Mann zehn thätige Freunde die seine Partie nehmen, ehe die Frau nur einen findet! – Die Strecke von Paris nach Stolpe ist wirklich unermeßlich! auf der Charte die beyden äußersten Enden; und doch, ich kann es nicht verhehlen, glaube ich beynah noch eher Sie einst in Stolpe wieder sehen zu können als in Berlin! Haben Sie denn eine übrigens gute Stelle? ist Stolpe eine ansehnliche Stadt? liegt es auf irgend einem oft bereißten Wege?
Jettens Schicksal betrauer ich mehr als ich sagen kann; mehr als ich jemals mich selbst betrauerte – Ich hatte auch wie ich ganz unglücklich war, doch meine lieben Kinder! – ich begreife nicht wie sie diese doppelten Schläge wird aushalten können – und wenn sie sie aushält, wie es ihr ergeht, in meiner Heftigkeit weis ich gar nicht was ich für sie wünschen soll? eine trostlose freudenleere Existenz – Schmeicheln Sie sich nicht zu früh daß es auf ihren physischen Zustand weiter von keinen Einfluß seyn wird? ich habe es schon einmal bey ihr erlebt, daß sie eine geraume Zeit nach einem Unglück krank geworden war! es ist nur gut daß sie nach Diskau geht, der Aufenthalt auf dem Lande wird noch am ersten etwas zur Erleichtrung des ersten Schmerzes beytragen, nur ist zum Unglück ihr Schmerz von der Art den die Zeit nicht heilt; die Entfernung wird immer schwerer zu tragen je länger sie dauert. Bitten Sie sie daß sie mir schreibt, und recht aus der Seele über ihren innern Zustand. Ich werde sie wohl schwerlich in Leipzig sehen, denn wir können uns nur höchstens einen Tag dort aufhalten.
Werden wir uns jemals wieder zusammen finden?
Leben Sie wohl theurer Freund, ich grüße Leonoren schwesterlich; der Himmel gebe ihr Muth, und Ihnen Geduld, und laße uns bald die Nachricht Eures Glücks erfahren. Vergessen Sie mich Niemals.
Dorothea.
Mit meiner Gesundheit fängt es besser an zu gehen, und ich habe Hoffnung recht kräftig zur großen Reise zu werden. Dresden thut mir wohl in allen Stücken.
  • Schlegel, Dorothea von  besorgt sein  Grunow, Eleonore Christiane
  • Schlegel, Dorothea von  besorgt sein  Herz, Henriette
  • Schlegel, Dorothea von  Brief  erbitten  Herz, Henriette
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Grunow, Eleonore Christiane
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen lassen  Schleiermacher, Friedrich
  • Schlegel, Dorothea von  Gesundheit  mitteilen  Schleiermacher, Friedrich
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 25. März 1802
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 342‒343.
Language
  • German

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