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Friedrich von Schlegel to Rahel Varnhagen

Dresden, den 1ten April 1802.
Theure Freundin! Ich habe heute Ihren Brief recht früh erhalten, und hatte im Stillen schon gefürchtet, es käme gar keiner. Freilich bin ich nicht ganz dadurch beruhigt, denn noch schreiben Sie viel von Kranksein, und sonst so kurz, so unbefriedigend. Was fehlt Ihnen? Die gewöhnliche Reizbarkeit, fortdauerndes Unwohlsein, oder ist es ein bestimmtes Übel? Aber in Geduld will ich warten, bis Sie wieder ordentlich schreiben können; Ihre Briefe sind alle recht kurz. Es fehlt mir immer ich weiß selbst nicht was, wenn Sie lange nicht ausführlich und freundlich geschrieben. –
Wie können Sie aber so viel bei Humboldts sein, da Sie doch krank sind? –
Daß ich neulich so auf Henrietten schimpfte, das gehört nicht zu meiner Menschenkenntniß. Die wäre hier auch gar nicht angebracht. Sie ist ja noch gar nichts, sondern bloß Stoff etwas zu werden, oder auch nichts.
An der Jungfernbrücke kann das dummste ganz herrlich gedeihen; nichts ist zu dumm für solche Kluge, also auch Judenhaß der Art. –
Henriette ist so unvorsichtig gewesen, Brinckmann zu schreiben, daß wir nach Paris gingen. Der hat’s meinem Bruder ganz warm erzählt, und gewiß jedem sonst, der’s hören will. Wie kann man Brinckmann etwas sagen? –
Vom Alarkos wird Ihnen Wilhelm ein Velinexemplar gegeben haben. Ich denke mir, Sie werden ihn noch oft lesen müssen, ehe Sie recht Gefallen daran finden. Daß Ihnen die Lucinde nicht mehr so mißfällt, darauf halte ich recht etwas.
Das republikanische Werk erscheint gewiß nicht vor zwei Jahren, weil’s nicht eher fertig sein kann. Bis dahin finde ich gewiß Duldung. Vielleicht lasse ich’s aber auch dann noch fertig liegen, und warte bis auf einen entscheidenden Moment.
Verlassen Sie mich nicht! Bleiben Sie mit treuem Muthe mir zugethan! – Mit Dorotheens Gesundheit geht’s nur leidlich. – Danken Sie der Gräfin in meinem Namen, sie hat sehr gut gethan. Das Geld geben Sie Schleiermacher, oder wenn dieser nicht da ist, so senden Sie es mit der Post an Doctor B. Vermehren in Jena ohne weiteres. An diesem Gelde hängt mein Heil. –
Friedrich Schlegel.
Abraham ist über Prag von Wien nach Berlin gereist, ohne zu uns zu kommen. Sie müssen die Karte nachsehen, um das in seiner ganzen Unbegreiflichkeit begreifen zu können. Henriette hat ihn davon abgehalten, soviel ich einsehen kann. Ich habe einige merkwürdige Briefe von ihr; es ist ein elendes Wesen, aus Neid und Furcht, aus Eitelkeit und Sünde, aus Lüsternheit, Lüge und Flittertugenden zusammengebacken wie eine Mehlpuppe. –
Ich lege meine gereimten und ungereimten Scherze gegen Schiller hier bei. Er hat es um uns nicht verdient, daß wir ihn schonen. –
Friedrich Schlegel’s Bosheiten gegen Schiller.
Geschritten in die Welt kam Schiller,
Und da ward’s still, und immer stiller.
Erstaunt frug die Natur: „Was will er?“
Und dreimal tönte laut der höchste Triller.
– –
Ach wie gefällt die Glocke dem Volk und die Würde der Frauen!
Weil im Takte da klingt alles was sittlich und glatt.
– –
Welches Schicksakel! Es heißt Piccolomini; dennoch ist keiner
Pikol uomo so sehr, als der es pickelte selbst.
– –
Wallenstein hast du, die Stuart sodann zu Dramen geschichtet,
Mach nun den Robinson auch sauber zum tragischen Stück.
– –
Schick dein Schicksal in die Saale!
Es gereicht uns nur zur Quale.
– –
  • Schlegel, Friedrich von  Gesundheit  erfragen  Varnhagen, Rahel
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Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 1. April 1802
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Rahel Varnhagen ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 345‒346.
Language
  • German

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