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Friedrich von Schlegel to Friedrich Wilmans

Paris. Den 13ten August 1802
Werthester Freund,
Sie werden vielleicht diese Ankündigung schon eher erwartet haben. Es schien mir aber einestheils noch nicht so eilig damit, und dann war ich unglaublich beschäftigt, so daß ich fast gar nicht zum Briefschreiben gekommen bin. Ich habe eingesammelt wie die Bienen, ich habe schon sehr viel gesehen und genutzt, und eigentlich bis jezt nur für meine Wißbegier und unser Journal gelebt. Sie sehen ich habe die Ankündigung sehr sehr einfach eingerichtet, ich glaubte durchaus daß sei der rechte Ton und ich hoffe Sie werden zufrieden damit sein. – Der Inhalt der ersten beiden Stücke wird sehr mannichfaltig sein. Es wird im ersten meine Reisebeschreibung enthalten sein, dann Artikel über die Gemählde hier über die Statuen, das Theater pp. auch erwarte ich einen angenehmen Beitrag von der unterhaltenden Art zur Beschreibung der hiesigen Gesellschaft und Sitten von einer jungen Dame die schon lange genug hier ist, um Paris etwas besser zu kennen als ich. Ich zweifle nicht daß diese Mannichfaltigkeit eine gute Wirkung thun wird; ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich es wünsche daß es mir gelingen möchte, diesem Journal eine dauernde Existenz und recht viele Leser zu verschaffen. Man kann durch ein Journal so manches wirken, was kein einzelnes Werk hervorbringt. Die vorzüglichsten Journale wie die Horen, Propyläen, selbst das Athenäum haben sich nicht halten können, oder haben doch nur ein sehr kleines Publicum gehabt. Ich hoffe aber, auf dem ganz neuen Wege den ich jezt einschlage, soll es gelingen.
Das Mscrpt erhalten Sie gewiß vollständig zur bestimmten Zeit; aber dann schicken Sie mir auch recht bald wieder neues Geld, werthester Freund. Alles andre ist hier gut und angenehm für einen Fremden; nur muß man immer Geld haben, und wer auch noch so reichlich gerechnet hatte, findet doch bald daß es noch viel zu wenig war. Im Anfange, in der Lage worin ich jezt noch bin, ist dieß um so unangenehmer, da ich hier durchaus in dieser Rücksicht allein bin, und im Nothfalle auf niemanden rechnen kann; weshalb ich heimlich hoffen muß, daß meine Freunde in Deutschl. mich nie in diesen kommen lassen werden.
Könnten Sie vielleicht von einigen poetischen Kleinigkeiten Gebrauch machen zu Ihrem Allmanach, so melden Sie mir gütigst den äußersten Termin, das Clima ist zwar nicht sehr günstig indessen haben wir doch beide schon, so wohl ich als meine Frau, einige Kleinigkeiten hier gedichtet.
Ich bin so frei, Sie um einige Bücher zu bitten. Ich wünschte 6 Exemplare meines Alarkos zu haben; ich bitte aber darauf sehen zu lassen, daß es Exemplare wo das Druckfehlerverzeichniß angefügt ist, sonst sind die Ex. unvollständig und unbrauchbar, weil unter den Fehlern eine ganze Stelle ausgelassen ist. Ferner bitte ich um Myllers Sammlung altdeutscher Gedichte in 2 Quartbänden. Beides wünschte ich gern sehr bald zu haben; doch muß es freilich eine Gelegenheit sein, die nicht gar zu theuer ist.
Für den übersandten Brief danke ich recht sehr. Mich wundert fast, daß ich nicht schon mehr von Ihnen erhalten habe.
Es versteht sich daß wir bei der Erscheinung des ersten Stücks der Europa noch eine Ankündigung oder vielmehr Inhaltsanzeige geben. –
Von HErn Franz Brentano bitte ich gelegentlich in meinem Namen das bewußte nicht mehr gültige Papier zurükzuverlangen. –
Der Doktor Buch hat wahrscheinlich eine Auslage von ungefähr 5 Carolin für mich gehabt; sollte er mit Ihnen davon reden, so sind Sie wohl so gütig, gelegentlich noch diese kleine Auslage für mich zu übernehmen. Kennen Sie ihn, so bitte ich ihn aufs freundschaftlichste zu grüßen und zu fragen ob er meinen Brief von hier aus erhalten habe.
In den günstigsten Nebenstunden arbeite ich an einer Sammlung von Romanzen aus der alten orientalischen Fabel und Geschichte; die ich dann unter diesem Titel in Masse geben will. Hätten Sie dazu in der Folge wohl Lust?
Nun noch einen Vorschlag. Es war ein alter Wunsch von mir, eine vollständige Ausgabe von Winkelmanns Werken veranstalten zu können dergl noch nicht existirt und doch sehr nothwendig wäre. Hier ist dieser Wunsch von neuem erwacht, und gewiß ist es daß ich hier diesen Gedanken am besten ausführen könnte, da ich die meisten der Antiken vor Augen habe, von denen W. spricht. Denn es versteht sich daß ich durch Einleitung und Anmerkungen die Pflicht eines ordentlichen Herausgebers erfüllen würde. Wären Sie wohl geneigt, den Verlag davon zu übernehmen? – Von nicht so großem Umfang und wie ich glaube von fast sicherm merkantilischem Erfolg wäre eine andre Unternehmung, die ich auch schon lange im Sinne habe – eine Auswahl aus Georg Forsters Schriften (auf Deutsche Art und für Deutsche dasselbe was bei den Franzosen und Engländern so gewöhnlich ist, den esprit oder die beauties eines Schriftstellers zu geben.) Man müßte aus den fünf Bänden, die so manches Unbedeutende oder doch jezt nicht mehr Interessante enthalten, etwa einen starken oder zwei ganz kleine machen. – Sie kennen vielleicht meinen Aufsatz in den Charakteristiken über Georg Forster, und so brauche ich nicht mehr darüber zu sagen. – Ganz leicht ist eine solche Auswahl nicht, und wenn ich 1 Carolin für den Bogen fodre, so ist es grade nur so viel als ich in Verhältniß zu der Arbeit fodern muß. Was sagen Sie dazu? Ich würde mich sehr freuen wenn Sie diesen Vorschlag annähmen und noch mehr den in Betreff des Winkelmann. Daß dieser mit meinem Journal in Collision kommen würde brauchen Sie nicht zu besorgen, denn da ich diese beiden Schriftsteller durch und durch kenne und sehr viel gelesen habe, so habe ich den größten Theil der Arbeit die es jeden andren, der dieß Geschäft unternehmen wollte – wenn er auch fähig dazu wäre – doch noch kosten würde, schon vollendet.
Sind Ihnen diese Vorschläge und überhaupt eine weiter ausgebreitete Verbindung mit mir willkommen, so haben Sie zugleich Gelegenheit mir einen großen Freundschaftsdienst zu leisten, wenn es Ihnen möglich sein sollte mir auf jene Unternehmungen einen Vorschuß von 30 oder 40 Ldrs. zu übermachen; denn in der That ist der Fall, von dem ich vorhin sprach, daß ich in demselben auf meine deutschen Freunde rechnen müßte, eigentlich schon eingetreten. Unangenehme und sehr unerwartete Verhältnisse in meiner Familie von Seiten meiner Frau haben einen großen Strich durch meine Rechnung gemacht. Ich konnte das nicht voraussehn; ich bin in Verlegenheit trotz aller Vorsicht. Sie wissen was das in Paris heißt, in dieser großen Menschenwüste und werden gewiß thun was Sie können.
Ich hoffe Sie sind mit Ihrer lieben Frau wohl und vergnügt in der geliebten Vaterstadt und haben sich schon nach Wunsch eingerichtet.
Leben Sie recht wohl. Ihre Antwort erwarte ich recht bald. Vergessen Sie die erbetenen Bücher nicht.
Ganz der Ihrige
Friedrich Schlegel.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 13. August 1802
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Wilmans ·
  • Place of Dispatch: Paris · ·
  • Place of Destination: Frankfurt am Main · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil (Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 14‒17.
Language
  • German

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