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Dorothea von Schlegel, Friedrich von Schlegel to Helmina von Chézy

Mittwoch – 25ten August
Wie geht es Ihnen Liebe? Kommen Sie noch nicht einmal wieder nach Paris? ich kann es Ihnen zwar gar nicht verdenken daß Sie Versailles vorziehen. Glücklich wer einen Garten hat, und einen Park, und keine marchands durch die glühenden Straßen heulen hört; Aber so gern ich Ihnen das gönne, so möchten wir Sie doch gerne sehen, das ist gewiß. – Den schönsten herzlichsten Dank meine liebe thätige Freundin für Ihren Rath, Ihre Mühe, und Ihre Theilnahme. Wir müßen uns mündlich über manches naher erklären. Es ist alles so gut, und so passend ausgedacht! Keine unsrer hiesigen Bekannten hat uns noch so gründlich gerathen, und sich so vortref lich in unser Bedürfniß hinein gedacht – Bleiben wir in Paris, so soll alles so werden wie Sie es wollen, denn mann kann nichts beßers wollen. Nur können wir nicht so gleich auch Hand ans Werk legen. Denn erstlich, so ist unser längerer Aufenthalt in Paris wieder zweifelhaft geworden, es muß sich in kurzer Zeit manches darüber entscheiden; zweytens ist uns unsre Hauswirthin, und ihre Bekanntschaft noch wichtig zu unterhalten, weil sie in der Lage ist, uns theils angenehme, theils wichtige Bekanntschaften zu verschafen; und zuletzt – um recht aufrichtig zu seyn, möchte ich nicht gern allein, ohne eine Freundin mich in einem Hauswesen einlassen. Ich kenne es wenig hier, man würde mich auf tausend Weisen betrügen – und auch ohne dies, ich würde mich traurig und verlassen fühlen; und tausend Sorgen würden mich bestürmen. Hätte Ihre Lage es möglich gemacht, daß wir uns zusammen eingerichtet hätten – daß wäre freilich ganz etwas anders! Wir hätten sehr viel hübsches zusammen ausdenken und ausrichten wollen Liebe! Doch es sollte nicht seyn! – Wir selber sind noch nicht mit uns einig ob wir besser thun in Paris zu bleiben, oder uns irgendwo anders hinzuwenden, wo man das bloße Leben nicht so theuer erkaufen muß. Nach Ihrer Rechnung freilich, ist es so wie man kaum auf dem Lande wohlfeiler leben kann, und es ist auch gewiß ausführbar hier so oekonomisch zu leben; dann müßte man sich aber alles eigentlichen Genußes entschlagen, ganz auf sein Zimmer eingeschränkt leben, keine Gesellschaft sehen; und doch müßen wir um den Zweck zu erreichen den wir uns vorgesetzt, Bekanntschaften machen. Doch ließe alles das sich gut einrichten, wenn wir mit lieben Freunden zusammen seyn, wenn uns der häußliche Zirkel, und ein gemeinschaftliches Leben und wirken Lust und Muth zu Entbehrungen verlieh. Können wir aber Nichts von allem dem, so sehen wir nicht eben ein warum wir nicht einen Ort aufsuchen sollen, wo uns wenigstens der Genuß einer schönen Natur bleibt – kurz wenn keiner unsrer Absichten, und Aussichten uns in Paris gelingen will, und soll; so haben wir beyde gar nicht Lust darin zu bleiben. So einzig pour l’amour de se beaux yeux, ist uns Paris nicht hübsch genug. Bleiben wir aber dennoch, so soll alles werden wie Sie gesagt haben.
Lassen Sie uns auch nun wieder von sich hören Liebe, welcher Weltgegend Sie sich zuwenden da auch uns die ganze Welt offen stehet, so kann es leicht kommen daß wir uns wieder begegnen. – Sind Sie wieder gesund? Ich beschwöre Sie, brauchen Sie keinen Pariser Arzt; wenn Sie die Hülfe eines Arztes brauchen, so laßen Sie sich den Doctor Harbauer kommen; das ist ein sehr gescheuter Arzt, der lange auf deutschen Universitäten studirt hat. Bey Ihrer Jugend thun Sie aber am besten, wenn der Fall nicht dringend ist, gar niemand um Rath zu fragen; und nur sich ja nicht zu sehr durch rafraichissements, die man in Paris zu sehr liebt, schwächen. Verzeihen Sie mir Liebe aber ich habe so traurige Erfahrungen unter der übeln Behandlung der Aerzte gemacht, daß ich jedesmal zittere wenn ich höre daß eine Freundin nicht wohl ist. Werden Sie ja wieder gesund; Seyn Sie bald recht glücklich, gern will ich es hören, sollte auch dieses Glück Sie wieder weit von uns fortziehen.
– Leben Sie wohl und bleiben Sie uns gut.
Ihre Dorothea S.
Liebe Hätten Sie Lust, den dramatisirten Roman von Lacretelle für uns zu übersetzen? es wird Ihnen nicht schwer werden es wäre allenfalls eine Arbeit in Nebenstunden. Wenn Sie ihn wollen, so schicken wir ihn Ihnen sogleich. 
[Friedrich Schlegel:]
Wann eher erhalte ich die versprochenen Beiträge zu meinem Journal; und wann eher werden wir Sie selbst wiedersehen? – Ich grüsse Sie aus rechtem Herzensgrunde, und bitte um ein freundliches Andenken.
Friedr. S.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 25. August 1802
  • Sender: Dorothea von Schlegel · , Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Helmina von Chézy ·
  • Place of Dispatch: Paris · ·
  • Place of Destination: Versailles · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil (Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 18‒20.
Language
  • German

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