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Friedrich von Schlegel to Ludwig Tieck

Paris den 13ten Septemb 1802.
Herzlich geliebter Freund, wie viele Briefe würdest Du schon von uns erhalten haben, wenn wir Dir jedesmal geschrieben hätten, da wir mit Liebe und Sehnsucht an Euch dachten. Ich fühle es recht tief, wie Du mir fehlst, fühle es unter den Zerstreuungen, Beschäftigungen, Sorgen und Neuigkeiten immer gleich. Es hat aber mehr die Wirkung daß ich täglich mit dem gleichen Ernste darauf sinne, wie wir eine Lage gewinnen könnten, daß wir uns nachher nie zu trennen brauchten, als daß es mir möglich wäre, Klagen zu führen, die bei einer so bestimmten und deutlichen Sehnsucht keinen Trost gewähren.
Ich werde Dir daher auch heute nur recht trocken Nachricht vor mir geben; ich wollte Dir schon vorlängst einen Brief über die Gemählde schreiben. Aber Du findest das alles aufs ausführlichste in der Europa; Du wirst das erste Stück davon zu Neujahr gewiß in Händen haben; es ist fast ganz an Dich gerichtet wenigstens in Gedanken. Die Katalogen sollst Du mit Gelegenheit haben, und in meinem nächsten Briefe auch Nachricht von den altdeutschen und provenzalischen Mscrpt.
Lieber Freund, es sind ungeheure Quellen und Hülfsmittel hier; ein Reichthum von orientalischen Mscrpt über den selbst die erstaunen, die von Benares kommen. 1800 Persische Mscrpt und fast eben so viel Samskrit. Ich habe große Lust beides zu lernen – aber freilich müßte man eigentlich eine Regierung dafür interessieren können. Ich will sehen was ich vermag. Ich fühle mich unglaublich nach dem Orientalischen gezogen. Was machen Deine Nordischen Studien? – Ich überzeuge mich immer mehr, daß der Norden und d. Orient in jeder Hinsicht, moralischen und historischen Rücksicht die guten Elemente der Erde sind – daß einst alles Orient und Norden werden muß; und ich hoffe unsre Bestrebungen, sollen sich von dsn beiden Seiten her begegnen und ergänzen; so daß auch in unsrem Thun und Werden dieselbe Einheit und Freundschaft ist wie in unsren Herzen. –
An Sorgen und Verdruß hat es uns bis jezt auch hier nicht gefehlt. Den lezten haben uns die Verwandten meiner Frau und besonders Henriette in reichlichem Maaße gewährt, die sich ganz ohne Rückhalt öffentlich als unsre Feindin beträgt.
Meine Aussichten und Absichten sind folgende. Für das nächste macht man mir Hoffnung zu einer Stelle die mich durchaus nicht hindern würde. Mein hauptsächlicher Wunsch ist, die Regierung zu bewegen, daß sie hier eine Deutsche Akademie, ein Deutsches Nat. Institut errichte; es wird dazu wohl gut sein daß ich ein philosophisches Werk französisch schreibe. Ich habe schon einen kleinen Versuch gemacht und führe es vielleicht noch diesen Winter aus. Vielleicht kann mir auch das Persische und Indische ein Mittel an die Hand geben, eine Zeitlang zu subsistiren und eine Regierung zu etwas ordentlichem zu bringen. – Es wird schon gehen vor der Hand wenn gleich nicht ohne Noth; und ich habe doch mehr als eine Hoffnung, daß wir bald werden ungetrennt zusammen leben können. Alles dieß darf niemand von den Deutschen Freunden wissen, ausser Charlotte. Grüße Sie herzlich Theile ihr aus diesem Briefe mit, und frage Sie ob sie zwei Briefe von mir erhalten hat.
Mahlmann hat meine alte Idee, Lessings philosoph. Schriften zu ediren angenommen Es macht mir eigentlich große Freude, dem Volke dsn. Possen spielen zu können. Ich bitte Dich aber, es ja nicht weiter auszubreiten, sonst möchte d. alte Verlagshandlung versuchen uns zuvor zu kommen.
Meine Frau grüßt Euch herzlich. Es ist ein Brief von ihr an Malchen unterwegs, der aber wohl später ankommen wird als dieser. Wir grüßen Marien herzlich. Was macht Doroth[ea?]
Friedr. Schl.
Wärest Du hier, wir hätten uns schon todt gelacht über die Franzosen. An sich ist aber der Untersch[ied] wahrlich gar nicht so groß als man ihn denkt. David ist der greulichste Schmierer den man den[ken] kann.
Freund ich mahne nicht wegen des Novalis. Aber Du weißt mit welcher Sehnsucht, ich ihm entgegen sehen muß. Ist der Oktan. fertig? Bücher schickst Du an Wilmans in Frankfurt am Mayn?
Noch eins – woran mir sehr liegt. Gieb mir etwas zur Europa; etwas in Prosa über d Norden u das Altdeutsche, oder d. Romanzen wenn Du sie gemacht ha[st] oder was Du [xxxx]
daß Du mir etwas zur Europa gäbest, daran liegt mir sehr viel. Du schickst es dann bloß an Wilmans.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 13. September 1802
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Paris · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil (Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 22‒24.
Language
  • German

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