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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Paris. den 13ten Frimaire.
Dein Brief, geliebter Freund, hat uns herzliche Freude gemacht. Möchte auch Eure Vereinigung nun geschehen sein, und wir die Nachricht davon haben! Ist Eleonore bei Dir, so grüsse sie herzlich u ich hoffe daß Ihr dann meiner zu Zeiten in Freundschaft gedenken mögt.
Daß Du den Parmenides nun auch für ein Bruchstück erkennst, ist mir unendlich lieb. Das Factum ist mir vor der Hand das wichtigste, Du willst ihm eine Erklärung geben, zu der ich wenigstens bis jezt keinen Beweis gefunden; aber als Kritiker bin ich schon mit jener Einstimmung völlig befriedigt. Für den Timaeus ist mir Deinige gleichfalls gewiß. Laches und Charmides sind sehr schöne und sehr platonisirende Schriften (wie auch Νομοι, Gorgias und Symposion) und man kann sie alle leicht für Platonisch halten, was ich jedoch nie thun werde. Das Du aber das schlechtere Machwerk des Meno und Euthydemus bei fernerm u allgemeinerem Lesen des Plato ächt halten solltest, ist mir nicht glaublich. Ich werde Deine Anführungen dafür indessen nachprüfen; erleichtert hättest Du’s mir wenn Du die Stellen, da es doch Stellen sind, bestimmt citirt hättest; denn da ich den Plato hier noch einmal ganz, und mehre von diesen Dialogen grade 2 ja 3mal gelesen habe, ists hart daß ich noch einmal anfangen soll. – Von Frommann hab’ ich eben Briefe; er hat noch Geduld, und ich muß Dir sagen, ich glaube nicht, daß er selbst die Absicht gehabt hat, den ersten Theil eher als zur O.M. 1803 zu geben; gegen die M.M. hatte er es immer für dses Werk. Es bleibt also bei unserm gemeinschaftlichen Unternehmen, Ihr müßtet es denn anders wollen, in welchem Falle ich mich Eurer u der Götter Entscheidung unterwerfe. Wie ist es aber nun? Da Du jezt selbst eine bestimmte andre Ansicht hast, wirst Du Dir meine Ordnung gefallen lassen können? – Mich wundert, daß Du die beiden kleinen Einleitungen noch nicht hattest da Du schriebst, sie sind schon sehr lange abgesandt; die große hast Du nun wohl auch, wie wohl auch diese nur intensiv groß ist.
Du fragst nach meinen andern Arbeiten, nach der Encyclopaedie? – Das ist eben die Europa, wenn gleich vor der Hand nur in fließender progreßiver Gestalt. Für Physik habe ich sehr gute Mitarbeiter. Wie ungern ich Deine Mathematik entbehre, kann ich nicht sagen. Ich hoffe immer noch, daß der 2te Theil des Novalis Dich dazu erregt. – Ich habe aber noch einen andern Vorschlag zu thun; in einem solchen Journal sollte eigentlich wahre Zeitgeschichte nicht fehlen; die muß aber nach den jetzigen Zuständen durchaus in exoterische und esoterische zerfallen; und die lezte möchte ich von Dir haben – Monologen in der Person des Zeitaltersmoralische Geschichte der Sitten, des moralischen Zustandes u der moral Begriffe (Sitten, Geselligkeit vor allem, und selbst Verkehr, Gewohnheiten, Gewerbe in so fern der sitt Einfluß hier merklicher ist, als der der großen polit Begebenheiten) – Hab’ ich Recht so wirst Du selbst besser wissen was ich begehren will als ichs zu sagen weiß. – Daß es mir außerdem auch äusserst erwünscht sein würde, wenn Du mir etwas Transcendentales geben wolltest, oder lieber gleich das ganze Fach kritisch oder polemisch oder selbstbildend übernehmen; das versteht sich. Ja auch andres Kritisches würde mir lieb sein; die Erlanger sind ja todt; wo ist denn nun die Rec des Alarkos geblieben? – Auch bitte ich ausdrückl. um eine räsonnirte nicht gar zu kurze Inhaltsanzeige der Kritik der Moral. Ich denke es wäre Zeit daß die Schriftsteller durch dse Maaßregel die Recen vernichteten. Ich wünschte die Europa dazu brauchbar zu machen.
Friedrich
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 4. Dezember 1802
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Paris · ·
  • Place of Destination: Stolp · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil (Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 55‒56.
Language
  • German

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