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Johann Gottlieb Fichte to Johann Caspar Lavater

HochEhrwürdiger,
Höchstzuehrender Herr Pfarrer,
Eine kleine Unpäßlichkeit vereitelte meine Hofnung Ew. Hochwürden gestern in der Gesellschaft zu sprechen. Ich nehme mir also die Freiheit Ihnen schriftlich zu sagen, was ich Ihnen mündlich zu sagen wünschte. Mad. Titot ist auf ausdrüklichen Befehl der Herzoginn hier, und hatte, bestimmt zu dieser Reise, Reisegeld, und den Auftrag erhalten den Brief der Herzoginn Ihnen selbst einzuhändigen.
Ich darf Ew. Hochwürden in Beurtheilung der Absichten, die Sie dabei haben könnte, nicht vorgreifen. Sie sowohl, als Ihr Gemahl hatten die verdienteste ausgezeichnetste Achtung für Deroselben Empfehlung gezeigt, [/] und besonders in dieser Rüksicht alles für sie zu thun versprochen: wie wenn Sie bei der Reise der Titot unter andern den unschuldigen Wunsch gehabt, daß Ihnen diese Achtung durch sie selbst bekannt gemacht würde?
Der Herzog, und die Herzoginn haben der Titot die thätigste Unterstüzung versprochen. Diese leztere hat ihr unter andern, nachdem sie sie gefragt, wie viel sie zum Leben brauche? – untersagt, in Condition zu gehen; woraus, däucht mich, alles folgt. Was nach Erhöhung ihrer Pension noch zu ihrer Subsistenz fehlt, will Sie selbst aus Ihrer Schatulle ergänzen. Es ist natürlich, daß Sie vorher alles aufbietet, um ihr anderwärts her Unterstüzung zu verschaffen.
Ob Ew. Hochwürden bei dem Herrn Marggrafen von Durlach Ihren Credit dahin verwenden wollen? – wer dürfte es wagen Sie darum weiter zu bitten, wenn Sie es nicht für gut finden? Aber es scheint, daß die Herzoginn noch einiger Schonung [/] bedarf, um im Intereße der Frau Titot, das Sie auf Ihre Empfehlung mit so viel Wärme nahm, erhalten zu werden; und ich weiß, daß Ew. Hochwürden das edle Werk, einer Unglüklichen, die in ihrem Leben die Schläge des Schiksals hart trafen, ein ruhiges Ende zu versichern, nicht halb thun werden. Hat die gute Frau nicht immer Weltklugheit genug, so ist sie doch gewiß ehrlich, und wahr; und im gegenwärtigen Falle konnte sie, wie mir’s scheint, nicht anders handeln, als sie handelte.
Haben Ew. Hochwürden Aufträge an sie, und Sie wollen mich derselben würdigen, oder wünschen Sie noch Aufschlüße, die sie Ihnen vielleicht nur verworren gegeben hat; so werde ich Ihnen aufwarten, so bald Sie erlauben, und darf in ihrem Namen die genaueste Folgsamkeit versprechen.
Ich bitte um die Verzeihung, die ich, wegen der vielleicht sehr unschiklichen Freiheit, die ich mir nahm, bedarf, und bin mit der wärmsten Dankbarkeit für das, was Sie für diese Person schon haben thun wollen, und mit der vollkommensten Hochachtung
Euer Hochwürden
gehorsamster
Fichte
Sr.
des Herrn Pfarrer Lavater
Hochwürden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 27. Februar 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johann Caspar Lavater
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Zürich · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 54‒55.
Manuscript
  • Provider: Zentralbibliothek Zürich
  • Classification Number: FA Lav. Ms. 508.86
Language
  • German

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