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Johann Gottlieb Fichte to Johann Caspar Lavater

HochEhrwürdiger
Höchstzuehrender Herr Pfarrer,
Nur das beständige Andenken an Ihre herzliche Güte konnte mich so kühn machen, Ihre Geschäfte auf einen Augenblik zu unterbrechen.
Ich bin nach einer sehr angenehmen, und intereßanten Reise von 6. Wochen hier angekommen. Herrn Herder in Weimar habe ich nicht sehen können, weil er krank war; ich habe aber den Brief, den Sie so gütig waren mir anzuvertrauen, übergeben laßen. Herr Lips hat mir viel Güte erwiesen. Auch das danke ich Ihnen. Herrn von Göthe aber habe ich nicht angetroffen, weil er, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, nach Italien, der verwittweten Frau Herzoginn von Weimar entgegen gereis’t ist. [/]
Mein Hauptzwek, den ich mir vorgesezt hatte, kann vor der Hand nicht erreicht werden, wie freilich auch eigentlich nicht zu erwarten war, und ich finde würklich hier nichts für mich zu thun, als schriftstellerische Arbeiten. Herrn Weise, der so gütig sein wird, mich dabei zu leiten, und zu empfehlen, spreche ich erst morgen, weil er bis jezt auf dem Lande war.
Ich habe es nie gern wagen wollen Sie, theuerster Herr Pfarrer, um die Verwendung Ihres Kredits für mich zu ersuchen, weil ich mir nicht schmeicheln konnte Ihnen von so einer Seite bekannt zu sein, daß Sie es gern thun würden, und weil ich Sie viel zu sehr ehrte, und, wenn ich’s sagen darf, liebte, um Ihre Herzensgüte durch ungestüme Zudringlichkeiten zu quälen. Jezt ersuche ich Sie, wenn Sie bei Ihrer ausgebreiteten Bekanntschaft mit den ersten Deutschlands von etwas hören sollten, das in mein Fach einschlägt – Erziehung eines Großen mit anständigen Bedingungen und Aussichten, oder Führung eines jungen Herrn auf Akademien, und Reisen, – meiner gütigst zu gedenken. [/]
Die gute Titot, welche wieder sehr krank gewesen ist, wie ich höre, es vielleicht noch ist, leidet viel. Ich habe es gewagt ein paar Zeilen an die Herzogin zu Ihrem Vortheil zu schreiben. Ihr Lector versprach mir im Namen derselben Antwort. Ich gab Herrn Weisens Addreße. Noch weiß ich nicht, ob vielleicht eine angekommen ist. Wenn doch nur dieser Person könnte geholfen werden!
Sie selbst um ein paar Zeilen Antwort zu bitten, wage ich nicht; aber es wird meinem Herzen sehr angenehm sein, wenn Sie mir durch Herrn Achelis wollen sagen laßen, daß Sie sich meiner noch gütig errinnern, und daß Ihnen die Freiheit, die ich mir genommen habe, nicht entgegen ist.
Ich empfehle mich Ihrem gütigen Andenken, und bin mit der vollkommensten Hochachtung
Euer Hochwürden
ganz gehorsamster
Fichte.
Leipzig,
d. 14. Mäi. 1790.
Sr.
des Herrn Pfarrer Lavater
Hochwürden
d. Einschluß
in
Zürich.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 14. Mai 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johann Caspar Lavater
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Zürich · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 107‒108.
Manuscript
  • Provider: Zentralbibliothek Zürich
  • Classification Number: FA Lav. Ms. 508.88
Language
  • German

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