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Johann Gottlieb Fichte to Hermann von Callenberg

An H. Graf. Callenberg. –
Die gnädige Zuschrift, mit der Ew. mich beehrten, habe ich erst seit kurzem empfangen, weil ich durch einen ziemlich[en] Theil der Schweiz, u Deutschlands sehr langsam gereiset, u. erst seit einigen Tagen in Leipzig angekommen bin – u. H. Weisen mein Logis nicht bekannt gewesen war. Es würde mich unendlich beschämen, wenn ich durch eine Nachläßigkeit von meiner Seite an dem seltsamen Postcursmisverständniße Schuld hätte, der Ew. aus einer so außerordentlichen Gnade, u. Herablaßung gegen mich, unangenehm ist, durch eine Nachläßigkeit von meiner Seite die geringste Schuld hätte: Ich hatte den Brief in Ein<schluß> an einen Correspondenten in Dreßden, mit hinlänglicher Instruction geschikt, welcher mir bald darauf nach Zürich meldete, er habe ihn H. Secretair Berger, zur Bestellung an Herrn AccesEinnehmer Berger in Muskau übergeben. Entweder dieses ist nicht richtig, oder der Brief ist von Mußkau aus erst fehl gegangen, ohnerachtet eben dieses Misverständniß die Gelegenheit ward, einen neuen so rührenden Beweiß von Ew. gnädigen Gesinnung gegen mich zu bekommen; einen der edelsten Züg[e] ihres Charakters in einem so neuen Lichte z[u] <Augen> zu stellen.
Ich habe mancherlei Bekanntschaften gemacht, habe aber vor der Hand noch keine gewiße Aussicht wie ich sie wünschte. Ich werde, bis sich eine finden könnte, warscheinlich in Leipzig bleiben. Es ist wahr, daß [die] Führung der ersten Jugend nicht die Bestimmung war, die ich noch weiter wünschte nicht wegen der Sache an sich, die eine der wichtigsten, u. vielleicht die intereßanteste ist, die ein Mensch haben kann, sondern weil Häuser, wie die, davon Ew. abstammen, so selten, u. Mütter, wie diejenige, die Euer Nichte ist, so einzig sind. Ich weiß, daß ein Mann, den ein solches Haus gewählt hat, gewiß weit mehr Verdienste haben wird, als ich vielleicht je erlange; und wünsche mit der Dankbarkeit, die mir Ew. einflößen, daß in Dero gräfl. Enkel ein Mann erzogen werde, der einst Ihren späten Verlust ersezen könne.
Vorkommenden Falls werde ich mit der Zuversicht, die ich Ew. als den einzigen Dank geben kann, Ew. um Dero gnädige Empfehlung bitten, u. bis dahin Dero gnädiges Schreiben nicht nur als ein Zeugniß Ew. gnädigen Gesinnungen von mir, sondern auch nie vergeblich als eine Aufmunterung, als eine kräftige Stärkung brauchen, ihrer immer weniger unwürdig zu werden.
Ich bitte Ew. die Versicherung der tiefsten Hochachtung, u. der vollkommensten [ . . . ] gnädig anzunehmen mit der ich bin.
  • Fichte, Johann Gottlieb  Briefsendung  danken  Callenberg, Hermann von
  • Fichte, Johann Gottlieb  sich entschuldigen  Callenberg, Hermann von
  • Fichte, Johann Gottlieb  loben  Rantzau, Charlotte Henriette Susanne zu
  • Fichte, Johann Gottlieb  Vermittlerdienste  erbitten  Callenberg, Hermann von
  • Fichte, Johann Gottlieb  wertschätzen  Pückler-Muskau, Hermann von
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 20. Mai 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Hermann von Callenberg ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Bad Muskau · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 124‒125.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 28
Language
  • German

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