Leipzig, d. 20. Jun. 90.
Liebste Eltern,
Ich bin seit 6. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn Gelegenheit, keine Zeit hatte.
Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und angenehm gereißt: habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen gelernt. Jetzt habe ich keine bestimmten Aussichten: Hofnungen und Versprechungen genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden; sobald ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in Leipzig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so würde ich die vortheilhaftesten Anträge ausschlagen.
Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern; sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an einen Hof. – Sollte dies etwa Jemand nicht begreifen können: so – wundert mich das nicht. Wenn ich es nur begreife.
Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als je, mein Freund. Der Hr. von Miltitz ist gut auf mich zu sprechen. Ich wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen – und mit großen Personen.
Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu verlieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. – Er hat recht; aber ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen.
Den gewöhnlichen Weg schleichen – mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es nicht kann.
Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu glauben, daß ich unverändert bin
Ihr
gehorsamer Sohn Gottlieb.
P. S. Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich schike ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die Post. – Aber über 1 Gr. 3. Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von Dreßden.
Liebste Eltern,
Ich bin seit 6. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn Gelegenheit, keine Zeit hatte.
Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und angenehm gereißt: habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen gelernt. Jetzt habe ich keine bestimmten Aussichten: Hofnungen und Versprechungen genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden; sobald ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in Leipzig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so würde ich die vortheilhaftesten Anträge ausschlagen.
Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern; sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an einen Hof. – Sollte dies etwa Jemand nicht begreifen können: so – wundert mich das nicht. Wenn ich es nur begreife.
Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als je, mein Freund. Der Hr. von Miltitz ist gut auf mich zu sprechen. Ich wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen – und mit großen Personen.
Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu verlieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. – Er hat recht; aber ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen.
Den gewöhnlichen Weg schleichen – mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es nicht kann.
Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu glauben, daß ich unverändert bin
Ihr
gehorsamer Sohn Gottlieb.
P. S. Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich schike ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die Post. – Aber über 1 Gr. 3. Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von Dreßden.