Single collated printed full text with registry labelling
TEI-Logo

Johann Gottlieb Fichte to Christoph Gottlob von Burgsdorff

An Burgsdorf.
Ich kann es meinem Herzen nicht länger versagen Ew. Excellenz für die unerwartete Gnade, mit der Dieselben meinen Brief, meinen geringfügigen Aufsaz, u. mich selbst aufnahmen, <nochmals meinen untertänigsten> Dank darzubringen.
Möchte ich nur dieser Gnade nicht misbrauchen, wenn ich es wage, Ew. Excellenz, meine fernern Entschließungen u. Bitten vorzutragen.
Studium der Claßiker schien mir immer den Geist zu bilden, zu nähren, und, von andern Beschäftigungen abgespannt, zu stärken; vielleicht aber traute ich mir zu viel zu, wenn ich glaubte, es allein sei zu unwichtig, um ein Menschenleben auszufüllen. Ich wünschte zu würken, so viel ich nur irgend könnte. Die Laufbahn eines academischen Docenten hat in unsern Landen für einen Menschen, der ganz ohne eignes Vermögen ist, Schwierigkeiten, die ich mir nicht zu überwinden getraute. Ueberdies scheint es mir weit mehr solcher Männer zu geben, die trefliche Schulleute u. Profeßores machen, als solcher, die, in einem nur etwas erhabneren Sinne des Worts, gute Prediger sein werden; u. ich, der ich befürchten müste, auf dem Catheder unter, oder bei der Mittelmäßigkeit stehen zu bleiben, hofte, auf der Canzel sie vielleicht zu übertreffen, mir selbst bewust übrigens, daß ich ohne Partheilichkeit mit dem reinsten Wunsche Wahrheit zu finden, forschte: war ich es von der Güte Gottes überzeugt, sie werde mich, wenn Sie mich auf dem Irrwege fände, nicht immer auf demselben laßen. Dies waren die Gründe, die mich für die Canzel bestimmten
Nun aber ist Vaterland mir kein leerer Name, Ich bin nicht nur überzeugt, daß jeder schuldig ist seine Kräfte dem Staate zu widmen, in dem die Vorsehung ihn gebohren werden ließ, solange dieser einen Gebrauch davon machen will; sondern auch, daß er schuldig ist, die Winke dieses Staats für seine Bestimmung zu erwarten. In meinem Fache sind Ew. Excellenz mir heiliger Repräsentant des Vaterlands. Ich erwarte also mit der ruhigsten Gelaßenheit sowohl die Winke, deren mich Ew. über meine Bestimmung würdigen könnten, u. wage es in dieser Absicht etwas humanisches beizulegen, um es auch hier ganz in Deroselben eigne Erkenntniß zu sezen, ob ich etwa in diesem Fache zu brauchen sein könnte, als den Entschluß, ob, u. auf welche Art es Ew. gefallen wird, mich im Namen des Vaterlands zu unterstüzen. Sollte mir, als ich das Glük hatte Ew. aufzuwarten, ein zweideutiger Ausdruk entschlüpft sein, als ob ich vor andern voraus auf Ew. Gnade, u. Unterstüzung rechnete, so habe ich das gewiß nicht so gemeint. Ich danke der Vorsehung, daß sie meinem Vaterland in Sachen der Gelehrsamkeit einen Aufseher gab, bei dem außer Verdiensten, oder der Anlage, einst welche zu erwerben, nichts gilt; u. es würde mich freuen, wenn Sachsen lauter geschiktere junge Menschen, u. diese in so einer Anzahl hätte, daß ich dadurch ganz unbrauchbar würde. Ich würde dann, so gut als möglich, mich in das Schiksal, zu Grunde gehen zu müßen, zu schiken suchen. [/]
Aber eine andere Bitte wage ich, nicht an den Representannten des Vaterlands, sondern an den erhabenen Menschenfreund, als PrivatPerson. Ich glaube daß das Misvergnügen der Fr. v. Miltiz gegen mich gröstentheils sich auch darauf gründet, daß man mich derselben als einen Menschen geschildert, der nicht nur nichts gelernt habe, sondern auch nicht fähig sei, je etwas zu lernen u. der nie zu brauchen sein werde –/ eine Schilderung die mich wundert, denn nie habe ich bei einem meiner Lehrer, oder soviel ich weiß bei irgend jemand, der mich gekannt hat, in diesem Rufe gestanden – In meinem ehemaligen Betragen bin ich mir allerdings einer Menge Unbesonnenheiten, u. Uebereilungen bewust, aber keiner Bösherzigkeit, u. keines Hauptvergehens. Ich kann aber nicht wißen, was gegen mich angebracht worden, denn man hat die Ursache des Misvergnügens gegen mich mir nie mitgetheilt. Ich habe aber der Fr. v. Miltiz schon ehemals, u. wieder neuerlich geschrieben, daß ich sowohl auf Vertheidigung als Entschuldigung gänzliche Verzicht thue, und um nichts bitte, als um Verzeihung, (Mein Betragen die leztern Jahre daher will ich gern der strengsten Prüfung unterwerfen) Sollte ich so glüklich sein, daß Ew. über den <fraglichen> Punct vortheilhafter von mir dächten, so bitte, so flehe ich Dieselben, um meiner Ruhe, um meines Vertrauens auf G. u. Menschen willen der Fr. v. Miltiz eine gnädigere Meinung gegen mich einzuflößen zu suchen. Was mein academisches Betragen anbelangt pp Fernere Unterstüzung v. der Fr. v. Miltiz kann ich mir kaum in meinem Falle hoffen, aber es wäre mir schon das größeste Glük nur eine vortheilhafte Meinung bei ihr zu erlangen.
Dürfte ich, im Fall es Ew. Excellenz gnädigst gefallen sollte, mich der Mittheilung Deroselben Entschließungen zu würdigen, Dieselbe unterthänigst bitten, sie Ueberbringer dieses, mündl zu wißen zu thun?
Erlauben Ew. daß ich mich mit den Empfindungen der innigsten Dankbarkeit, u. der unbegränztesten Hochachtung nenne
Ew
Metadata Concerning Header
  • Date: Juli 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Christoph Gottlob von Burgsdorff ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 149‒151.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 32
Language
  • German

Basics · Zitieren