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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich von Kleist

H. v. Kleist.
Hochwohlgebohrner Herr
Höchstzuverehrender Herr Geheimder Rath.
Hochzuehrender Herr Geheimder Rath.
Ich bin Ihnen für die Gesinnungen, in denen Sie mir eine Abschrift des Briefs des H. Grafen v. Callenberg abverlangten, innigst dankbar. Ich hoffe von eben den gütigen Gesinnungen, daß Sie mir es verzeihen werden, wenn ich Bedenken trage, von einer so großen Güte Gebrauch zu machen. Ich errinnere mich, daß es Ihnen zwar ansteht, Ihre Güte für mich ohne Maas handeln zu laßen, mir aber nicht, so ohne Maas von ihr Gebrauch zu machen; u. daß es Ihnen ansteht, mir vieles anzubieten, was Bescheidenheit mir nicht erlaubt, anzunehmen.
Ich bin weniger besorgt, was der Herr Graf, wenn er erfahren sollte, welchen Gebrauch ich von seinem Briefe <ziehe>, dazu denken würde, – er schrieb mir ihn unter anderm in der Absicht, mir dadurch einen schriftl. Beweiß seiner guten Meinung von mir zu geben, deren ich mich auch gegen andere bedienen könnte, noch was andere, <denen dann seine Worte als von mir herkommende> gezeigt <würden>, denken könnten, sondern was ich selbst von mir denken müste: der wichtigste moralische Maasstab, den ich mir immer vorsezte. – Müste ich mir nicht scheinen, als wenn ich [mir] die zu übertriebnen Lobsprüche, die mir der Herr Graf darinne beilegen, wirklich anmaaßte, mich selbst in dem Lichte erblikte, in dem es dem guten edlen Manne, aus Menschenfreundlichkeit vielleicht gefiel mich zu sehen: u. müste ich mir nicht von einer andern Seite erscheinen, als wenn ich Verzicht thäte, noch jezt den Beifall, u. die Achtung eines Biedermannes erwerben zu können, u. mich in diejenige einhüllen müste, die ich vor mehreren Jahren, vielleicht erschlichen. – Ew. sehen, daß ich bei diesen Empfindungen unmöglich ruhig und vergnügt sein [kann], <wenn> ich selbst Ihre guten Meinungen von mir <bekommen> müste. –
Das, was ein edler Mann, jemandem für den er sich intereßirt anbieten, u. das was die Bescheidenheit, u. Ehre des andern annehmen kann, ist nicht allemal Eins.
Sollten Ew. Gelegenheit finden, mir Bekanntschaften zu verschaffen, mich zu empfehlen, so werde ich mich durch Ihre gute Meinung geehrt genug finden, mir, wo möglich, durch mich selbst, die gute Meinung mehrerer zu verschaffen, u. [gelegenheitlich] zu zeigen suchen, daß auch ehmals schon vortheilhaft von mir geurtheilt ward.
Ich wünsche Ihnen angenehme Reise, wenig Wind, u. viel Vergnügen während derselben, u. werde mich <sehr> freuen, Sie nach Ihrer Rükkehr nach Leipzig gesund, u. wohl wiederzusehn
Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung
Ew.
Metadata Concerning Header
  • Date: Juli 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich von Kleist
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Unbekannt ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 152‒153.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 31
Language
  • German

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