Chorherr Tobler.
Ew. Hochwürden beschämen mich durch Ihre Güte. Schon längst wäre es meine Pflicht gewesen, Ihnen sowohl für die trefliche Bekanntschaft, die Sie mir an Dero H. Sohn verschaft, als insbesondere überhaupt für alle Deroselben mir in Z. bewiesene Freundschaft zu danken. Aber es war Ihnen vorbehalten auch darinne, wie in allem, mich weit zu übertreffen.
Leipzig soll Deutschland’s Athen sein? Nun ja, – dasjenige zu dem Paulus sagt: Ich sehe, daß ihr in allen Stüken abergläubig seid. Im Ernste: L. hat noch immer Gelehrte, die ihm Ehre machen: es hat gute Köpfe, die weniger bekannt sind, aber jenen nichts nach geben: es ist auf den Universitäten, die ich kenne, immer noch die, wo man am meisten Geschmak u. schöne Litteratur mit den solidern Wißenschaften verbindet; aber es ist, als wenn über der ewigen Verfeinerung alle Energie aus den Charakteren aller gebohrnen, oder gemachten Leipziger vertilgt wäre; daher die Schleicherei, die Accommodation an bejahrte Systeme, die man fast in allen Büchern auch unsern besten Gelehrten anmerkt. Man sagt: es ist gefährlich mit der Sprache gerade heraus zu gehen; – u. eben durch diese Furcht wird es gefährlich. Wenn alle academischen Docenten, in Sachsen u. alle die in geistl. Aemtern stehen, auf einmal ihre Meinung sagten, so müste man sie alle einige wenige alte Dorfpastores ausgenommen, absezen, u. also würde man wohl keinem viel thun. Unser Volk ist in den meisten Gegenden zu einer Verbeßerung schon längst reif. Nur die furchtsame Politik, die sich aus der Staatsöconomie, bis in die religiöse verbreitet, und der Herrnhuthismus, der die Köpfe unsrer meisten Großen beherrscht, ist Ursache, daß Sachsen in einer so scheinbaren Finsterniß bleibt, die mit dem Grade seiner wirkl. Aufklärung einen so besondern Contrast macht. – In Jena ist man um ein Jahrhundert weiter. Der Leipziger Grundsaz überhaupt scheint: Quaerendo pecuniam etc. u dieser theilt sich denn auch den Gelehrten mit, u. muß sich ihnen mittheilen [/]
Ich danke Ihnen für die gütige Mittheilung Ihrer Reisebemerkungen. Sie sind mir um so schäzbarer, weil sie meistens in Gegenden fallen, durch die ich auch reis’te. Wie es allemal eine große Freude ist, wenn man einen sehr geachteten, u. geliebten Mann mit einem seiner geheimen Gedanken gleichstimmig findet, so ging es mir besonders bei Ihrer Bemerkung über Zollikofers Predigten. Ich habe immer gedacht, daß es noch eine stärkere, ergreifendere, wirksamere Manier im predigen gebe als diese, u. ich war wohl einmal willens nach meinem geringen Talent, dem Publiko ein Wort darüber zu sagen: aber es ist bei uns, – ich glaube fast allenthalben, bei Ihnen hat mir’s auch so geschienen – schon so fest ausgemacht, daß nur der sanfte Ueberredungston – kalte, einförmige Eintönigkeit will man sagen – der einzige wahre für die Canzel sei, daß man die Gegenmeinung gar keines Draufhörens mehr würdigen würde.
Wie gern hätte ich den Johannis Tag wenigstens im Herzen mit [Ihnen] gefeiret, wenn ich gewust, oder mich gleich besonnen hätte, wie intereßant er Ihrem Herzen ist. Ich wünsche, daß Sie ihn noch oft vergnügt feiren; Mir soll er in der Abwesenheit auch ein Feiertag sein.
Ich empfehle mich Ihren fortdauernden gütigen Gesinnungen, u bin mit der grösten Hochachtung u. Ergebenheit
Ew. Hochwürden. –
gehorsamster
G. Fichte.
Ew. Hochwürden beschämen mich durch Ihre Güte. Schon längst wäre es meine Pflicht gewesen, Ihnen sowohl für die trefliche Bekanntschaft, die Sie mir an Dero H. Sohn verschaft, als insbesondere überhaupt für alle Deroselben mir in Z. bewiesene Freundschaft zu danken. Aber es war Ihnen vorbehalten auch darinne, wie in allem, mich weit zu übertreffen.
Leipzig soll Deutschland’s Athen sein? Nun ja, – dasjenige zu dem Paulus sagt: Ich sehe, daß ihr in allen Stüken abergläubig seid. Im Ernste: L. hat noch immer Gelehrte, die ihm Ehre machen: es hat gute Köpfe, die weniger bekannt sind, aber jenen nichts nach geben: es ist auf den Universitäten, die ich kenne, immer noch die, wo man am meisten Geschmak u. schöne Litteratur mit den solidern Wißenschaften verbindet; aber es ist, als wenn über der ewigen Verfeinerung alle Energie aus den Charakteren aller gebohrnen, oder gemachten Leipziger vertilgt wäre; daher die Schleicherei, die Accommodation an bejahrte Systeme, die man fast in allen Büchern auch unsern besten Gelehrten anmerkt. Man sagt: es ist gefährlich mit der Sprache gerade heraus zu gehen; – u. eben durch diese Furcht wird es gefährlich. Wenn alle academischen Docenten, in Sachsen u. alle die in geistl. Aemtern stehen, auf einmal ihre Meinung sagten, so müste man sie alle einige wenige alte Dorfpastores ausgenommen, absezen, u. also würde man wohl keinem viel thun. Unser Volk ist in den meisten Gegenden zu einer Verbeßerung schon längst reif. Nur die furchtsame Politik, die sich aus der Staatsöconomie, bis in die religiöse verbreitet, und der Herrnhuthismus, der die Köpfe unsrer meisten Großen beherrscht, ist Ursache, daß Sachsen in einer so scheinbaren Finsterniß bleibt, die mit dem Grade seiner wirkl. Aufklärung einen so besondern Contrast macht. – In Jena ist man um ein Jahrhundert weiter. Der Leipziger Grundsaz überhaupt scheint: Quaerendo pecuniam etc. u dieser theilt sich denn auch den Gelehrten mit, u. muß sich ihnen mittheilen [/]
Ich danke Ihnen für die gütige Mittheilung Ihrer Reisebemerkungen. Sie sind mir um so schäzbarer, weil sie meistens in Gegenden fallen, durch die ich auch reis’te. Wie es allemal eine große Freude ist, wenn man einen sehr geachteten, u. geliebten Mann mit einem seiner geheimen Gedanken gleichstimmig findet, so ging es mir besonders bei Ihrer Bemerkung über Zollikofers Predigten. Ich habe immer gedacht, daß es noch eine stärkere, ergreifendere, wirksamere Manier im predigen gebe als diese, u. ich war wohl einmal willens nach meinem geringen Talent, dem Publiko ein Wort darüber zu sagen: aber es ist bei uns, – ich glaube fast allenthalben, bei Ihnen hat mir’s auch so geschienen – schon so fest ausgemacht, daß nur der sanfte Ueberredungston – kalte, einförmige Eintönigkeit will man sagen – der einzige wahre für die Canzel sei, daß man die Gegenmeinung gar keines Draufhörens mehr würdigen würde.
Wie gern hätte ich den Johannis Tag wenigstens im Herzen mit [Ihnen] gefeiret, wenn ich gewust, oder mich gleich besonnen hätte, wie intereßant er Ihrem Herzen ist. Ich wünsche, daß Sie ihn noch oft vergnügt feiren; Mir soll er in der Abwesenheit auch ein Feiertag sein.
Ich empfehle mich Ihren fortdauernden gütigen Gesinnungen, u bin mit der grösten Hochachtung u. Ergebenheit
Ew. Hochwürden. –
gehorsamster
G. Fichte.