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Johann Gottlieb Fichte to Dietrich von Miltitz

H. v. Miltiz.
Ich habe aus den Zeitungen gesehen, daß Ew. die Stelle eines Lieutenants erhalten, u. ob ich gleich eben in einer Lage war, in der ich nicht glaubte, daß mich irgend etwas würde freuen können, hat dies doch mich innig gefreut. Ich sehe durch so ein geschwindes avancement, von der einen Seite Ihren Diensteifer, u. Geschiklichkeit öffentlich anerkannt: von der andern sehe ich es als die erste Stufe u. gleichsam als das <Anfangsglied> viel glänzenderer, u. ausgebreiteter Aemter an, in denen Ew dem Ruhme großer Ahnherren, u. den eigenen Verstandes, u. Herzens=Talenten entsprechen werden. – Es wäre beschämend für mich, wenn Ew. hierinne mehr die Stimme des eigennüzigen Schmeichlers, als die des Herzens u. der Empfindung entdekten, ohnerachtet ich mich durch das nach folgende derselben nicht verdächtig machen oder, wenn ein Verdacht dieser Art gegen mich statt finden könnte, ihn bestätigen müste.
Ich hoffe nicht, daß mich Ew. des Mangels an Oekonomie verdächtigen, wenn ich Denenselben schon in meinem leztern Briefe gestand, u. jezt abermals gestehe, daß die Früchte von Deroselben Freigebigkeit keinen dauernden Nuzen für mich hatten. Wie weit dieses, an sich für mich große Geschenk, in einer Lage, da man Wohnung u. Unterhalt auf ein paar Tage in Dreßden zu bezahlen, die Reise bis Leipzig zu machen, u. da wieder das Reisegeld der Hinnreise bis Dreßden, u. noch andere, Kleinigkeiten zwar, aber mehrere Kleinigkeiten, zu bezahlen hatte, [reichen konnte,] ergiebt sich von selbst. Ich war bald wieder in dem ersten drükenden Mangel, schmeichelte mir von Tage zu Tage einer Antwort von [Ihnen], – u. muste endlich, um Leben u. Ehre zu erhalten, meine Kleider, außer denen, die ich trug, auf Wiederkauf verpfänden, weil ohne diese Bedingung kein Geld zu erhalten war. Ich schäme mich auch dieses nicht zu gestehen; weil ich gern gestehe, daß so bald ich zwischen Verlust des Lebens, u. der Ehre von einer Seite die ich unter anderm in pünktliche Haltung des gegebnen Worts etwas mit einem gewißen Tage zu bezahlen, seze; und von der andern zwischen den Verpfändungen meiner Haabseeligkeiten zu wählen habe, ich allerdings das leztere wähle. Binnen einigen Tagen also wird wenn ich auch bis dahin den Mangel alles nothwendigen [ertrage,] das wenige, was ich außer dem Leben bisher noch hatte, verlohren, und ich werde, auch im Falle einer nachfolgenden Rettung unwiederbringlich zu Grunde gerichtet sein.
Warum ich mit diesen Klagen mich eben an Euer, wende, eben von Ihnen Hilfe hoffe, können Ewr allerdings fragen: u ich bin verbunden Ihnen darüber meine Grundsäze zu sagen: – Ich schäme mich keineswegs in unverschuldetem Mangel zu sein, Er ist etwas, das jedem, der Mensch ist, wiederfahren kann. Da ich keine Wunder erwarte, so halte ich es in diesem Falle für Pflicht mich einem Menschenfreunde zu entdeken, der helfen kann, u. von dem ich wenigstens einige Hofnung habe, daß er helfen will. Dies, nichts weiter, ist meine Pflicht, u. die thue ich, indem ich zu Ew. als zu dem Einzigen mir bekannten dem ich das Können, u das Wollen zutrauen kann, meine Zuflucht nehme. Mein Schiksal ist also jezt ganz in Ihren Händen. Im Falle es Ihnen an einem von beiden fehlen sollte, so werde ich meinen Untergang mit eben dem Muthe ertragen, mit dem ich in meinem kurzen Leben so vielerlei Ungemach,u. so oftmaligen herben Mangel ertrug; zugleich mit der Ueberzeugung, kein Rettungsmittel versäumt zu haben, das mir übrig blieb.
Mein Schiksal ist auch in einem andren Verstände in [Ihren] Händen. Sollte ich diesmal gerettet werden, so bliebe die Verzeihung Deroselben gnädigen Fr. Mutter ein nothwendiges Bedürfnis für [meine] Ruhe. Dieselbe aber würde in meiner abermaligen Verlegenheit eine neue Gelegenheit zum Unwillen gegen mich finden, weil Sie <sogar erklärlich[er] Weise> sich nie wird denken können, wie weit in der Lebensart von meinesgleichen der Mangel gehen, wie unverschuldet er sein u. zu welchen Auswegen er nöthigen kann. Ich müste also, im Falle Euer mich retten wollen, unterthänig bitten, ihr mein jeziges Elend zu verschweigen. Im Falle, daß Sie mich nicht retten wollen, so habe ich nichts weiter zu wagen, oder zu hoffen. [/]
Uebrigens zeigen sich mir nicht unvortheilhafte Aussichten. Eben hat ein studirender sich eine Privat<->Vorlesung über die Kantische Philosophie bei mir aus genommen: eine zwar sehr geringe Unterstüzung, die überdies nur bis Michaelis währt, weil er dann L. verläßt, die aber doch vielleicht etwas beitragen könnte, mich bekannter zu machen. Zu Michaelis habe ich Hofnung eine Handschrift zu verkaufen; und entweder eine Stelle zu finden, wie ich sie wünsche, oder durch Vermittlung des H. Präsident v. Burgsdorf, dem ich nicht ganz unvortheilhaft bekannt zu sein hoffe, meine ganze Lage etwas sicherer zu arrangiren. Das Detail meiner Lage habe ich weder diesem, noch sonst irgend jemand entdekt, weil ich in <diesem Falle> nicht nur nirgends Unterstüzung hoffen, sondern gar Verachtung befürchten muste. Zu Ew. allein habe ich das Zutrauen, daß ich wenigstens das lezte nicht von Ihnen zu befürchten habe
Darf ich wohl die Bitte noch hinzufügen, daß Ew. so gnädig seien, mir Deroselben Entschluß zu melden, um mich wenigstens aus einer Ungewißheit zu reißen, die mir quälender ist, als das Elend selbst.
Ich habe mit der entschiedensten Hochachtung die Ehre zu sein. pp
Metadata Concerning Header
  • Date: Anfang August 1790
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Dietrich von Miltitz
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 163‒166.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 34
Language
  • German

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