[. . .] – – Ich lebe in einer neuen Welt, seitdem ich die Kritik der praktischen Vernunft gelesen habe. [/] Sätze, von denen ich glaubte, sie seyen unumstößlich, sind mir umgestoßen; Dinge, von denen ich glaubte, sie könnten mir nie bewiesen werden, z. B. der Begriff einer absoluten Freiheit, der Pflicht u.s.w. sind mir bewiesen, und ich fühle mich darüber nur um so froher. Es ist unbegreiflich, welche Achtung für die Menschheit, welche Kraft uns dieses System giebt! Doch was sage ich das Ihnen, der Sie es längst werden empfunden haben, wie ich! Welch ein Segen für ein Zeitalter, in welchem die Moral von ihren Grundfesten aus zerstört, und der Begriff Pflicht in allen Wörterbüchern durchstrichen war: – denn – verzeihen Sie mir – ich überrede mich [/] nicht, daß vor der Kantischen Kritik irgend Jemand, der seinen Verstand selbstständig zu brauchen wußte, anders gedacht hat, als ich, und ich erinnere mich Niemanden gefunden zu haben, der gegen mein System etwas Gründliches eingewendet hätte. Ehrliche Leute habe ich genug gefunden, die anders, nicht dachten, – das konnten sie überhaupt nicht, – sondern fühlten. So täuschte es mich durch die scheinbare Konsequenz, und so täuscht es vielleicht noch tausend.
Haben Sie die Kantische Kritik der Urtheilskraft schon gelesen? Es ist eine Aesthetik und Teleologie, von denen die erste, da Sie sich mit Untersuchung des Schönen beschäftigt haben, Sie doppelt [/] interessiren wird; – evident, wie Alles von Kant, deutlicher und besser geschrieben, wie mir scheint, als seine vorigen Werke, und – besser gedruckt! Haben Sie seine Schrift gegen Eberhardt: „über eine ältere Kritik, die alle neue Kritik überflüssig machen soll“ – gelesen? Sie wirft viel Licht auf die Kritik d. r. V., und noch mehr über die Verdrehungen und hinterlistigen Wendungen Eberhardt’s, und ist hier und da mit mehr Witz geschrieben, als man von Kant hätte erwarten sollen. Er verspricht nun noch eine Metaphysik der Natur und eine Metaphysik der Sitten.
Ich habe mich jetzt ganz in die Kantische Philosophie geworfen: Anfangs aus Noth; ich gab eine Stunde über die Kritik der reinen Vernunft; nachher seit meiner Bekanntschaft mit der Kritik der praktischen Vernunft aus wahrem Geschmack. Ein gewisser Peuker in Schlesien hat eine Darstellung der Kritik d. r. V., nebst kurzer Widerlegung der dagegen gemachten Einwürfe, geschrieben: es ist größten Theils ein Auszug, der mir indeß trefflich scheint; der mich aber im Grunde nicht freut, weil ich halb und halb Willens war, etwas Aehnliches zu thun. Eine Hauptursache von der Unverständlichkeit der Kritik scheinen mir die oftmaligen Wiederholungen und Digressionen, welche die Ideenreihe unterbrechen; und ich glaube, sie würde leichter seyn, wenn sie halb so dick wäre. [. . .]
Haben Sie die Kantische Kritik der Urtheilskraft schon gelesen? Es ist eine Aesthetik und Teleologie, von denen die erste, da Sie sich mit Untersuchung des Schönen beschäftigt haben, Sie doppelt [/] interessiren wird; – evident, wie Alles von Kant, deutlicher und besser geschrieben, wie mir scheint, als seine vorigen Werke, und – besser gedruckt! Haben Sie seine Schrift gegen Eberhardt: „über eine ältere Kritik, die alle neue Kritik überflüssig machen soll“ – gelesen? Sie wirft viel Licht auf die Kritik d. r. V., und noch mehr über die Verdrehungen und hinterlistigen Wendungen Eberhardt’s, und ist hier und da mit mehr Witz geschrieben, als man von Kant hätte erwarten sollen. Er verspricht nun noch eine Metaphysik der Natur und eine Metaphysik der Sitten.
Ich habe mich jetzt ganz in die Kantische Philosophie geworfen: Anfangs aus Noth; ich gab eine Stunde über die Kritik der reinen Vernunft; nachher seit meiner Bekanntschaft mit der Kritik der praktischen Vernunft aus wahrem Geschmack. Ein gewisser Peuker in Schlesien hat eine Darstellung der Kritik d. r. V., nebst kurzer Widerlegung der dagegen gemachten Einwürfe, geschrieben: es ist größten Theils ein Auszug, der mir indeß trefflich scheint; der mich aber im Grunde nicht freut, weil ich halb und halb Willens war, etwas Aehnliches zu thun. Eine Hauptursache von der Unverständlichkeit der Kritik scheinen mir die oftmaligen Wiederholungen und Digressionen, welche die Ideenreihe unterbrechen; und ich glaube, sie würde leichter seyn, wenn sie halb so dick wäre. [. . .]