Single collated printed full text with registry labelling
TEI-Logo

Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Leipzig, d. 7. Februar. 1791.
Theuerste Geliebte
Erst seit einigen Tagen komme ich von einer Reise nach Dreßden zurük, wo ich mich einige Wochen aufgehalten habe. Dein zärtlicher Brief nebst dem theuren Einschluße Deines besten Vaters ist während meiner Abwesenheit angekommen. Ohnerachtet ich den Auftrag hinterlaßen hatte mir alle Briefe an mich nach Dreßden zu schiken, so ist doch eben der Deinige durch die Nachläßigkeit meiner Wirthin, die mir andere sehr unwichtige geschikt hat, liegen geblieben. Urtheile von meinem Schmerze, daß ich Dir, da ich weiß, wie sehr Dich zärtliche Seele ein ungewohntes langes Stillschweigen betrübt, erst jezt antworten kann
Dein geliebtes Bild habe ich ohngefähr 2. Wochen nach Anfange dieses Jahrs erhalten. Es ist mein Begleiter auf meiner Reise gewesen; es ist mein beständiger Gefährte. Ich habe die Rührung, die etwas lebloses, das durch den Gedanken an den geliebten Gegenstand beseelt wird, gewährt, oft empfunden; habe sie bei Deinen Briefen, bei allem, was durch Deine Hand geweiht ist, empfunden: aber nie habe ich geglaubt, daß etwas lebloses einen solchen Werth für unser Herz haben könnte, als ich es jezt empfinde. – Dank sei Dir, Engels Seele, für die Freuden, womit Du die Stunden der Trennung mir versüßest. [/]
Deinem theuren Vater sage in meinem Namen den herzlichsten Dank für seine gütige Zuschrift. – Auch nur die Gefahr von so einem Manne, als dieser theure Vater ist – von einem Manne, den ich in dem längsten Leben wohl nie erreichen würde – würde mich beschämen. Einige Güte gegen mich, ist zureichend mich glüklich zu machen; ist das, deßen Verdienen ich mein übriges Leben weihen werde.
Das angezeigte Haus, wo die Augensalbe in Commißion sein soll, existirt; aber von einer Fr. Rost weiß man weder in diesem Hause, daß sie je da gewohnt habe, noch im Intelligenz Comtoir, wo man alles weiß. Sie existirt also warscheinlich schon seit langer Zeit nicht mehr. Augen Salben giebt es in Leipzig genug: aber ich möchte es nicht wagen Deinem besten Vater das erste, das beste, ohne Kenntnis von dem Nuzen, oder wenigstens von der Unschädlichkeit deßelben zu schiken. Ich werde aber hoffentlich noch vor Abgang dieses Briefs Gelegenheit haben einen Arzt darüber zu befragen; u. dann es entweder auf der Post, wenn man es nimmt, oder durch H. Schiek, Commißionär der Zürcher Buchhandlung, schiken. – Daß Du, theuerste Geliebte, diesen Auftrag so schließest: es thue Dir leid, mir Ungelegenheit, u. Unkosten zu machen, – muste mich in jedem Falle, – muß mich unter den jezigen Umständen doppelt beschämen. Ich habe mich so getröstet: dieser Zusaz sei nichts, als ein Formular, der ohngefähr soviel heiße, als: Gehorsamer Diener: – aber gestehe, daß auch dieser Trost noch nicht sehr tröstlich ist. [/]
In Deinen Sorgen über unsere künftige Einrichtung erblike ich Dein zärtliches Herz sowohl, als Deine weise Vorsichtigkeit; u. fühle doppelt das Glük, einer Person anzugehören, der ich mich ganz, mit allem was ich bin, und kann, überlaßen kann. Ich für meine Person kann über diesen Gegenstand vor der Hand noch keinen Entschluß faßen; und mein einziger Trost hierbei ist dieser, daß dieser Entschluß jezt noch nicht nöthig ist. – Daß ich den meiner gegenwärtigen Schüler, auf welchen allein ein solcher Entwurf paßt, nicht werde mitbringen können, wird mir immer warscheinlicher; weil ich mich immer mehr überzeuge, daß sein Vater sich nicht entschließen wird, so viel an die Erziehung eines seiner Kinder zu wenden. Jedoch, um meinen Grundsäzen getreu, das gethan zu haben, was an mir ist, werde ich mit aller Offenheit, u. Geradheit zu Ende dieses Monats, wo ich die Stunden aufzukündigen gehalten bin, diesen Vorschlag thun. Andrer Mittel mich zu bedienen, ist nicht in meinem Charakter. Die Bildung dieses Knabens würde wahre Freude für mein Herz sein; dies Geschäft aber in’s weite auszudehnen, davon gestehe ich, daß es wenig nach meinen Wünschen ist. Dies heißt nicht so viel, daß ich es nicht thun werde, wenn es der einzige Weg sein sollte, unsre Subsistenz zu versichern. Pflicht wird mir immer das erste; u. Vergnügen nur das zweite sein. [/]
Ich gestehe, daß die Stunde in der ich diesen Brief schreibe, seit geraumer Zeit eine meiner heitersten ist; und vielleicht merkt man es auch ihm noch an, daß ich seit einiger Zeit nicht immer ganz ruhig war.
So angenehm sich mir die Zukunft in Deinem Besize, theuerste Engels-Seele, zeigt; so erblike ich doch von andern Seiten Aussichten, die weniger reizend sind. – „Die Beschäftigung mit der Kantischen Philosophie ist eine undankbare Arbeit“ Für den Geist wohl nicht; aber – jedoch die Urtheile, von denen Du redest, abgerechnet, welche mehr als oberflächlich sind – für litterarischen Ruhm, u. Intereße könnte sie es vor der Hand noch, wenn man nemlich keine academische Laufbahn laufen will, wohl sein. Ich bin, wie mir’s scheint, nahe dran, es sinnlich zu fühlen. – Ueberhaupt, nur an Deiner Seite erwartet mich der Friede; oder er erwartet mich nirgends unter dem Monde. Doch! was theile ich Dir meine schlimme Laune mit?
Achelis hat mir auf einen Brief, der jezt 14. bis 15. Wochen fort ist, nicht geantwortet. Ich kenne ihn zu gut, um daraus auf Erkaltung seiner Freundschaft zu schließen: aber artig ist es doch einmal nicht.
P. S. Ich habe ein Büchsgen Augensalbe besorgt, welches mir garantirt ist. Die reitende Post nimmt es aber nicht mit. Ich werde es also, um Dich nicht länger auf Nachricht von mir warten zu laßen, entweder mit der nächsten fahrenden Post, od. durch Herrn Schiek schiken. Leb wohl, zärtlich geliebte meiner Seele, u. glaube, daß ich ewig bin der Deine.
F.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 7. Februar 1791
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Zürich · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 211‒213.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 39
Language
  • German

Basics · Zitieren